Die Taktik und beiden Szenarien des Westens gegenüber der Syrienkrise
Während die syrische Armee und ihre Verbündeten sich auf den Beginn der Operationen in Idlib vorbereiten, sind die syrischen Oppositionellen sich uneinig und verfolgt der Westen eine Taktik und zwei Szenarien für diese Krise.
Die Syrienkrise hat vor siebeneinhalb Jahren begonnen und die militärischen und politischen Bedingungen in dieser Krise sind nunmehr offensichtlich zu Gunsten der syrischen Staatsordnung. Die syrische Armee und ihre Verbündeten haben die letzten Schritte getan, um die Befreiung von Idlib aus der Hand der Terrorgruppen in Angriff zu nehmen.
Auch auf der politischen Szene nehmen die syrische Staatsordnung und ihre externen Verbündeten, darunter Iran und Russland eine stärkere Position im Vergleich zu der syrischen Opposition und deren Unterstützer ein. Dazu kommt dass die Regierungsgegner Syriens keine geschlossene Front bilden und aus drei verschiedenen Gruppen bestehen – die erste davon tendiert zu Russland, die zweite zur Türkei und die dritte zu Saudi Arabien.
Hasan Schokripur iranischer Sachverständige für strategische Fragen weist darauf hin, dass die in Syrien lebende, zu Russland tendierende Opposition mit ihren Standpunkten politisch Russland nahekommt. Unterdessen herrscht zwischen denen zur Türkei und denen zu Saudi Arabien tendierenden Oppositionellen eine ernsthafte Uneinigkeit. Die Türkei unterstützt nämlich die Muslimbrüder und die Saudis lehnen sie ab. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen Ankara und Riad hat außerdem den Streit zwischen den zur Türkei und den zu Saudi Arabien tendierenden Regierungsgegnern in Syrien weiter intensiviert.
Gründe für die Aufschiebung der Operationen in Idlib:
Die syrische Armee und ihre Verbündeten haben noch nicht die Militäroperationen in Idlib begonnen. Die Verschiebung des Angriffs hat mit drei Dingen zu tun, nämlich der geografischen Lage von Idlib, der dortigen Bevölkerungsmenge und ebenso mit dem Standpunkt des Westens insbesondere der USA.
Idlib ist geografisch gesehen ein gebirgiges Gebiet, was die Operationen zur Befreiung dieses syrischen Gouvernements im Vergleich zu anderen Operationen der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten gegen die Terrorgruppen erschwert. In Idlib leben 3,5 Millionen Menschen und dies ist ein weiterer Grund für die Aufschiebung des Operationsbeginns. Der Westen und die syrische Regierungsopposition berufen sich bei ihren Agitationen auf diese Bevölkerungszahl. Auch Recep Tayyip Erdogan, der den Beginn von Operationen in Idlib ablehnt, argumentiert, man müsse Verluste unter der 3,5 Millionen Bevölkerung in Idlib vermeiden. Aber die Besorgnisse hinsichtlich von menschlichen Verlusten drehen sich weniger um die Zivilbevölkerung als vielmehr um die hunderttausend Terroristen, die sich in dem Gouvernement Idlib aufhalten. Richard Black der republikanische US-Senator des Bundesstaates Virginia meint zur Instrumentalisierung der Sorge um Menschenleben, es werde immer dann von einer menschlichen Tragödie in Idlib gesprochen, wenn die Terrorgruppen in Gefahr sind.
Taktik des Westens unter Anführung der USA: wiederholte Angriffe aufgrund wiederholter Behauptungen
Idlib ist für den Westen sehr wichtig, denn es ist das einzige Gouvernement Syriens, welches sich noch in der Hand der vom Ausland unterstützten Terroristen befindet. Husain Abdul Aziz schreibt auf dem Internetportal Al-Araby Al-Jadeed: „Die vollständige oder relative Niederlage der bewaffneten Gruppen in Idlib wird diese in unfähige Kräfte verwandeln, die überhaupt nicht in der Lage sein werden, wieder ihr Potential aufzubauen. Mit anderen Worten werden diese Gruppen nicht mehr fähig sein, militärische Entschlüsse zu fassen. Und daher wird der Krieg zwischen dem syrischen Regime und seinen Gegnern zumindest vom strategischen Gleichgewicht her zu Ende gehen.“
Saadullah Zare`i, iranischer Nahostexperte, ist der Überzeugung: „Die USA und Türkei sind eindeutig gegen die Befreiungsoperationen in Idlib, denn auf der einen Seite werden die Idlib-Operationen die Ausweisung der Militärkräfte beider Länder aus Syrien bedeuten, die fast zwei Jahre lang ohne Einverständnis der legitimen Regierung von Syrien mit ihren Truppen in die nördlichen Gebiete dieses Landes einmarschiert sind, und auf der anderen Seite wird die syrische Regierung wieder vollständig über ihr Land herrschen können und diese Souveränität wird verhindern, dass man ihr irgendetwas aufzwingt. In Wahrheit werden nach Abschluss der Operationen in Idlib auch die vielfältigen Verschwörungen der westlichen Staaten und ihrer Vasallen in der Region gegen Syrien zu Ende gehen.“
Der Westen und insbesondere die USA versuchen also den Beginn der Militäroperationen in Idlib zu verhindern oder ihn weit hinaus zu verschieben, damit sie den Terroristen mehr Hilfen zukommen lassen können.
Außerdem bereiten sich die USA und ihre Verbündeten auf eine Syrienoffensive vor.
Bezüglich dieser Offensive existieren zwei Ansichten:
Gemäß dem ersten Standpunkt sind die Amerikaner zu der Einsicht gelangt, dass die Operationen in Idlib nahe bevorstehen. Deshalb planen sie, als Erster anzugreifen. Dadurch können sie auch den Beginn der Militäroperationen in Idlib seitens der syrischen Armee und ihrer Verbündeten hinauszögern.
Gemäß dem zweiten Standpunkt haben die Amerikaner zurzeit nicht den nötigen Vorwand für einen Angriff auf Syrien zur Hand. Daher warten sie den Angriff der syrischen Armee und ihrer Verbündeten auf Idlib ab, um dann unter Einsatz von breit angelegter Propaganda in den Medien der syrischen Staatsordnung den Einsatz von chemischen Waffen in die Schuhe zu schieben. Dies ist ein Punkt, auf den die Russen schon seit Wochen hinweisen und der republikanische US-Senator Richard Black sagt darüber: „Es liegen uns Informationen darüber vor, dass der britische Nachrichtendienst einen chemischen Angriff im syrischen Idlib plant, um nach dessen Durchführung der syrischen Staatsordnung die Schuld daran zu geben und Syrien als verantwortlich für diesen chemischen Angriff hinzustellen.“
Im Falle, dass die USA nach Beginn der Idlib-Operationen Syrien angreifen, wird sich in Wahrheit wieder Ähnliches abspielen wie beim Angriff auf Asch Schariat im April 2017. Im April 2017 haben die USA wegen eines angeblich syrischen C-Waffenangriffs auf Chan Scheichun in Idlib den Luftstützpunkt Asch Schariat in dem syrischen Gouvernement Homs mit Raketen beschossen.
Die beiden Szenarien des Westens für die Syrienkrise
Der Westen unter Anführung der USA scheint gleich zwei Szenarien für die Syrienkrise zu verfolgen. Das erste besteht darin, die Syrienkrise aufrechtzuerhalten. Husain Schokripur, Experte für strategische Fragen, ist diesbezüglich folgender Meinung: “Der Westen unter Anführung der USA ist in Syrien nicht an seine Ziele gelangt, darunter den Sturz des Systems dieses Landes. Deshalb versucht er zu verhindern, dass die Flammen des Krieges in Syrien erlöschen. Wenn nämlich unter den jetzigen Bedingungen der Krieg in Syrien zu Ende geht, wird es nicht nur bedeuten, dass Baschar Asad an der Macht bleibt, sondern es wird auch bedeuten, dass sich die Machtgleichungen auf Weltebene zugunsten Russlands und auf regionaler Ebene zugunsten der Islamischen Republik festigen werden. Daher lautet das erste Szenario des Westens für Syrien: Fortsetzung der Krise. Mit einem eventuellen Angriff auf Syrien, unter dem Vorwand, die syrische Regierung habe chemische Waffen eingesetzt, soll ein Anhalten der Krise in diesem Land erreicht werden.
Das zweite Szenario des Westens im Zusammenhang mit der Syrienkrise besteht in Störmanövern für den politischen Verhandlungsprozess zu dieser Krise, zwecks Reduzierung der Rolle Baschar Asads in den zukünftigen Machtstrukturen Syriens. Während auf Initiative Russlands, der Islamischen Republik Iran und Türkei in Astana, Kasachstan, Gespräche über die Syrienkrise stattfinden und außerdem der russische iranische und türkische Präsident zu solchen Gespräche zusammentreffen, erfolgen unter Aufsicht der UNO und Teilnahme von internationalen, regionalen Akteuren und der syrischen Delegation sowie der Regierungsgegner in Genf ebenso in Abständen Konferenzrunden.
Nachdem die 8. Runde der Genfer Verhandlungen zur Syrienfrage im Dezember 2017, also vor 9 Monaten stattfand, und ergebnislos endete, erfolgte die 9. Runde der Astana-Verhandlungen im April 2018. Die Astana-Verhandlungen zählen zu den erfolgreichsten Verhandlungen in der Syrienfrage, denn bei der 4. Runde dieser Verhandlungen im April 2017 konnte man sich auf die Bildung von Schutzzonen in Syrien einigen, und dieser Schritt hat eine enorme Rolle dabei gespielt, die Ausmaße der menschlichen Tragödie zu vermindern und hat zu den Siegen der syrischen Armee und ihrer Verbündeten beigetragen.
Die Gipfelgespräche zwischen dem iranischen, dem russischen und türkischen Staatspräsidenten haben mittlerweile auch schon dreimal stattgefunden, erst in Sotschi, Russland, dann in Ankara, Türkei und schließlich in Teheran. Die letzte Runde des trilateralen Gipfels fand genauer gesagt erst vor kurzem, nämlich am 7. September in Teheran statt. Die wichtigste Errungenschaft dieser trilateralen Konferenz war der Entschluss zur Beibehaltung der Sicherheitszonen in Syrien und außerdem hat man die Wahrung der territorialen Integrität Syriens bekräftigt. Auch wenn bei diesen Verhandlungen die USA nicht teilnehmen, so haben sie dennoch versucht im Hintergrund Einfluss auf sie auszuüben und zwar in Form der Forderung nach Reduzierung der Rolle Baschar Asads, des syrischen Staatspräsidenten, in der zukünftigen Machtstruktur Syriens.
Den USA und ihren Verbündeten ist es in Wahrheit nicht gelungen, Baschar Asad auf der militärischen Ebene zu entmachten und die syrische Staatsordnung zu stürzen und deshalb sind sie nun bestrebt, zumindest die Rolle Baschar Asads in den künftigen Machtstrukturen Syriens zu reduzieren.