Nov 29, -0001 21:34 CET

Liebe Hörerfreunde! Auch heute blättern wir wieder in dem mächtigen Sammelband iranischer Erzählungen, Sprichwörter und Weisheiten.

Zunächst eine Fabel:


In einem See lebten drei Fische, jeder groß und schön. Da kamen einige Männer vorbei. Die Fische hörten, wie diese Männer darüber sprachen, ihre Netze aus dem Dorf zu holen und da wussten sie, es musste ihnen schnell etwas einfallen, um nicht gefangen zu werden.


Einer dieser drei Fische war sehr vernünftig, der zweite weniger und der dritte gar nicht.


Der kluge Fisch sagte sich:. Am besten zieh ich von hier fort, ins offene Meer. Aber er sprach mit den beiden anderen Fischen nicht darüber, denn er sagte sich: : Sie werden mich wegen der Schwierigkeiten auf dem Weg zum Meer, dazu überreden, hier zu bleiben.


So ergriff er alleine heimlich die Flucht.


Der zweite halb so kluge Fisch merkte bald, dass der erste Fisch sich auf den Weg ins Meer gemacht hatte, aber er hatte sich selber nicht auf diese gefährliche Reise gewagt. Nun bereute er sein Zögern, denn er sah die Fischer mit ihrem Netz in der Hand herbeikommen. Die Gefahr im Nacken begann er sich Vorwürfe zu machen. Doch er wusste, zum Jammern war keine Zeit. Lieber wollte er nachdenken, ob es noch einen anderen Weg gibt, sich in Sicherheit zu bringen. Da kam er auf die Idee, sich einfach tot zu stellen. "Dann werden die Fischer sich nicht mehr für mich interessieren", dachte er.


Das tat er dann auch. Die Fischer sahen, wie er reglos, den Bauch nach oben, auf dem Wasser trieb. Sie angelten ihn heraus, hielten ihn tatsächlich für tot und warfen ihn achtlos ans Ufer. Dann gingen sie wieder und unser halbkluger Fisch glitt heilfroh ins Wasser zurück.


Aber der dritte Fisch war wirklich sehr unbedacht! Er machte sich von Beginn an keine Gedanken, dass die Fischer mit dem Netz auftauchen könnten und dachte: "Wird schon werden! Ich lass mir nicht die Freude an diesem schönen See nehmen." Als er dann plötzlich die Gefahr leibhaftig am Ufer stehen sah, bekam er es nun doch mit der Angst zu tun. Er begann im See hin und her zu schwimmen, und glaubte, auf diese Weise vielleicht der Gefahr entgehen zu können. Doch die Fischer fingen ihn schnell ein. Verzweifelt suchte er nun nach einem Loch im Maschenwerk. Aber er fand keines und gab schließlich völlig ermüdet auf. Dennoch dachte dieser Einfaltspinsel von einem Fisch tatsächlich noch bis zum letzten Atemzug, es werde sich wohl noch ein Weg finden am Leben zu bleiben. Die Fischer aber freuten sich über den prächtigen Fang, rösteten ihn über dem Feuer und taten sich an ihm gütlich.


Heute wollen wir darüber erfahren, wie das folgende Sprichwort entstand:


Blind sei das Auge , das sich im falschen Moment schließt,


Auf einem Bauernhof lebte ein schöner bunt gefiederter Hahn. Er hatte eine prächtige Stimme, die alle gerne hörten. Nur der Fuchs nicht. Er mochte den Hahn zwar auch, aber das hatte andere Gründe.


Der Fuchs beobachtete seit Tagen den Hahn aus der Ferne und ließ ihn nicht aus den Augen. Er dachte bei sich: Ich muss mir etwas ausdenken, wie ich mich an diesen schönen fetten Hahn heranmachen kann.


Schließlich hatte er eine List ersonnen.


Es war in aller Frühe, als der Fuchs sich an den Hahn heranschlich. Er grüßte ihn und fragte: "Ist hier der Bauernhof auf dem der Gole Baqali-Hahn lebt?"


Der Hahn antwortete : "Ich bin der einzige Hahn auf diesem Bauernhof. Ich kenne keinen Hahn, der so heißt!"


Da sagte der Fuchs: "So nennen die Tiere auf einem anderen entfernten Bauernhof den prächtigen Hahn, der so schön singen kann. Dieser Gole-Baqali-Hahn hat mit seiner Stimme alle verzaubert. Weißt du, ich bin hier fremd und kenne niemanden. Auch ich habe von weitem die schöne Stimme dieses Hahns gehört. Bitte, bring mich zu ihm, wenn du ihn kennst. Ich möchte ihn bitten, einmal extra für mich zu krähen“


Der Hahn dachte: "Der kann nur mich meinen! Es gibt doch keinen anderen Hahn mehr in dieser Gegend." Da freute er sich riesig, so viel Lob zu hören. Gerade wollte er dem Fuchs sagen: Ich bin dieser Hahn der so schön kräht, als der Fuchs fortfuhr: "Ich sehe Ihr seid auch sehr schön und habt eine prächtige Stimme. Nicht dass Ihr selber der Gol Baqali-Hahn seid! Wenn das so ist, dann bitte lasst mich noch einmal Euer legendäres Kikeriki hören."


Da schloss der Hahn die Augen um sich ganz auf seine Stimme zu konzentrieren und besonders schön zu krähen. Kikeriki oder in der Farsi-Sprache: Ququli ququ!


Hahnstimme


Der Fuchs nutzte die günstige Gelegenheit, machte einen Satz nach vorne, schnappte sich den armen Sänger und suchte das Weite.


Die Hunde vom Bauernhof hörten die Hilferufe ihres Hahns und begannen bellend den Fuchs, mit dem Hahn im Maul zu verfolgen. Der Hahn, der es zutiefst bereute der Schmeichelei des Fuches auf den Leim gegangen zu sein, überlegte in seiner Not, wie er sich retten konnte. Er sagte zum Fuchs: "Wenn du nicht willst dass die Hunde dich zerreißen, sag ihnen, dass ich der Hahn von dem nächsten Bauernhof Tal bin und dass du mich dorthin zurückbringen willst."


Der Fuchs sah die Hunde immer näher kommen.


Hundebellen


Da rief der Fuchs: "Mensch, dass ist doch nicht der Hahn von eurem Bauernhof!"


Kaum hatte er aber das Maul geöffnet, entschlüpfte ihm das leckere Beutetier und er sah es völlig überrumpelt eiligst auf die Hunde zulaufen.


Da ihr Hahn gerettet war, ließen seine treuen Freunde den Fuchs laufen. Der verzog sich ins Gebüsch um sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was eigentlich passiert war. Und als ihm klar wurde, dass er selber Schuld an seinem Missgeschick war, rief er laut: "Verflucht sei ein Mund, der sich im falschen Moment öffnet!“


Der Hahn, der den Fuchs dies weitem sagen hörte, krähte laut zurück: "Blind sei das Auge, dass sich im falschen Moment schließt".


So wurde dieser Satz zur Redensart, ebenso wie der Satz: Verflucht sei ein Mund, der sich im falschen Moment öffnet. Und es ist klar, wann dieses Sprichwort angewandt wird, nämlich dann wenn jemand zum falschen Zeitpunkt etwas sagt und unüberlegt spricht oder handelt.


Unsere abschließende Weisheit stammt von Bozorgmehr, dem Wesir des Sassanidenkönigs Anuschirawan, 6. Jahrhundert nach Christus:


Jeder, dessen Seele den Leib überwacht und über den die Vernunft herrscht, wird im Leben Sicherheit und Klarheit besitzen.