So wird gesagt- Teil 14
Hier nun, liebe Hörerfreunde, wieder eine Geschichte und ein Persisches Sprichwort. Wir wünschen gute Unterhaltung.
Ein Dromedar, eine Kuh und ein Widder wanderten durch die Savanne. Es war Frühling und herrliches Wetter. Sie plauderten angenehm über ihre gemeinsamen Erinnerungen, denn sie waren seit vielen Jahren gute Freunde. Plötzlich witterten sie den Duft einer seltenen köstlich schmeckenden Pflanze in ihrer Nähe. Da freuten sie sich und das Kamel sagte: Wir werden sie unter uns teilen.
Der Widder begutachtete die Pflanze und sagte: Wenn wir dieses Pflänzchen teilen, bekommt jeder nur sehr wenig davon ab und keiner wird damit satt.“ Und die Kuh meinte: „Du hast recht. Aber es ist nun mal nur eine von diesen Pflanzen hier. Also müssen wir sie teilen.“
Der Widder meinte: „Wieso? Es gibt noch eine andere Möglichkeit.“ Kuh und Dromedar fragten erstaunt: „Welche denn?“
Der Widder schlug vor: „Ganz einfach! Wir teilen sie nicht, sondern nur einer von uns isst sie alleine! Und zwar der Älteste von uns. Heißt es denn nicht seit eh und je, dass die Jüngeren die Älteren achten und zugunsten von ihnen auf ihr Recht verzichten sollen?“
Das Kamel sagte: „Keine schlechte Idee! Aber wie sollen wir feststellen, wer der älteste von uns ist?
Der Widder sagte: „Nun! Jeder berichtet über sein Leben. Dann werden wir sehen, wer der älteste ist.“
Die Kuh und das Dromedar stimmten dem Vorschlag zu und baten, den Widder den Anfang zu machen. Der warf sich in die Brust und behauptete: „Ich bin noch vor dem Tag geboren, an dem Abraham seinen Sohn Ismael opfern sollte.“
Kuh und Dromedar schauten ihn verwundert an: Und die Kuh fragte: „So alt? „ Der Widder stolz: „Ja! Ihr könnt jeden Widder fragen. Der Widder den Prophet Abraham anstelle des Ismael geopfert habe, den habe ich gekannt. Er war ein Verwandter von mir.“
Die Kuh und das Kamel schluckten. Und die Kuh dachte bei sich: Ich werde dir zeigen wer älter ist du oder ich.
Und als der Widder zu ihr sagte: Wie alt bist du, sagte sie:
„Ich bin noch viel älter als du. Ich bin eine von den Kühen mit denen Adam, der Vater der Menschheit den Acker gepflückt hat.“
Da dachte der Widder bei sich: „Hätte ich doch nur nicht als erster über mein Alter gesprochen. Nun kann ich nichts mehr sagen, sonst steh ich als Lügner da.“
Die Kuh wiederholte: „Tja! Ich bin sehr sehr alt. So alt, dass ihr die Jahre nicht zählen könnt.“ Da dachte das Dromedar: „Du gemeine Kuh! Und du alter Fuchs von einem Widder! Ich werde euch eine Lehre erteilen. Ihr werdet sehen, wer hier der Älteste ist.“
Dann grinste das Dromedar die beiden an, beugte sich plötzlich zur Erde herab, packte sich das schmackhafte Pflänzchen mit den Zähnen und verschlang es. Darauf wandte es sich seinen beiden verdutzten Gefährten zu und sagte: „Ich werde euch nicht sagen, wie alt ich bin! Bei der Größe und dem langen Hals den ich habe, ist das ohnehin klar. Wer mich sieht, merkt gleich, dass ich älter bin als ihr.“
Die Kuh und der Widder wussten nicht was sie sagen sollten, aber sie schämten sich dass sie dermaßen gelogen hatten.
Nach dieser Erzählung aus dem Masnawie von Molana, wenden wir uns nun wieder einem Sprichwort zu:
Das Sprichwort hört sich auf Persisch ganz lustig an: „Ba Hamin Par wa Patschin michahi berawi tschin wa matschin?
Es war einmal eine Schildkröte irgendwo an einem schönen Ort auf dieser Welt. Sie hatte ein langes Leben auf dem Buckel und viel Erfahrungen und deshalb berieten sich alle mit ihr. Wer ein Problem hatte suchte die alte Schildkröte auf, und sie hörte stundenlang geduldig zu und gab dann ihren guten Rat. Wer ihn beachtete, der hatte Erfolg. Alle achteten die weise Schildkröte und liebten sie, bis auf den Krebs. Der konnte die Schildkröte nicht ausstehen. Ihm war es egal, wie alte und erfahren Frau Schildkröte war . Er sagte: „Ich bin genauso gut wie sie. Ich lebe wie sie im Wasser und kann laufen wie sie. Außerdem habe ich Greifzangen, aber sie hat keine. Ich kann ohnehin schneller laufen. Warum bringen alle Tiere ihr soviel Respekt entgegen und beraten sich alle mit ihr? Keiner von ihnen hat auch nur einen Blick für mich übrig!“
Der Krebs wäre gerne der Schildkröte mit seinen Greifzangen zu Leibe gerückt und hätte sie aus der Welt geschafft. Er versuchte es ein paar Mal, aber bekanntlich haben Schildkröten ein Schild auf den Rücken , in das sie sich schutzsuchend verkriechen können. Dieses Schild machte den Krebs noch wütender, denn er konnte der Schildkröte nichts antun. Das einzige was er konnte war es, sie zu verspotten. Aber die Schildkröte störte sich nicht an seinem Spott.
Das ging so weiter bis eines Tage ein Hase herbeieilte und die Nachricht überbrachte, dass der Wald an einer Stelle in Brand geraten war. Alle Tiere versammelten sich bei der Schildkröte um mit ihr zu beraten. Diese überlegte und sagte dann: „Wir müssen diesen Ort verlassen, es kann sein, dass der Wind das Feuer in unsere Richtung treibt.“
Die Tiere hörten auf die Schildkröte und machten sich auf den Weg, einige rannten, andere sprangen und wieder andere krochen eilig davon. Aber die Schildkröte kam nur langsam vorwärts.
Der einzige, der nicht auf die Schildkröte hörte war der Krebs. Er stellte sich den anderen Tieren in die Quere und rief: „Wie dumm ihr seid. Hört nicht auf die Schildkröte! Wollt ihr euer schönes Lieben liegen lassen. Es gibt doch gar keinen Wind, der das Feuer herbringen könnten.“
Aber keiner in der Karawane der Tiere hörte auf ihn. Erst recht nicht die Schildkröte die das Schlusslicht dieser Karawane bildetet. Der Krebst lachte verächtlich und sagte zu ihr: Wo willst du denn hin, du alte Schildkröte?
Der Schildkröte sagte: „Ich geh nach China und Machina! Mirawam be tschin wa Matschin.“
Der Krebst merkte nicht, dass die Schildkröte ihn auf den Arm nimmt. Er kannte Machina nicht, wusste aber, dass China sehr weit entfernt liegt und dass die Schildkröte sehr langsam ist und auch in zehn Jahren nicht in China ankommen wird. Deshalb spottete er: „Mit diesen kleinen Schritten willst du nach China und Machina ziehen?
So blieb er zurück, während alle Tiere an einem anderen schönen Ort sich versammelten und ein gutes Leben begannen. Aber von dem Krebs hat keiner mehr etwas gehört.
Der Satz: Mit diesen kleinen Schritten willst du nach China und Machina ziehen? wurde zu einem Sprichwort, dass in einem etwas anderen Zusammenhang verwendet wird und zwar sagt man dies zu jemandem, der etwas schwieriges vorhat, obwohl er nicht die Mittel dazu besitzt.