Iranisches Kunsthandwerk (31 - Geschichte des handgemachten Bodenbelags)
Ab dieser Woche werfen wir einen Blick auf einen weiteren Zweig des iranischen Kunsthandwerkes, welcher in großer Vielfalt heute noch in Städten und auf Dörfern gepflegt wird. Wir meinen die handgemachten Bodenbeläge, genannt Farsch oder Ghali, Gelim, Gabbeh , Zilu, Dschadschim und sar andaz.
Die ersten Menschen haben wahrscheinlich erst Pflanzenfasern und dann Tierhäute und schließlich Matten aus Pflanzenfasern und Schilfrohr als Bodenbedeckung benutzt. Mit der Erfindung von Nadel und Faden vor 20 bis 26 Tausend Jahren begann man Tierhäute zusammenzunähen.
Allmählich lernte der Mensch, mit der Wolle von Schafen warme und weiche Unterlagen mit verschiedenen Farben und in verschiedenen Mustern anzufertigen.
Xenophon,der griechische Historiker aus dem 5. bis 4. Jahrhundert vor Christus hat zwei Schriften über den Iran verfasst und in jedem kurz auf Teppiche im Iran hingewiesen. In seinem Werk Anabasis spricht er hauptsächlich vom Preis für eines solchen Teppichs und in dem Buch Erziehung des Kyros schreibt er über eine Art der Verwendung des Teppichs im Iran wie folgt: „Die Iraner breiten unter sich einen Teppich aus, damit sie eine weiche Schlafstätte haben.“ An der Beschreibung von Xenophon ist abzulesen, dass es es sich bei dieser Unterlage nicht mehr um einen Gelim oder Filzteppich handelte, sondern einen Teppich mit Flor. Denn nur ein solcher kann eine weiche Unterlage liefern. Außerdem lässt sich von seiner Beschreibung ableiten, wann ein solcher Teppich unter anderem im Iran benutzt wurde, nämlich zum Schlafen. Es kann daher sein, dass dieser Teppich nicht immer auf dem Boden ausgebreitet lag.
600 Jahre nach Xenophon hat ein weiterer griechischer Geschichtsschreiber namens Athenaios auf den iranischen Teppich hingewiesen und geschrieben: „Rund um den Saal herum standen hundert goldene Sitzbänke, deren Füße wie die der Sphinx waren… und auf den Bänken waren purpurrote Teppiche ausgebreitet aus erstklassiger Wolle und auch der Boden und der Gang waren mit weichen iranischen Teppichen ausgelegt, die kunstvoll bebildert waren.“
Der Farsch, wie sich ein handgeknüpfter Teppich auf Persisch nennt, gehört zu den teuersten und bekanntesten iranischen Bodenbelegen. Die Iraner zählen zu den ersten Völkern, die Teppiche knüpften. Zunächst diente der Teppich der Dorfbevölkerung nur zum Schutz vor Kälte und Feuchtigkeit doch dann nahm er als dekorativer Gegenstand allmählich auch Einzug in die Häuser der Reichen. Für diesen Wandel gibt es circa 800 Jahre vor Christus die ersten Anzeichen. Der iranische Teppich wurde überall in den bewohnten Gebieten des Zagrosgebirges und in einem großen Teil von Mittelasien geknüpft und wies in jeder Gegend seine besonderen Merkmale auf. Das älteste Exemplar eines iranischen handgeknüpften Teppichs wurde in dem vereisten Grab eines skythischen Fürsten in Sibirien an der Grenze zur Mongolei im Pasyryk-Tal gefunden. Gemäß Forschern stammt dieser berühmt gewordene Pasyryk-Teppich aus dem Reich der Parther oder Meder im Iran. Er wird in der Eremitage in St. Petersburg aufbewahrt. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode konnten die Gräber im Pasyryk-Tal ins 4. und 5.Jahrhundert vor Christus zurückdatiert werden.
Der Pasyryk-Teppich ist bislang der älteste noch erhalten gebliebene handgeknüpfte Teppich der Welt. Er wurde 1949 von dem russischen Archäologen Rudenko entdeckt. Dieser bunte Teppich von hoher Feinheit ist aus Schurwolle und mit 1,98 mal 1,89 m fast quadratisch.
Auf diesem Teppich sind Reiter, grasende Hirsche und Fabelwesen mit dem Leib eines Löwen und einem Adlerkopf abgebildet. Das Ganze wird von einer Bordüre mit Blumenmotiven umrahmt.
Rudenko stellte bei der Untersuchung der Gestaltung dieses Teppichs eine große Ähnlichkeit zu den Reliefen an der antiken achämenidischen Burg Tacht-e Dschamdschid (Persepolis)im iranischen Fars fest. Außerdem gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass dieser geknüpfte Teppich von dem Volk der Loren stammt, zum Beispiel die Art der Knüpfknoten und eine Reihe vierstrahliger Sterne im Mittelfeld – ein Element das auch auf den Gegenständen, die man in Lorestan (Westiran) gefunden hat, zu sehen ist.
Die ersten schriftlichen Hinweise auf iranische Teppiche finden wir bei den Chinesen im Zusammenhang mit der Dynastie der Sassaniden, die von 224 bis circa 652 im Iran herrschten. Im siebten Jahrhundert nach Christus war Ktesiphon (im heutigen Irak) Residenz der Sassaniden. Dort lag in der Palastvorhalle ein großer handgeknüpfter Teppich aus – der Baharestan (Frühlingsreich) genannt und in der Geschichte als der kostbarste und schönste Teppich bekannt wurde. Der „Farsch-e Baharestan“ ist auch Bahar-e Chosrou oder Bahar-e Kasra (beides Frühling des Königs) genannt worden. Er hatte eine Länge von 140 m und war 27 m breit.
Tabari, ein muslimischer Historiker aus Iran, der im 9. Jahrhundert lebte, war der Erste der diesen Teppich beschrieben hat. In seiner Beschreibung heißt es, dass dieser Teppich aus Seiden-, Gold und Silberfäden angefertigt worden war und Edelsteinen wie Smaragde und Perlen mit verarbeitet worden waren. Auf dem Baharestan-Teppich waren paradiesische Gärten abgebildet.
Unter den Sassaniden wurden noch viele weitere große Teppiche geknüpft. Historiker schreiben , dass an den Ecken dieser Teppiche prächtige Thronsessel aus blauen, roten, weißen und gelben Blüten abgebildet waren und die Untergrundfarbe dieser Teppiche zumeist goldfarben war. Außerdem waren auch in diese Teppiche wertvolle kristallklare Steine eingearbeitet worden.
Nach Beginn der Islamischen Ära im Iran bildet auch die Zeit der Seldschuken, die im 5. Und 6. Jahrhundert nach der Hidschra und dem Mondkalender, d.h. dem 11. bis 12. Jahrhundert im Iran herrschten, ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des iranischen Teppichs. Die Teppiche wurden in der Hauptsache von Frauen geknüpft. Sie verwendeten den türkischen Knüpfknoten und ihre Fertigkeit verhalf der Teppichknüpfkunst zu einer zunehmenden Aufblüte.
Als im 13. Jahrhundert nach Christus die Mongolen einfielen, fügten sie der Kunst und Kultur große Schäden zu. Auch die Teppichknüpfereien wurden Opfer der Verheerung. Nach vielen Jahren und nach dem die iranische Kultur die Mongolenherrscher für sich gewinnen konnten, wurde diesem Kunsthandwerk erneut Aufmerksamkeit geschenkt. Die westiranische Stadt Täbris verwandelte sich in ein Zentrum für den iranischen Teppich. Die Teppichmuster wurden allerdings einfacher und geometrische Muster häufiger. Die Teppichknüpferei hatte eine neue Phase begonnen.
Die vielleicht bedeutendste Epoche in der Geschichte des iranischen handgeknüpften Teppichs ist die Zeit, in der die Saffawiden herrschten, d.h. das 16. und 17. Jahrhundert nach Christus. Es gibt Hunderte von kostbaren Exemplaren aus dieser Zeit in den Museen und Kollektionen überall auf der Welt.
Unter dem Saffawidenherrscher Schah Abbas erlebten Handel, Kunst und Handwerk eine Blütezeit. Schah Abbas trieb angeregt von der Bevölkerung einen Handelsaustausch mit Europa. Dieser Saffawidenherrscher wandelte seine Regierungsstadt Isfahan in die schönste und prächtigste Stadt Irans. Er ließ eine große Teppichknüpferei in ihr errichten, in der die Kunsthandwerker wertvolle Teppiche anfertigten, wobei sie Seiden- und Gold- und Silberfäden zur Verzierung verwendeten. Diese Teppiche wurden in andere iranische Städte und ins Ausland geliefert. Und so wurde der Perserteppich allmählich weltbekannt.
Die Zeit, in der die Afschariden Anfang des 18. Jahrhunderts nach den Saffawiden herrschten, war eine Zeit des Krieges gegen Afghanen, Türken und Russen und es herrschten Missstände im Lande, was eine Weiterentwicklung der Kunst verhinderte. Daher gibt es auch keinen nennenswerten Teppich aus dieser Zeit, aber die Teppichknüpferei wurde von den Nomaden und in kleineren Städten weitergeführt.
Nachdem die Qadscharen Ende des 18. Jahrhunderts an die Macht gelangten, erlebte dieses Kunsthandwerk erneuten Aufschwung. Einige europäische und amerikanische Firmen kamen nach Iran, um Teppiche aus dem Iran auf die eigenen Märkte zu holen. Allmählich begann man auch maschinelle Teppiche herzustellen und weil diese erheblich billiger waren und in großen Mengen hergestellt wurden, bedeutete die maschinelle Teppichherstellung natürlich eine gewisse Gefahr für den handgeknüpften Teppich. Dennoch ging auch diesmal dieses Kunsthandwerk nicht zugrunde. Und so ist heute das Teppichknüpfen das am meisten verbreitete Kunsthandwerk im Iran . Der iranische Teppich – ist auch im Ausland renommiert, bekannt und beliebt. Zweifelsohne verdankt er diese Beliebtheit seinen Farben und Mustern und seiner großen Vielfalt , welche wiederum seit Jahrhunderten der Verdienst der iranischen Teppichknüpfer und Knüpferinnen überall im Land ist.