Iranische Architektur und Kultur-Teil 43
Wir haben ihnen bereits einige Prachtbauten der iranischen Königsdynastien vorgestellt. Die Qadascharendynastie hat relativ lange im Iran geherrscht, d.h. circa 150 Jahre. Sie begann 1779 nach Christus zu herrschen.
Den Qadscharen mangelte es jedoch an Kompetenz. Trotz der finanziell schlechten Lage der Bevölkerung und trotz Grenzstreitigkeiten und zahlreicher sozialer Probleme begeisterten sie sich nur für ihr Vergnügen und Luxus und warfen Geld für sich und ihre Verwandtschaft aus dem Fenster. Zur Demonstration ihrer Macht und Größe ließen sie in den verschiedenen Städten prächtige Bauwerke errichten.
Die Qadscharen wählten Teheran, dessen Aufblüte in der Saffawidenzeit begonnen hatte, zu ihrer Hauptstadt und damit war der Bau von zahlreichen Palästen in- und außerhalb Teherans besiegelt.
Sachverständige teilen die Architektur zur Zeit der Qadscharen in drei Epochen ein und unterscheiden nach der Architektur vor, während und nach der Zeit des Qadscharenherrschers Nasereddin Schahs. In der Epoche vor Nasseredinschah, dem bekanntesten der Qadscharenherrscher, begegnen wir weniger Neuerung und Kreativität. Charakteristisch für diese Epoche sind allzu üppige Kachelmosaike und bunte Ziegelsteinbauten.
Die zweite Epoche begann mit der Reise des Nasereddin Schah nach Europa.
Nasereddin Schah machte eine Vergnügungsreise nach Europa . Beeindruckt von der europäischen Kunst und Architektur, ließ er daraufhin während seiner langen Regierungszeit zahlreiche Bauwerke im europäischen Renaissance-Stil in Teheran errichten. In dieser Zeit begann man Häuser mit Giebeln zu bauen. Die Paläste ähnelten den Villen der reichen Schicht in Europa.
Typisch für den Palast-Bau in dieser sogenannten Nasseri-Architekturepoche waren feine Reliefarbeiten auf Gestein und Stuckwerkverzierungen an Säulen. Die Abbildungen von Löwen, Meeresjungfrauen und Kaiserkronen aus buntem Stuck waren keine echten Motive der iranischen Kunst. In der dritten Architekturepoche, die nach Nasereddin-Schah begann fand die fremde Kunst auch Einlass in iranische Wohnhäuser und führte dazu, dass sich die iranische Bauweise von ihren einheimischen Merkmalen entfernte.
Säulen waren in der frühen iranischen Baukultur ein wichtiges Element gewesen verloren dann aber an Bedeutung. Doch begegnen wir Ende der Qadscharenzeit in den Städten wieder dem Säulenbau und zwar nicht nur an Palästen sondern auch bei Wohnhäusern und Geschäftsläden. Diese Bauwerke wurden an der Frontseite mit einer Reihe von meist zylindrischen Säulen oder Säulenvorterrassen versehen. Dies geschah in Anlehnung an die westliche Bauweise. Selbst so bekannte iranische Baumeister wie Ali Mohammad Chan Sane`i ließen sich bei ihren Entwürfen von Abbildungen europäischer Baukultur auf Postkarten, Fotos und Gemälden inspirieren. Die Bauwerke, die aus dieser Inspiration heraus entstanden, hatten tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit den europäischen Originalen.
Ein anschauliches Beispiel dieser Art von Bauwerken stellt der Golestan-Palast dar, der in der Teheraner Zitadelle errichtet wurde und von zahlreichen anderen historischen Bauwerken umgeben ist. Dieser Baukomplex fand unter den Qadscharen eine Erweiterung. Zu der Golestan-Palastanlage gehört das Schams-ul-Amareh, der Salam-, Spiegel-, Diamanten- ,Brillianten-Saal und Kronsaal, der „Marmorthron-Empfangsaal, Tachte Marmar, das Wasserhaus, Chalwat-Karimchani, Emarat-Baadgir, sowie das Schatzkammergebäude. . Diese Palastanlage schmückten schöne Gemälde. Unter anderem Gemälde des berühmten iranischen Malers Kamaale ul Molk.
Wie im traditoniellen Gebäudebau weist auch der Golestan-Palast ein „Biruni“ und ein „Andaruni“ auf, d.h. einen Teil, der Außenstehenden zugänglich ist und einen absolut privaten Teil. In dem Teil der sich Biruni nennt, lagen mitten in einem großen quadratischen Garten der Gerichtshof und Verwaltungsräume. An der Nordkante dieses großen Parks schloss sich das Andaruni an, in dem der König mit seiner Familie lebte. In der vorderen Gebäudeanlage befand sich der Tachte-Marmar-Saal , in dem offizielle Empfänge stattfanden.
Der Golestanpalast hat viele Säle. Einer davon nennt sich „Talare Salam“. Von seiner ersten Europareise im Jahre 1873 zurückgekehrt, beschloss Nasereddin Schah in der Regierungszitadelle ein Museum im europäischen Stil zu errichten. Er ließ im Norden des Golestan-Parkes, den Spiegelsaal und den Talare Salam errichten. Die Decke und die Wände dieses Salam-Saales sind üppig mit Fresken, Stuckwerk und Spiegelmosaiken verziert. Der Saal bietet zwar einen schönen Anblick, aber es ist kein konkreter Stil zu erkennen.
Im Gegensatz zur vorherigen iranischen Bauweise werden an der Gebäudefassaden und in den Sälen, Säulen als reines Dekorelement zusammen mit Spiegelmosaiken verwendet. Der Sonnenschutz über Fenstern und Türen wurde rechtwinklig zu diesen angelegt und wies eine Schräge auf. Entgegen der einheimischen Sonnenschutzvorrichtungen konnte das Sonnenlicht direkt in die Räume einfallen, wodurch im Sommer dementsprechend die Innentemperaturen anstiegen.
Der Qadscharenkönig Fathali Schah bemächtigte sich eines Dorfes im Norden von Teheran. Dieses Dorf hieß Niawaran. Niawaran erfreute sich einer lieblichen Landschaft und eines angenehmen Klimas. Fathali Schah ließ alle Häuser zerstören und einen neuen zweistöckigen Palast errichten und residierte im ersten Stock. Im zweiten Stock entstand ein großer Saal mit einmaligen Spiegelmosaik-Dekor. Er wurde Talare Aineh – Spiegel-Saal genannt. Zu der Palastanlage gehörten weitere ein-und zweistöckige Gebäude für die Königsfamilie und andere Herrschaften, sowie die Palastküche und ein Soldatenhaus. Drei große staatliche Torgewölbe führten in den Niawaran-Palast.
Doch Nasereddin-Schah genügten die bereits vorhandenen Paläste nicht. Er baute einen weiteren. Den Sahebeqaraniyeh-Palast. Er lag nördlich des Ahmad-Schah-Palastes und diente Empfängen und Zeremoniellen. Saltanat-Abad ist eine weitere Palastanlage aus der Qadscharenzeit, bestehend aus vielen Springbrunnenanlagen zweistöckigen Gebäuden mit großen Vestibül und üppigem Stuckwerk. Ein 4stöckiger Bau führt in den großen Saal über. Auch die Kellergeschosse und die Räumlichkeiten in denen das Dienstpersonal arbeitete waren üppig verziert.
Der Vollständigkeit halber müssen wir auch die Palastanlagen Saad Abad, den Eschrat Abad- und Firuseh, den Soleymaniyeh und den Baharestan-Palast nennen.
Alle diese Paläste entstanden in Teheran, das damals keine große Stadt war. Es leuchtet nicht ein, warum die Qadscharen an einem Ort so viele Paläste brauchten. Außerdem schadete das blinde Kopieren westlicher Architektur der einheimischen Kunst.
Roberto Scarcia, ein italienischer Wissenschaftler der Iranistik schreibt über die Architektur unter den Qadscharen: "Bei den Bauwerken unter dieser Dynastie insbesondere beim Palastbau, lässt sich schwer sagen, wo der iranische Stil aufhört und der europäische beginnt. Die zunehmende Vorliebe, Grundzüge der europäischen Architektur und sogar europäische Verzierungen zu kopieren fällt ins Auge. Das Interesse an der äußeren Gestaltung von Fenstern, Schrägdächern und klassischen europäischen und russischen Elementen bahnte sich schnell über Mittelasien und den Kaukasus einen Weg in den Iran. Durch diese Nachahmung und ebenso durch den Hang zu allgemeinpopulärer Kunst kommt diese Bauweise viel niedriger zu stehen als die Kunst in den vorherigen Epochen.
Die Nachahmung des Westens Ende der Qadscharenzeit und während der gesamten Pahlavie-Epoche die ihr folgte, ließ die traditionelle iranische Bauweise in Vergessenheit geraten. Viele alte Bauwerke darunter die alten Karwansereien verfielen . An ihrer Stelle wurde luxuriöse Gebäude erbaut, die keine neue Identität besaßen. Sie boten künstlerisch gesehn keinen Wert und waren ebenso wenig den klimatischen und geografischen Verhältnissen im Iran angepasst. Sie entsprachen nicht dem, was die iranische Gesellschaft wirklich brauchte und führten zu einer bedauerlichen Vernichtung der verschiedenen Künste.