Noruz im Reisetagebuch (1)
Wir werfen in zwei Beitragsteilen einen Blick auf die Erinnerungen ausländischer Weltreisender an das Noruzfest.

Das Noruzfest findet als eine Erinnerung an einen antiken iranischen Brauch reichlich Widerhall in den Berichten ausländischer Weltreisender. Dieses fröhliche Ereignis, dessen Geschichte bis in die Antike hineinreicht und einen wichtigen Platz in den iranischen Mythen einnimmt, ist für alle Iraner überall auf der Welt ein fester lebendiger Brauch, der von ihnen gepflegt wird. In Iran, Europa und anderen Breiten ist viel über Noruz und das Noruz-Brauchtum geschrieben worden. Einiges stammt aus der Feder von ausländischen Gästen, die – zu welchem Zweck auch immer – eine Zeitlang im Iran verweilt, die Feste und Bräuche der Iraner miterlebt und nach der Rückkehr in ihr eigenes Land ihre Eindrücke schriftlich in einem Reisebericht festgehalten haben. Einige der Autoren waren Botschafter eines Landes und haben mehrere Jahre während der Ausführung ihres Regierungsauftrages im Iran verbracht. Diese Personen haben mehr am Königshof und mit den hohen Vertretern der Zentralregierung und der Provinzverwaltungen verkehrt. Daher liegt es auf der Hand, dass diese Autoren in der Hauptsache die Gepflogenheiten und Kultur der privilegierten Schichten der iranischen Gesellschaft kennengelernt haben und ihre Angaben nicht verallgemeinert für die gesamte iranische Bevölkerung gelten. Eine andere Gruppe von Weltreisenden ist in den Iran gekommen, um die Kultur und Zivilisation in unserem Land kennenzulernen. Sie haben unter dem Volke gelebt und in ihren Reisetagebüchern niedergeschrieben, was sie gehört und gesehen haben.
Einmal ganz abgesehen davon, welche soziale Position der Verfasser eines Reiseberichtes einnimmt, ist zu sagen, dass solche Berichte von großem Nutzen sind. Sie sind eine Art Dokumentation, aufgrund derer sich jemand mit den Sitten und der Kultur, der Natur und dem Klima, dem Handel und der Wirtschaft und der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Situation Irans in bestimmten Abschnitten der Geschichte vertraut machen kann.
Zur Zeit der Saffawiden (16. bis Anfang 18. Jahrhundert) sind viele Weltreisende aus anderen Ländern und christliche Missionare in den Iran gekommen und haben Reiseberichte hinterlassen. Auch nach den Saffawiden bis Ende der Qadscharen- und Anfang der Pahlaviezeit (Anfang 20. Jahrhundert) hielt diese Tendenz an.
Abraham Valentine Williams Jackson, der als erster bedeutender amerikanischer Iranist gilt, war ein Spezialist für indogermanische Sprachen. Er hat an der Columbia-Universität in den Vereinigten Staaten von Amerika studiert und eine Grammatik für die Awesta-Sprache verfasst, eines der besten Werke auf diesem Gebiet. Jackson reiste 1901 nach Indien und lernte die Parsen in Indien kennen – d.h. die Zoroaster iranischen Ursprungs, die in Indien ansässig geworden sind. 1903 kam er nach Iran. Er hat in einem Buch mit dem Titel „Persia, Past and Present“ (Iran, früher und heute) seine Erlebnisse auf dieser Reise beschrieben. Über das Noruzfest, seine Bräuche und Geschichte hat Jackson sehr ausführlich in diesem Buch berichtet. Hier ein Ausschnitt.
„Während meines Aufenthaltes in Tabriz gab es viele Süßigkeiten und prächtige Dekoration zu sehen; denn es war kurz vor Noruz – dem Neujahr der Iraner ... Mein Besuch in Urmia fiel in eine Zeit, in der das Noruzfest – das Neujahrsfest der Iraner noch nicht zu Ende war. So hatte ich eine gute Gelegenheit, mit dem Gesellschaftsleben der iranischen Bevölkerung näher vertraut zu werden.
Noruz ist das älteste Fest der Iraner und es fällt nicht wie unser Neujahr in den Januar sondern in die Frühlingszeit und mit der Tag-und-Nachtgleiche zusammen, wenn die Sonne in das Tierkreiszeichen Widder tritt. Der iranische Brauch wird seit mehreren Tausend Jahren gefeiert. Noruz wurde zum ersten Mal in der goldenen Ära des (legendären Königs) Dschamschid zelebriert. Dieser Fürst hat vor der Sintflut gelebt. Er hat auch das Sonnenjahr eingeführt. Auch wenn die muslimischen Iraner den Mondkalender gewählt haben, der unter den Arabern üblich war, haben sie niemals das Noruzfest und seine Bräuche vergessen. Das Noruzfest dauert zwei Wochen und wird mit der gleichen Begeisterung und Freude gefeiert wie es vor tausend Jahren zur Zeit des Harun Ar Raschid gefeiert wurde. In Tausendundeine Nacht gibt es einen Hinweis darauf, nämlich in der Geschichte von dem Zauberpferd und es heißt dort wie folgt: `Das Noruzfest ist eines der ältesten und wichtigsten Feste in ganz Iran. Dieses Fest ... wird nicht nur in den großen Städten sondern in jedem Ort, jedem Bezirk, jedem Dorf und jedem Haus gefeiert.`“
Jackson schreibt weiter in seinem Buch „Persia, Past and Present“: Die Bräuche zu den Festtagen sind: sich festlich kleiden, gegenseitig beschenken und gratulieren und Gutes wünschen, fröhlich sein und überall saubermachen. Auch die Beachtung von Neuerungen, sozusagen der Mode, hat nicht dazu geführt, dass der stolze Festbrauch des Besuches und Gegenbesuches wie er zur Zeit des Dschamschid üblich war, aus der Mode kam. Die Bevölkerung hat diesen Brauch im Laufe der Zeit immer gepflegt. Der Gastgeber empfängt die Besucher mit großen Schalen voller Süßigkeiten und Bonbons und Freunde schicken sich gegenseitig solche Gaben. Denn gemäß traditioneller Überzeugung soll jemand, der sich am Morgen des ersten Noruztages, noch bevor zu sprechen beginnt, den Gaumen versüßt und sich mit einem wohlriechenden Öl einreibt, im neuen Jahr vor den meisten Übeln sicher sein. Das Essen von Süßigkeiten und Zucker, welches unter den Iranern sehr beliebt ist, gehört zu den festen alten Bräuchen, welche auch die Könige pflegten. Das zählt nämlich zu den segensreichen Dingen sowie zu dem Noruzfest und dem Beginn des neuen Jahres, das Dschamschid auf der Welt eingeführt hat.“
Dies waren Eindrücke des amerikanischen Iranisten Jackson, die er aus dem Iran zur Noruzzeit Anfang des 20. Jahrhunderts mitnahm. Doch hören wir nun, was Nobuyoshi Furukawa zu erzählen wusste.
Nobuyoshi Furukawa war Mitglied einer 7-köpfigen Handelsdelegation aus Japan, die vor Jackson im Jahre 1880 in den Iran kam. Furukawas Reise durch den Iran dauerte 110 Tage. In dieser Zeit hat er sich für alles interessiert und sein Reisebericht ist in Wahrheit eine Art wissenschaftliche Abhandlung. Er widmet sich in seinem Reisetagbuch sowohl den politischen und sozialen Angelegenheiten also auch der Wirtschaft und der Landwirtschaft, der Literatur, Kultur und Kunst der Iraner. Furukuwas Reisebericht ist deshalb wertvoll, weil er als hervorragender Politiker und eine Militärperson eine bemerkenswerte Kenntnis über die Geschichte und Gesellschaft Irans besaß. Zu den Dingen, denen Furukawa besondere Aufmerksamkeit widmete, gehörten der iranische Kalender und der Beginn des Neuen Jahres zeitgleich mit dem Frühling. Darüber schrieb er: „Im Iran sind zwei Arten von Kalender üblich: der iranische und der Islamische. Der iranische Kalender wird „Mah-e Dschalali“ genannt. Dieser Kalender ist nach Mah (Monaten) geordnet und Dschalali geht scheinbar auf den Namen eines alten iranischen Königs zurück, der diesen Kalender eingeführt hat. Dieser Kalender ist am Königshof üblich. Es ist ein Sonnenkalender. Aber seine Einteilung ist von dem europäischen (Gregorianischen) Kalender, den auch wir in Japan gewählt haben, verschieden und es fällt der erste Tag und das iranische Neujahr gemäß dem europäischen Kalender auf den 21. März. Jedes Jahr ist aufgeteilt in die vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter und die 12 Monate des Jahres heißen: Farwardin, Ordibehescht, Chordad, Tir, Mordad, Schahriwar, Mehr, Aban, Azar, Dey, Bahman und Esfand.“
Im zweiten Teil dieses Beitrages werden wir noch einmal über das Noruzfest, wie es in weiteren Reisetagebüchern beschrieben wird, berichten.