Kermanschah: Die Heimat der Zivilisation, Geduld und Tapferen
Das Erdbeben, das sich vor einigen Tagen im Westen Irans ereignete, hat nicht nur großes Mitgefühl unter der iranischen Bevölkerung ausgelöst. Menschen in aller Welt nahmen Anteil an dem Kummer und haben ihr Beileid ausgesprochen.
Der Herbst war schon zur Hälfte vorüber, aber es war noch immer sommerlich und hatte nur wenig geregnet. In den gebirgigen Gegenden war es jedoch schon kalt und man machte es sich am Abend bei einem heißen Tee und warmer Kleidung im Kreise der Familie oder Freunden gemütlich.
Am Sonntag vorige Woche aber zerbrach ein Erdbeben diese kleine Idylle - es war um 21 Uhr und 48 Minuten nach lokaler Zeit. Die Erde hörte nicht auf zu beben und ein fürchterliches Echo hallte in den Bergen Dalahu, Amrulah, Paraw, Dalachani und Schaho. Bisutun muss sich über dieses fürchterliche Krachen und dieses Beben gewundert haben.
Der Himmel blickte auf die Erde und suchte nach einem hellen Punkt auf ihr in dem Dunkel der Nacht , in der das Erdbeben Kermanschah erschütterte. Da sah er die zerstörten Häuser und die erschreckten Augen der Kinder . Er wollte den heftigen Herbstwind und die Erde zur Ruhe mahnen, doch sie hörten nicht auf ihn und zerstörten alles. Vater und Mutter, Liebe und Träume, und die Kindheit - alles war wie weggefegt und der Himmel suchte unter den Trümmern nach einem hellen warmen Morgen. Der Himmel war tief bekümmert. Fassungslos schaute er bis zum Morgen auf die Erde. Er konnte vor lauter Kummer noch nicht einmal weinen.
Am 12. November , einem Sonntag, ereignete sich circa um 22 Uhr in der Nähe der Kleinstadt Ezgeleh in der Provinz Kermanschah und nahe der Grenze Irans zu Irak ein schweres Erdbeben mit einer Stärke von 7,3 . Es kamen 435 Menschen ums Leben und 7817 Menschen wurden verwundet. Das Epizentrum lag in einer Tiefe von 11 km und wegen dieser geringen Tiefe und der langen Dauer des Erdbeben war es in ganz Nordwest- und Westiran zu verspüren. Selbst in Südosten der Türkei und in Kuwait und im Norden Saudiarabiens hat man es wahrgenommen.
Es ist das bisher tödlichste Erdbeben in diesem Jahr auf der Welt.
Die meisten Toten und Verletzten wurden aus den Städten Qasr Schirin, Sarpol Zahab und Salas-e Babadschani berichtet. Tausende von Häusern wurden zerstört und Teile der regionalen Infrastrukturen schwer beschädigt. Laut Nachrichtenquellen benötigen mindestens 70 Tausend Menschen eine neue Unterkunft.

Kermanschah liegt im Zagrosgebirge. Seine Geschichte reicht bis in die Antike und die ersten Epochen der menschlichen Geschichte zurück. Hier haben die ersten Menschen, vor circa 9 Tausend Jahren, nach der Klimaerwärmung die Höhlen verlassen und sind ansässig wurden. Die Einwohner von Kermanschah waren die ersten, die Rohziegel anfertigten. So entstand in der Jungsteinzeit in diesem Gebiet das erste Dorf im Nahen Osten. In der Antike haben die Bewohner von Kermanschah die ersten Tongefäße geformt und sie waren die ersten Menschen,die einem Handwerk nachgingen. Man hat viele historische Spuren aus der prähistorischen Zeit in Kermanschah gefunden.
Es gibt viel Historisches in der Stadt Kermanschah zu sehen.
Die meisten historischen Stätten stammen aus der Zeit der Sassaniden. Die wichtigste davon ist Taq-e Bustan, welche in gewisser Weise als Wahrzeichen von Kermanschah gilt. Es handelt sich um eine Serie von Felsenreliefen aus der Zeit der Sassaniden. Die Stätte liegt im Nordwesten von Kermanschah. Sie wurde im 3. Jahrhundert nach Christus angelegt und ist von hohem künstlerischen und historischen Wert. Auf den Reliefen werden einige historische Szenen wiedergegeben, vor allem die Krönung der Sassanidenkönige Chosrau Parwiz , Ardeschir dem II, Schahpour dem Zweiten und Schahpour dem Dritten. An dieser historischen Stätte befinden sich auch Felsinschriften in Pahlavi (Mittelpersich).

In 30 km Entfernung östlich von Kermanschah sind Felsinschriften aus der Zeit der Achämeniden erhalten geblieben. Sie zählen zu den wichtigsten und bekanntesten historischen Urkunden der Weltgeschichte und sind der wichtigste Text aus der Ära der Achämeniden. Diese Inschriften beschreiben zusammen mit den Felsreliefen den Sieg des achämenidischen Großkönigs Dareous über Gautama und die Gefangennahme der Meuterer. 2006 wurde diese historische Stätte in die Liste der UNESCO für Weltkulturerbe aufgenommen.
Zurzeit der Seldschuken im 11.Jahrhundert nach Christus wurde die Stadt Kermanschah zum Zentrum der Kurdengebiete. Unter den Qadscharen gelangte die Stadt wieder an große Bedeutung weil sich dort die Verbindungswege von Süd nach Nord und Ost nach West überschnitten und es auf dem Weg zu den Pilgerstädten Karbala und Nadschaf im Irak lag. Kermanschahr hat rege an der Bewegung zur Herstellung einer bedingten Monarchie zu Beginn des 20. Jahrhunderts beigetragen. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurde es von fremden Mächten besetzt, welche die Stadt erst nach dem Krieg wieder verließen.
Während des Krieges, den der Irak unter Saddam der jungen Islamischen Republik Iran auferlegte, war die Provinz Kermanschah eine wichtige Achse der Verteidigung. Der Irak begann seine Militäroffensive gegen den Iran in dieser Provinz und der Krieg endete auch in dieser Provinz und die tapfere Bevölkerung dieses Teils von Iran hat 8 Jahre lang mutig gegen die angreiferischen irakischen Kräfte Saddams gekämpft und ihr Heimatland verteidigt.
Kermanschah ist ein wichtiges Zentrum für die iranische Landwirtschaft . Das Einkommen dieser Provinz stützt sich auf den Ackerbau. Kermanschah hat verschiedene Namen und Bezeichnungen wie "Tor zu den Heiligen Stätten", "Brücke zur Seidenstraße" oder auch "größte Ansiedlungsort des kurdischen Volkes". Es wird auch "das iranische Indien" (wegen der vielen verschiedenen Volks- und Religionsgruppen) und "Wiege der Zivilisation" wegen der mehrere Tausend Jahre alten Ansiedlungen, die man dort gefunden hat, genannt. Jeder dieser Titel hebt die Bedeutung dieses Gebietes für die Geschichte Irans hervor. Übrigens gilt der 5. Mordad nach dem iranischen Kalender - nämlich der 27. Juli als ein Nationaltag und wurde unter das Motto: "Kermanschah - die Wiege der Zivilisation" gestellt.

Gleich in den ersten Stunden nach Veröffentlichung der Nachricht vom Erdbeben im Iran wurden alle Möglichkeiten mobilisiert, um den Betroffenen zur Hilfe zu eilen. Wieder zeigte sich die Solidarität und die Hilfsbereitschaft der iranischen Bevölkerung die sofort die Leiden der Menschen im Erdbebengebiet zu lindern versuchte.
Dass Revolutionsoberhaupt Ajatollah Khamenei die allseitige Unterstützung der vom Erdbeben Betroffenen hervorhoben hat, verdoppelte den Einsatz der Hilfsorganisation Roter Halbmond und der wohltätigen Bürger Irans.
In den vergangenen Tagen traten viele in Aktion und haben durch die Sozialnetze und im Internet Botschaften über die benötigten Hilfen der Menschen in den Erdbebengebieten verbreitet. Künstler und Sportler haben Unterstützung für die Erdbebenopfer geleistet und diese Initiativen halten an. Die Teheraner Sportgesellschaft lud am Samstag , dem 15. November zu einer Zusammenkunft im Schahid-Schirudi-Stadion der Hauptstadt ein, um Spenden der Bevölkerung und von Sportlern einzusammeln und in die betroffenen Gebiete zu bringen.
Kianusch Rostami, der bei den Olympischen Spielen beim Gewichtheben die Goldmedaille gewann, versteigerte seine Medaille bei dieser Gelegenheit , um mit dem Erlös den Erdbebenopfern zu helfen. Dieser Sportheld aus Kermanschah schrieb in einer Botschaft: "Erneut hat das Herz der Erde gebebt und das Herz von Millionen von Iranern im Kummer über den Verlust ihrer Lieben erbeben lassen: Mutige Männer und tapfere Frauen, die immer im Herzen der Geschichte als ein Teil des großen Irans in den vorderen Reihen der Verteidigung ihres Landes waren und sind. Und jetzt strecken diese mutigen Kämpfer an der von dem Sturm betroffenen Küste die Hände zum Himmel und hoffen auf die Hilfe ihres lieben Volkes."
Auch Frau Sara Dschawanmardi - die Sportlerin des Nationalteams für den Schießsport der Kampfversehrten und Behinderten Irans, hat ihre Goldmedaille, die sie bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro gewonnen hat zugunsten ihrer Landsleute im Westiran versteigert. Sie sagte: "Als ich die Initiative der Gemeinschaft der Sportler zur Unterstützung der Erdbebenopfer gesehen habe, hab ich mir überlegt, was ich als ein Teilnehmer an der Paralympischen Spiele tun kann und mich zu einem kleinen Beitrag zu dieser großen Initiative entschlossen."

Abschließend sei gesagt:
Keiner kann gleichgültig und nur Zuschauer bleiben.
Wenn die Erde an einem Ort bebt
beben die Herzen aller Menschen an allen Orten der Welt.