Iranische Architektur und Kultur-Teil 24
Wir haben im letzten Beitrag bereits über die Bauweise iranischer Bazaare gesprochen. Die alten iranischen Städte besaßen immer einen großen Bazaar.
Einige von diesen Bazaaren blieben erhalten und sind immer noch Zentrum des Handelsaustausches. Die einfachste Form eines iranischen Bazaar besteht aus einem langen überdachten Gang mit vielen Läden auf beiden Seiten. Diese Beschreibung lässt jedoch die Vielfalt iranischer Bazaare zu kurz kommen. Iranische Bazaare weisen viele interessante Aspekte auf. In einem Bazaar ist ein buntes Angebot von Waren und es herrschen besondere Sitten an diesem Ort des Gesellschaftslebens. Daher sind Bazaare für alle Weltenreisenden ein Anziehungspunkt gewesen.
Ibne Batuteh, der muslimische Weltenbummler aus Marakesch hat im 14. Jahrhundert in seinem Reisebericht auch über seinen Besuch im Iran geschrieben. Er fand das reiche Angebot in den iranischen Bazaaren und die besondere Bauweise dieser Bazaare einmalig. Besonders begeistert war er von dem Tabriser Bazaar. Er beschreibt den Goldschmuck- und Juwelenbazaar von Tabris und berichtet, dass er damals Qeysariyeh genannt wurde. In seinem Reisebericht steht:
Im Schmuckbazaar von Tabris war ich über die vielen Juwelen und Schmuckstücke erstaunt. Diener standen in teuerer Kleidung in den Geschäften und legten den Frauen den Schmuck vor… Die Bazaare von Tabriz hatten zahlreiche Gänge und man konnte von einem Gang zum anderen gelangen. In der Mitte lagen große Innenhöfen mit alten Bäumen , rundherum von zweistöckigen Gebäuden umgeben, in denen sich die Werkstätten für die Anfertigung von Schmuck befand.
Frau Dorothee Schmid aus Frankreich besuchte 1961 den Bazaar von Tabriz. In ihrem Buch über die Erinnerungen an den Orient schreibt sie:
Der Bazaar war mit regelmäßigem Ziegelsteingewölben überdacht und in gleichen Abstanden gab es große gläserne Fensterluken in diesen Gewölben, durch die sogar an wolkigen Tagen genug Tageslicht in den Bazaar gelang. Wo man hinschaute, gab es Geschäfte. Wir sind losmarschiert um uns alles anzusehen. Fast 50 Läden boten nur Männeranzüge und –Bekleidung und Stoffe an. Es gab Dutzende von Schuhgeschäften. Man konnte auf dem Bazaar auch Haushaltsgegenstände kaufen. Es wurden viele verschiedene Gewürze in offenen Beuteln und Säcken angeboten. Ihr Duft erfüllte die Luft.
Die kleinste architektonische Einheit in einem Bazaar ist das Hodschreh. Hodschreh ist die Bezeichnung für Geschäftsladen. Diese Läden sind durchschnittlich 10 bis 25 Quadratmeter groß. In den Hodschrehs auf Parterre wird Ware angeboten und im zweiten Stock befinden sich Büros, Werkstätten oder Lagerräume.
Ein besonders wichtiger Teil in alten iranischen Bazaars ist die Karawanserei. Auch dort wurden früher Waren angeboten , die sich in den kleinen Läden des Bazaars nicht ausbreiten ließen. Diese Karawansereien schlossen sich an den Hauptgang des Bazaars an.
Nachdem Mitte des 20. Jahrhundert im Bazaar immer weniger Droschken und Kutschen oder Karawanen verkehrten , wurden die "Karanwansara" in "Saraa" umgetauft. Ein Saraa hat einen großen zentralen Innenhof mit Läden rundherum. Einige Bazaarleute verwenden auch heute noch den Ausdruck Timtscheh. Diese Timtscheh oder Saara sind gut abgeschirmt und deshalb werden dort gerne teure Waren wie zum Beispiel handgeknüpfte Teppiche angeboten. Bekannte und besonders schöne Beispiele für diese Timtscheh ist der Amin-adduleh-Timtscheh in Kaschan, der Hadsche ul Sultan-timtscheh in Teheran sowie der Hadsch-Resa-Timtscheh in Qaswin.
Einige Bazaare im Iran sind im Laufe der Zeit gewachsen wie der Bazaar von Teheran und weisen daher keine besondere Strukturen einer bestimmten Architekturepoche auf, während andere in eine ganz bestimmte Epoche gehören, wie zum Beispiel der Wakil-Bazar von Schiraz oder der Gandschali-Chan Bazar von Kerman.
Mit dem Bau des Teheraner Bazaars wurde Beginn des 19. Jahrhunderts zur Zeit des Fathali Schahs begonnen. Bauort war das Zentrum des alten Teherans auf einem Gelände zwischen den Teheranern Vierteln Sangaladsch und Udladschan – von Teheran, die unter Nasereddin Schah zu den besten Stadtteilen Teherans gehörten.
Der Teheraner Bazaar weist noch immer seine typische architektonische Struktur mit einem großen unüberschaubaren Netz von Gängen, mit vielen Gewölben und Luftschächten und Saraas . Im alten Bazaar gab es Kaffeestuben und Badehäuser , ein Zur-Chaneh , Haus der Kraft für den traditionellen Kraftsport, aber auch Husseiniehs, Trauerhallen usw. Jeder Teil im Bazaar war für ein besonderes Handwerk gedacht und hatte einen eigenen Trauerhalle und eine eigene Moschee und ein öffentliches Bad.
Iranische Bazaare wurden so angelegt, dass sie im Winter warm und im Sommer kühl bleiben. In der Vergangenheit war der Bazaar daher ein beliebter Treffpunkt. Im Bazaar traf man sich und unterhielt man sich über das neueste aus Gesellschaft und Politik . Auf diese Weise wurde der Bazaar zur Lebensader im Herzen von Teheran.
Im Teheraner Bazaar gibt es zahlreiche Karawansereien,. Sie ähneln einander hinsichtlich der Bauweise. Eine solche Karawansara, wie sie sich in Farsi nennen – besteht aus einem rechteckigen Hof mit einem großen runden Wasserbecken in der Mitte. Am sehenswürdigsten ist die Karanwansara hadscheb Du doleh aus der Zeit von Naserdin-Schah. Es ist ein großer Raum mit vielen Kronleuchtern. In dieser Karawansara werden Kristall- und Luxuswaren angeboten. Die Geschäftsläden sind mit siebenfarbigen Kacheln verziert. Ab und zu mal sehen wir auch Ausländer in diesem Teil des Bazaars nach Antiquitäten suchen. Ein Geschichtsbuch beschreibt die Geräuschkulisse in dieser Karawanserei wie folgt:
„Die Rufe der Verkäufer die ihre Waren anpreisen und Dichter die von einem Podest aus ihre Reime vortragen, und die Stimmen von Frauen auf der Suche nach neue Ware sind die Stimmen die man gewöhnlich am meisten in diesem Bazaar hört.
Danach heißt es weiter: Nach Sonnenuntergang werden die Türen der Läden eine nach der anderen geschlossen und schwere Vorhängeschlösser angebracht. Im Kerzenschein verlassen die Menschen den Bazaar und bald ist dieser menschenleer. Es bleibt der Bazaar zurück mit der prächtigen Architektur seiner Gänge und Ziegelsteingewölbe, welche jeden Betrachter mit ihrer Schönheit faszinieren.“
Im Bazaar finden auch religiösen Zeremonien statt. In der Trauerzeit für Imam Hussein, bilden die Bazaaris Trauerzüge und - Versammlungen . Zu jedem großen Bazaargang gehört daher auch eine Moschee und eine Trauerhalle für Imam Hussein. Bekannt ist der Takiyeh Dolat, welcher zur Qadscharenzeit neben dem großen Teheraner Bazar errichtet wurde. Es war der größte überdachte Ort für Trauerzeremonien. Auch der Wakil-Bazar in Schiraz , der Bazaar von Kerman und der Bazaar von Isfahan hatten mehrere Moscheen und Trauerhallen für den Trauermonat Moharam. Die Trauerzeremonien werden meistens von den Leuten, die im Bazaar arbeiten organisiert. Unter den Bazaaris herrschen besondere Sitten und es haben sich sogar typische Sprechgewohntheiten unter ihnen eingebürgert. Ein guter Bazaari hält sich an die religiösen Pflichten wie zum Beispiel die moralische Pflicht, Bedürftigen unter die Arme zu greifen, und bei einem Geschäftsabschluss fair und gerecht zu sein.