Dez 03, 2016 16:32 CET

Wir haben im letzten Teil die Bedeutung von Adl – dargelegt und sagten das „Adl“ wörtlich soviel wie Ausgeglichenheit, Angemessenheit,  die Mitte zwischen Über- und Untertreibung bedeutet.  Wir sagten, dass Gott sowohl  hinsichtlich der Gesetzgebung, die er für die Menschen aufgestellt hat, als auch hinsichtlich der Daseinsschöpfung  „adel“ (gerecht)  ist.

 

Ein weiterer Aspekt der göttlichen Gerechtigkeit (Adl) betrifft das Jüngste Gericht nach Auferstehung von den Toten. Diese Art des  Adl ist die Gerechtigkeit Gottes bei der Vergeltung der Taten.

 

Beim letzten Mal sagten wir auch, dass  Gottes Gerechtigkeit bei der Erschaffung sich unter anderem dadurch äußert, dass er jedem Ding entsprechend seiner Eignungen, Segen zukommen lässt.  Die göttliche Gerechtigkeit in der Schöpfung (Adl-e Takwini) bedeutet zugleich, dass Er  die  Dinge in der riesigen Welt der Schöpfung aufeinander abgestimmt und zu einer ausgewogenen Gesamtheit   zusammengefügt hat, wobei Gott  jedem Bestandteil genau den  ihm angemessenen Platz zuwies.

Die Betrachtung der Daseinsordnung macht ersichtlich, dass in ihr ein allseitiges Gleichgewicht und wohl kalkulierte Verhältnisse herrschen. Zum Beispiel gelten präzise Verhältnisse zwischen den Körpergliedern eines Lebewesens oder im Atom beobachten wir eine Ausgeglichenheit zwischen seinen inneren Teilchen.  Ausgeglichen sind auch die Positionen der  Himmelskörper zueinander entsprechend ihrer Anziehungskraft.  All dies spricht für Ausgeglichenheit in der Daseinswelt.

Jedes Ding bewegt sich in seiner spezifischen Bahn auf die eigene Vollendung zu und daher führt jegliches Abweichen von der Daseinsordnung und der in ihr herrschenden Beziehungen zu Störungen und Durcheinander. Es ist interessant, dass die Erscheinungen in der Natur bei jeder Störung eine Reaktion zeigen, die Hürden beiseite räumen und erneut Ordnung herstellen. Wenn zum Beispiel der menschliche Körper   von Bakterien oder Viren angegriffen wird, werden die weißen Blutkörperchen gemäß dem Gesetz der Natur aktiv, um den Körper vor Schäden zu schützen. Außerdem können dem Kranken Medikamente gegeben werden, welche die Verteidigung des Körpers unterstützen, damit dieser wieder ins Lot kommt.  Dies ist alles Zeichen dafür, dass die Daseinsordnung von Gott mit Ausgewogenheit versehen wurde, so dass sie gegenüber jeder Unstimmigkeit und Störung reagiert und alles wieder zur ehemaligen Ordnung und Übereinstimmung zurückkehrt. 

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Schöpfungsordnung ist der, dass die Dinge in ihr  hinsichtlich der Nutzung des Daseins nicht dieselben Voraussetzungen mitbringen,  sondern jedem Ding eine bestimmte Kapazität und Fähigkeit verliehen wurde.  Deshalb hat Gott, der gerecht und allweise ist,  und von dem aller Segen kommt, jedem Ding einen bestimmten Grad  der Vollkommenheit, die sein Recht ist,  zukommen lassen.

In diesem Zusammenhang heißt es im Koran in der Sure 20, im Vers 50:

„Er (Moses)  sagte: `Unser Herr ist Der, Der jedem Ding seine (eigene)  Schöpfungsart gab, alsdann es zu seiner Bestimmung führte.`"

 

Dies war die Antwort auf die Frage des Pharaos an Moses und Aaron: `Wer ist euer beider Herr, o Moses?`,nämlich: „Gott ist Jener, der diese Welt erschaffen hat und jedem Ding seine spezielle Schöpfungsart und geeigneten Eigenschaften verlieh,  und alle Wesen erfahren von Gott Rechtleitung.“   D.h. Gott hat sowohl die Dinge erschaffen als auch durch Seine Schöpfung gelenkt und ihnen einen Weg zur Fortsetzung ihres Lebens und Erreichung ihrer Vollendung zur Verfügung gestellt.

Es stellt sich nun eine elementare Frage, nämlich die,  warum Unterschiede bei der Erschaffung von Geschöpfen insbesondere der Menschen vorliegen. Wie sind diese Unterschiede mit der göttlichen Gerechtigkeit vereinbar und durch die göttliche Weisheit erklärbar?  Warum hat Gott der Allweise und Absolut Gerechte, nicht alle Geschöpfe gleich erschaffen? Wieso ist der eine sehr und der andere wenig intelligent? Warum ist einer schön und ein anderer hässlich erschaffen? Weshalb ist einer arm und ein anderer reich?

Zur Klärung dieser Fragen  sollten wir  folgende Punkte in Betracht ziehen:

Der Herr erschafft aufgrund seiner Weisheit verschiedene Dinge.  Zum Beispiel gibt es keine zwei Menschen auf der Welt, deren Fingerabdrücke dieselben wären. Ein anderes Beispiel sind die Finger an der Hand des Menschen, die alle verschieden sind und  von denen jeder eine bestimmte Funktion hat. Ein weiteres Beispiel ist an dem Vorhandensein von zwei verschiedenen Geschlechtern zu sehen.

 

 Wenn alle Menschen weiblich oder männlich wären, so gebe es keine Fortpflanzung und die Menschheit würde aussterben.  Wenn es nur eine Art von Pflanzen oder eine Art von Tieren gäbe und alle die gleiche Farbe hätten, würde niemals all das zauberhaft Schöne auf der Welt zu sehen sein. Der Unterschied zwischen den Geschöpfen hinsichtlich Form und Gestalt lässt erst die Vielfalt und Schönheit der Schöpfung entstehen und dies lässt sich nicht als Ungerechtigkeit deuten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist,  dass alle Dinge zusammen eine vollendete gute Ordnung bilden.

 Es verhält sich ähnlich wie bei einem Kraftfahrzeug, welches aus  vielen Einzelteilen zusammengesetzt wird und erst durch die Übereinstimmung zwischen diesen verschiedenen Teilen arbeitet.  Würde überhaupt ein Auto entstehen, wenn alle Einzelteile gleich, zum Beispiel nur Schaltknüppel oder nur Lenkräder, wären? Ein Kraftfahrzeug braucht viele verschiedene Bestandteile um zu funktionieren und ähnlich ist es auch mit der menschlichen Gesellschaft.

Die Existenz von Unterschieden beruht also auf weiser Voraussicht und die Verschiedenheit in der Schöpfungsordnung widerspricht nicht der göttlichen Gerechtigkeit.  Wenn die Dinge verschieden sind, ist dies auf keinen Fall eine Diskriminierung. Verschiedenheit ist etwas anderes als Benachteiligung. Verschiedenheit bedeutet: die Geschöpfe sind aufgrund der verschiedenen Bedingungen und der verschiedenen Berechtigungen verschieden, während  Benachteiligung dann vorliegt,  wenn  wir zum Beispiel zwischen zwei Personen, die die gleichen Bedingungen und Berechtigungen haben, einen Unterschied machen, d.h. dem einen mehr geben und dem anderen weniger.  Benachteiligung ist ungerecht und verstößt gegen die Gerechtigkeit.

Hier noch folgendes Beispiel zur Veranschaulichung.

Wenn wir zwei Gefäße haben, die beide jeweils 10 Liter aufnehmen können, aber das eine mit  10 Litern füllen und das andere nur mit 5 Litern, so ist eine Benachteiligung geschehen, denn die Kapazität ist bei beiden gleich groß.

 Wenn wir nun  zwei Gefäße haben , von denen das eine 10 Liter und das andere nur 5 Liter fassen kann und beide ins Meer tauchen, bis sie gefüllt sind , dann haben wir es zwar auch wieder mit einem Unterschied zu tun, doch diesmal geht der Unterschied auf die unterschiedliche Aufnahmefähigkeit der Gefäße zurück und hat nichts mit dem Füllen zu tun.

                               

In der Schöpfungsordnung werden jedem  Wesen entsprechend seiner Bedingungen spezifisch vollkommene Eigenschaften zugeordnet. Wenn Dinge einige vollkommene Eigenschaften nicht erreichen, so liegt es daran dass sie aufgrund ihres Wesens nicht die Kapazität dazu besitzen.  Anders ausgedrückt: Gottes Segen ist nicht begrenzt, aber die Kapazität und Aufnahmefähigkeit für diesen Segen ist bei Seinen Geschöpfen  beschränkt und verschieden. Diese Einschränkungen gehören unzertrennlich zu den Merkmalen der Daseinswelt.

 

Also widerspricht die Verschiedenheit der Dinge nicht dem Prinzip der göttlichen Gerechtigkeit.  Diese Unterschiede haben nichts mit Ungerechtigkeit und Benachteiligung zu tun, sondern sind nichts anderes als Gerechtigkeit und ein Zeichen für Gott. Wir lesen in Sure Rom (30), Vers 22:

„Und unter Seinen Zeichen sind die Schöpfung der Himmel und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben. Hierin sind wahrlich Zeichen für die Wissenden.“

 

Wenn alle Menschen in jeder Hinsicht gleich wären, alle die gleiche Gestalt, Hautfarbe und die gleiche Stimme usw. hätten, könnten sie sich nicht mehr voneinander unterscheiden.

Die Unterschiede spielen außerdem sozial gesehen eine wichtige Rolle. Es sind die Unterschiede, die zur Zusammenarbeit und zur gegenseitigen Hilfe führen. Diese Unterschiede bestehen bei der  Begabung und Intelligenz der Menschen und der Eignung für eine bestimmte Berufstätigkeit und Nicht-Eignung für eine andere.  Diese unterschiedlichen Fähigkeiten  haben zur Folge, dass die Menschen aufeinander angewiesen sind, so dass jeder in der Gesellschaft eine ergänzende Rolle übernimmt und alle einander bedürfen.  Dieses Phänomen verhilft dem Einzelnen und der Gesellschaft zur Weiterentwicklung.

 

Zusammengefasst sei gesagt, dass Adl in der Schöpfung bedeutet,  dass jedem Ding  ein Segen verliehen wird, den er zu empfangen fähig ist, und dass jedes Ding seinen eigenen besonderen Platz einnimmt. Die Existenz von verschiedenen Stufen für die verschiedenen Geschöpfe kann also nicht als Benachteiligung oder Ungerechtigkeit seitens Gott aufgefasst werden.