Iranische Architektur und Kultur- Teil 11
Die iranische Architektur hat viel Auf und Nieder erlebt und nicht nur klimatische sondern auch politische und gesellschaftliche Faktoren beeinflussten sie. Allerdings blieb die volkstümliche Bauweise, bei der nur einheimische Baumuster und –materialen verwendet wurden, insgesamt von diesen Faktoren ziemlich unberührt und erfuhr nur geringfügige Veränderungen.
Dies im Gegensatz zu der Architektur der Regenten, die meistens neues und oft sehr teures Baumaterial verwendeten und großen Wert auf das Äußere der Gebäude legten. Die Bauwerke, die sie errichten ließen, wirkten verändernd auf die iranische Architekturgeschichte.
Wie Sie wissen haben wir nach 6 Baustilepochen unterschieden.
Im 12. Jahrhundert nach dem Mondkalender, d.h. im 18. Jahrhundert nach Christus entstand eine architektonische Bauweise, die gemischter Stil oder iranischer Barock genannt wurde. Dieser Stil prägte längere Zeit einen Teil der iranischen Baukultur. Wir wollen seine charakteristischen Eigenschaften heute kurz beleuchten.
Das 18. Jahrhundert war für Iran angefüllt mit Unruhe und Vorkommnissen. Die Saffawidendynastie konnte der zahlenmäßig sehr viel kleineren Macht der eingedrungenen Afghanen gegenüber nicht standhalten. Jahrelang richteten die Angreifer Massaker unter der Bevölkerung an. Aber 1735 nach der Hidschra gelangte der Afscharide Nader Schah an die Macht und eroberte Iran wieder zurück. Er begründete die Afscharidendynastie. Diese wurde von den Zandisten abgelöst. Man konnte eigentlich erst wieder von ruhigeren Zeiten sprechen, als die die Quadscharen im Jahre 1200 nach der Hidschra, d.h. 1785 nach Christus, offiziell das Zepter in die Hand nahmen und ihre circa 100-jährige Herrschaft über Iran antraten.
Unter den Quadscharen erreichten die nahen Beziehungen Irans zu Europa ihren Höhepunkt. Einer der bekanntesten Qadscharenherrscher war Nassereddin Schah. Er reiste 1834 nach Europa. Der äußere Glanz auf diesem Kontinent rief seine Begeisterung hervor und animierte ihn dazu, nach seiner Rückkehr sofort äußerliche Veränderungen in Iran vorzunehmen und europäische Länder zu imitieren. Diese Nachahmungen begannen bei der Architektur.
Natürlich lag es nicht nur an den mehrfachen Europareisen des Quadascharenkönige, dass ein Wandel eintrat, sondern auch daran, dass iranische Studenten in Europa studierten und ein reger Austausch auf politischer und Handelsebene eingesetzt hatte. Dies alles führte auch dazu, dass die Iraner mit der europäischen Künsten näher vertraut wurden. Außerdem hatte Europa im 18. und 19. Jahrhundert durch seine Industrierevolution und Verstärkung der imperialistischen Politik eine überlegene Position im Vergleich zu anderen Ländern erreicht.
So kam es, dass die Errichtung von großen Bauwerken und sogar von Privathäusern der Reichen in Anlehnung an die europäische Bauweise erfolgte. Es heißt dass einige Architekten wie Mohammad Chan Sane`i sich sogar beim Entwurf von Gebäuden nach der Vorlage von Fotos und Ansichtskarten richtete. Das Ergebnis waren Gebäude im so genannten iranischen Barockstil.
Natürlich kann man nicht behaupten, dass zur Zeit der Qadscharen, die architektonische Tradition völlig beiseite gestellt wurde. Bazaaranlagen, öffentliche Bäder, Karawansereien, die theologischen Lehrstätten - Madaress - und Moscheen wurden alle weiter im traditionellen Stil erbaut. Neue Bilder lieferte vornehmlich die Architektur in den Städten und vor allen Dingen die Paläste und Bauwerke der Armee.
Damals war die Errichtung von schönen Stadttoren an den Eingängen zu größeren Stadt noch gang und gebe. Das Haupttor wurde nach der Straße benannt, über die Reisende zur Stadt herbeikamen. So hieß eines der Tore am Stadtrand von Teheran, Qazwin-Tor, weil die Straße von Qazwin, einer anderen großen Stadt westlich von Teheran, vor diesem Tor endete. Die halbmondförmigen Torgewölbe solcher Stadttore waren mit schönem Kachel- und Stuckwerk verziert.
Hier machte sich der architektonische Mischstil noch nicht so bemerkbar, sondern wie gesagt mehr in den königlichen Palästen in Teheran. Auch noch nach dem Niedergang der Quadscharen-Dynastie wurde eine Zeitlang weiter in dem ungewohnten Stil zur Zeit dieser Herrscher gebaut.
Bei der Dekoration von Wandflächen wurden zur Zeit der Qadscharen vor allen Dingen Kachelwerk und Bemalungen verwendet. Vorher war die Kachelglasur meistens aus einer Kombination von Metallen und Mineralien gewonnen worden, woraus sich eine große Palette von Farben ergab. Aber nachdem aus Russland verpackte Fertigglasuren eintrafen, büßten die Kachelverzierungen an Farbenfreudigkeit ein und die glasierten und bemalten Kachelmosaike wirkten älter als Kacheln, die hunderte Jahre vorher angefertigt worden waren.
Unter den Quadscharen gestaltete sich auch die Bemalung der Zierkacheln anders. Zweig- und Blätterwerk und Blumenvasen mit Rosenstrauß traten anstelle der traditionellen Eslimi-Muster und der schönen Abbildungen von Schwertlilien und Wasserrosen. Auf dem Kachelwerk auf Gebäudeflächen siedelten sich Abbildungen von Kirchen und Palästen und Mühlen in Europa an. Dies zeugte deutlich dafür, dass die Architektonik der Qadscharenzeit ihre einheimische Originalität verloren hatte. Es wurden sogar unverschleierte Frauen auf den Kachelflächen abgebildet.
Auch wurden neben Kachelverkleidungen, Wandbemalungen Sitte und anstelle von zierlichem Stuckwerk wurden Spiegelmosaike zur Ausschmückung von Wandflächen und Zimmerdecken verwendet. Die Farben Gelb, Weiß und Rosa begannen zu überwiegen.
Typisch für diesen architektonischen Mischstil war der Bau von Schrägdächern, römische Torbögen und Säulen mit Kapitellen im griechischen Stil. Diese bildeten in Vermischung mit Elementen der iranischen Architektur ein unpassendes Gesamtbild. Ein deutliches Beispiel dieser Architekturepoche ist der Kache-Golestan-Komplex in Teheran . Er wurde unter Nassereddin-Schah beeinflusst vom europäischen Architekturstil zu Ende gebaut.Diese Gebäudeanlage besteht aus mehreren verschiedenen Bauwerken unterschiedlicher Architektur, die auf einem großen Gelände angeordnet sind.
Der Privatsitz, der öffentliche Sitz und Palast, ein Ort für die Vorführung der Trauerspiele und Museumsgebäude für die Aufbewahrung der königlichen Schätze sind nur einige der vielen Gebäudetrakte dieser Anlage.
Weiter gehörten dazu ein Spiegelsaal, eine Bibliothek, eine Raum mit einer Porzellansammlung und das so genannte Schams-ul Amareh-Gebäude. Alles war Bestandteil eines großen Regierungskomplexes. Dieser liegt heute in der Teheraner Altstadt. Die meisten Teile der Gebäudeanlage sind eine Mischung antiker iranischer, islamischer und westlicher Architektur.
In dem Buch „Siri dar Memari-ye-Iran“, welches von der iranischen Architekturgeschichte handelt, wird der gemischte Architekturstil wegen seiner Vielfalt gelobt, die durch die Einflüsse anderer architektonischen Stile zustande kam.
Zum Beispiel wurden in Anlehnung an die russische Bauweise große Eingangshallen errichtet, zu denen breite Treppen hinaufführten, die sich weiter oben auf einem breiten Treppenabsatz in zwei schmalere Treppengänge teilten. Üblich waren in dieser Architekturepoche auch schön angelegte Kellergeschosse mit Wandbelägen aus gebrannten Ziegelsteinen üblich, die sich Hos-chaneh nannten und Stätten der Unterhaltung waren.
Aber die Architektur zur Zeit der Qadscharendynastie wurde vom einfachen Volk wenig begrüßt, denn sie beachtete weder die besonderen klimatischen Bedingungen noch verwendete sie gebührend die einheimische Architekturweise. Daher ging diese Bauweise nach der Qadscharendynastie allmählich zu Ende. Heute gibt es hier und dort in Teheran noch einige Gebäude aus dieser Zeit, die meistens in Museen umgewandelt wurden.