Islam richtig kennenlernen (40 - ٌWarum Propheten?)
Wir greifen wieder das Thema Prophetentum auf. Sie erinnern sich, dass wir beim letzten Mal begründeten, warum die Aussendung von Propheten an die Menschen notwendig war.
Wir wissen, dass das gewaltige Dasein für einen bestimmten Zweck erschaffen wurde und sich auf ein Ziel zu bewegt. Der Mensch ist ein Teil des Daseins und die Welt wurde für ihn erschaffen. Es kann also nicht angehen, dass der Mensch als Bestandteil des Daseins, kein Ziel haben und auf diese Weise in Disharmonie zum Dasein stehen sollte. Gott ist Wissend und Weise und Er weiß, dass es für den Menschen Abwege und Abgründe gibt. Es gibt im Menschen egoistische Tendenzen und Begierden die ihn vom geraden Weg abbringen. Ist es daher denkbar, dass Gott, der Weise, trotz dieser Lage, den Menschen auf dem gefahrenvollen Weg durchs Leben ohne einen Wegweiser und eine Wegekarte belässt? Natürlich nicht! Vielmehr hat der Schöpfer, der nichts bei der Aufstellung der Daseinsordnung und bezüglich der für jedes Geschöpf geeigneten Entwicklungsbahn unterlassen hat, auch für das Leben des Menschen und seinen Werdegang Vorkehrungen und Erleichterungen getroffen.
Wir sagten schon beim letzten Mal, dass der Mensch nur dann bewusst und frei den Weg zur Vervollkommnung wählen kann, wenn er sowohl das Ziel als auch den Weg zum Ziel kennt. Die Weisheit Gottes schließt also mit ein, dass Er dem Menschen die Mittel zur Erzielung solcher Erkenntnisse zur Verfügung stellt, damit er den Weg zum Glück findet. Eines dieser Mittel ist die Vernunft. Daher räumt der Islam der Vernunft einen besonderen Platz ein und nennt sie den „inneren Propheten“. Außerdem hat keine Lehre so sehr wie der Islam die Menschheit aufgerufen sich Wissen anzueignen. Der Islam empfiehlt dem Menschen von der Wiege bis ans Grab nach Wissen zu streben und er sagt, dass eine Stunde Nachdenken noch mehr wert ist als 70 Jahre Gott-Dienen.
Obwohl das Nachdenken derartig hoch eingestuft wird, können die zahlreichen Errungenschaften der Menschheit in verschiedenen Wissenschaften nicht alle Bedürfnisse des Menschen stillen und dieses Wissen ist gegenüber den Dingen, die der Mensch über die Zukunft wissen muss, nur gering. Trotz aller Anstrengungen des Menschen, die Rätsel der Schöpfung zu lösen, sieht er sich noch immer zahlreichen Unbekannten gegenüber, insbesondere was Geist und Seele betrifft.
In Wahrheit ist der Mensch selber eine sehr komplizierte Summe von Dingen und Rätseln, die nicht so einfach aufgedeckt werden können. Deshalb weisen die von Menschen aufgestellten Ideologien für Glück und Wohl viele Mängel auf und ziehen nicht alle Aspekte in Betracht. Denn wenn die Wissenschaft ein Konzept für die Vervollkommnung des Menschen vorlegen will, muss sie alle inneren Kräfte und Fähigkeiten des Menschen genau kennen und alle seine Bedürfnisse ins Auge fassen. Anthropologen und Erkenntnistheoretiker bekennen daher, dass ohne genaue Kenntnis von der ganzen Wahrheit des Menschen, jegliche Fahrpläne fürs Leben unzulänglich und nicht von Dauer sein werden. Auch die Aufstellung von optimalen Gesetzen für die Menschheit erfordert vollständige Kenntnis von seinen Eigenschaften und von der Gesellschaft und den komplizierten Beziehungen in ihr.
Es lässt sich also sagen , dass Vernunft und Wissenschaft, auch wenn sie eine wichtige Rolle bei der Stillung der Bedürfnisse des Menschen spielen, dennoch nicht genügen um alle Aspekte jenes Weges, der zum Ideal und dem Glück führt, zu erkennen. Mithilfe der Vernunft kann der Mensch nur begrenzt eine Erkenntnis über das Schlechte und Gute und was für ihn zum Nachteil und was zum Vorteil ist, gewinnen. Die egoistischen Verlangen werfen allerdings manchmal so schwere Schatten über die Vernunft, dass sie deren Horizont verdunkeln und der Mensch sich bei der Unterscheidung des richtigen und falschen Weges irrt. So kommt es oft vor, dass er das Recht mit dem Unrecht verwechselt und etwas für wahr hält was Lüge ist, oder umgekehrt. Manchmal verhindern Zustände wie Empörung und Lust, Liebe und blinder Eifer die richtige Erkenntnis und halten den Menschen davon ab, die Wahrheit zu sehen.
Wir benötigen also in dieser Welt mit ihrem Auf und Ab einen Wegführer, der über der Vernunft steht, damit er uns dabei hilft, das Schöpfungsziel zu erreichen. Dieses Ziel ist dank der klaren Weisungen der Offenbarung und der edlen Empfehlungen der Propheten, welche direkt aus der Quelle allen Seins, nämlich von Gott stammen, realisierbar.
Ein kurzer Blick auf die Geschichte der Gesetzgebung unter den verschiedenen Völkern genügt um festzustellen, dass sich viele Gesetze, die einmal von den besten Experten entworfen wurden, mit der Zeit als unzulänglich erweisen. Das heißt natürlich nicht, dass alle geistigen Produkte des Menschen grundsätzlich falsch und negativ wären, sondern wir wollen damit sagen, dass diese Gesetzessysteme nicht imstande sind für die Erwiderung aller Bedürfnisse des Menschen und eine gerechte Verwaltung der Gesellschaft zu gewährleisten, weil in ihnen eine Reihe Fehler und Irrtümer vorkommen.
Natürlich haben die Gelehrten und Wissenschaftler auch wertvolle Theorien vorgelegt, die der Menschheit zum Wohl gereichen. Dennoch berücksichtigen diese nicht alle Seiten des menschlichen Seins. Denn der Wahrnehmung und dem Verstand des Menschen sind Grenzen auferlegt und es gibt viele Dinge, die außer der Reichweite seines Denkens liegen.
Außerdem ist die Selbstliebe des Menschen so groß, dass er bewusst oder unbewusst alle Dinge aus der Sicht eigener Vorteile sieht und ihm diese Liebe zu sich selbst, unfähig macht, realistisch zu sein. Manchmal eskaliert die Liebe zum eigenen Vorteil so sehr, dass sie eine zerstörerische Kraft im Menschen hervorruft und er den eigenen Interessen zuliebe keinerlei Verstöße und Übergriffe auf die Rechte anderer mehr scheut. Angesichts dieser Tendenzen und Eigenschaften des Menschen, ist nicht mehr sichergestellt, dass er bei der Analyse von Angelegenheiten und bei der Aufstellung von Gesetzen seine Neutralität bewahrt. Auch wenn der Mensch so große Fortschritte machen sollte, dass er alle Aspekte seines Wesens kennt, wird er dennoch, wegen des natürlichen Hangs zum eigenen Vorteil und den egoistischen Neigungen, nicht alleine zur Gewährleistung des menschlichen Wohls in der Lage sein.
Der Mensch hat in Wissenschaft und Technik zahlreiche Fortschritte gemacht aber dennoch sind wir heute Zeuge dass die Missstände, Benachteiligungen, Kriege, Gewalt und Blutvergießen anhalten und teilweise noch schlimmer geworden sind. Es liegt daran, dass die weltlichen Systeme auf Gesetze zurückgehen, die dem menschlichen Geist entsprungen sind und daher zahlreiche Mängel aufweisen und in vieler Hinsicht ungerecht sind. Dies ist an sich schon ein Beweis dafür, dass die Gesetze, die ohne Berücksichtigung der spirituellen Werte von den Menschen aufgestellt wurden, unklar und brüchig sind. Diese Gesetze sind nicht in der Lage die Aufgabe, dem Menschen zur Vervollkommnung zu verhelfen, zu erfüllen, denn sie sind bewusst oder unbewusst von den Wünschen und dem interessenorientierten Bestrebungen derjenigen, die sie aufgestellt haben, beeinflusst worden.
Unterdessen muss ein Gesetzgeber von falschem Ehrgeiz und Egoismus und anderen Tendenzen, die eine korrekte Erkenntnis behindern, frei sein. Denn solche Faktoren haben zur Folge dass die Menschen zu unterschiedlichen Ansichten bei der Interpretation von Gut und Schlecht, sowie der Gerechtigkeit und der Wege zu ihrer Umsetzung gelangen.
Angesichts des Gesagten und zur Lösung des Problems muss also jemand für die Menschen Gesetze aufstellen, der besondere Eigenschaften besitzt: Zum Beispiel muss er vollständig alle körperlichen geistigen und seelischen Bedürfnisse des Menschen kennen. Außerdem muss er absolut gerecht sein und darf seine Interessen und Wünsche nicht über die Gerechtigkeit und das Wohl der anderen stellen.
Zweifelsohne kann dieser Gesetzgeber nur Gott sein. Nur der Weise Herr ist es würdig, Gesetzgeber für die Menschen zu sein –Sein Wissen ist endlos und Er überschaut das ganze Dasein. Er hat den Menschen erschaffen und kennt alle Einzelheiten seines Wesens genau. Er ist über die Entwicklung des Menschen und der Welt im Bilde und kennt ebenso die Dinge, die den Menschen daran hindern sich zu vervollkommnen.
Gott hat den Menschen zweifelsohne nicht sich selber überlassen, sondern er hat durch seine Boten der Menschheit seine Lehre und seine heilsamen und gerechten Gesetze mitgeteilt. Die Propheten haben die Wahrheit empfangen und sie für die Menschen unverändert wiedergegeben. Die Propheten haben den Menschen die Charta für Wohl und Seligkeit überbracht und durch sie hat Gott den Menschen seinen letzten Beweis geliefert. Im Vers 165 der Sure Nisa (Sure 4) heißt es über die Propheten:
„(Es sind) Gesandte, Überbringer froher Botschaften und Warner, so dass die Menschen nach den Gesandten keinen Beweisgrund gegen Allah haben. Und Allah ist Allmächtig, Allweise.“
Wäre die Vernunft alleine ausreichend für die Rechtleitung des Menschen, dann bedürfte es nicht mehr der Aussendung von Propheten und der Herabsendung der Offenbarung. Aber gemäß dem obigen Vers wurde erst durch die Propheten der Weg zur Rechtleitung vollendet und dem Menschen der letzte Beweis geliefert. Es leuchtet natürlich ein, dass die geistigen Kräfte eingesetzt werden sollen um die Offenbarungslehren zu verstehen. Daher sind die Offenbarungslehren und das Denken die beiden starken Schwingen des Menschen für den Aufstieg zu Würde und Seligkeit. Im nächsten Teil kommen wir wieder auf dieses Thema zurück.
----------------