Iranisches Kunsthandwerk (32)
Heute möchten wir über die Original-Motive des iranischen handgefertigten Teppichs sprechen. Der Teppich aus unserem Land ist unter anderem gerade mit diesen Mustern und Motiven weltbekannt geworden.
Die iranischen Teppiche sind mit ihren unterschiedlichen Mustern im Ausland zumeist unter dem Namen des Ortes, aus dem sie stammen, bekannt, wie Isfahan, Kaschan, Saruq, Täbris und Maschhad. Aber im Iran selber werden, weil die Teppichknüpfer ihren Wohnort ja auch gewechselt haben, die Teppiche nicht nur nach ihrem Herkunftsort, sondern oftmals auch gleichzeitig nach dem Namen des Musters und Motives bezeichnet.
Teppichexperten beziffern die iranischen Teppichmuster auf bis zu 2000. Allerdings sind darunter auch Variationen von Leitmotiven. Man kann nach 19 Hauptmustern- und motiven unterscheiden, nämlich:
Abbildung von historischen Gebäuden und Moscheen, blumige Schah-Abbas-Motive, verschlungene Islimi- Muster (Abaresken-Design), Sarasari-Design (sich wiederholende Musterelemente), Bazubandi- und Boteh-Dschoqhei-Design. Weitere Muster sind Iqtibasi-Design-, Derachti-Heywandar (Baum mit Tier) Turkman-Design, Jagdszenen und Qab-Qabi (bei dem das Teppichfeld in mehrere gleichgroße gemusterte Rahmen aufgeteilt wird). Bei einem weiteren Muster, dem Gole-Farhang-Design, (wörtlich: europäische Blume) habe wir es mit der naturgetreuen Abbildung von Blumen, vor allen Dingen Rosen in hellen Farben zu tun. Dazu kommen die Muster:
Goldani (Blumenvase), Gol-Afschan (Blumenteppich) und das Rapportmuster „Mahi dar ham“ bekannt als Hirati-Muster, das Mihrabi- ( Gebetsnischen-) Motiv, die reihenweise Musterung Qalamdan-, Musterung mit geometrischen Figuren - Hendesi, sowie die Muster der meist frei ohne Vorlage geknüpften Nomadenteppiche (Iliati) und Musterkombinationen (Talfiqi).
Es gibt auch noch eine andere Aufteilung der Teppichmuster. Dabei wird nach zwei großen Kategorien unterschieden, nämlich eine Kategorie mit Motiven, die in Anlehnung an die Natur entstanden und eine Kategorie mit anderen Motiven, die noch einmal nach dem Muster, dem Ort der Anfertigung und des Entwurfes, dem Namen des Nomaden- oder Volksstammes und der Personen, den historischen Gebäuden und der Religion bezeichnet werden.
Über die Motive und Muster im iranischen Teppich haben auch einige Nicht-Iraner Forschungen betrieben und Bücher herausgegeben. Der Engländer Arthur Cecil Edwards schreibt in seinem Buch über den iranischen Teppich (The Persian Carpet), dass die iranischen Teppiche entweder aufgrund der Inspiration aus dem Leben und der Natur geknüpft wurden oder die Inspiration aus einer anderen Quelle stammt. In beiden Fällen sollte man nach seiner Meinung über eine Verbindung der Muster und Formen mit dem mystischen Denken Forschungen anstellen.
Man kann ruhig sagen, dass die iranische Kunst (so auch die Teppichknüpfkunst) viel Symbolik enthält. Dieses Merkmal der
iranischen Kunst lässt sich bis zur Verknüpfung mit der Mythologie zurückverfolgen. Die meisten Musterungen eines iranischen Teppichs weisen Kreisbögen und Kreisförmiges auf. Der Kreis galt in der Mythologie als Symbol für das Leben und als Symbol für die Frau. Dies bringt die Vermutung nahe, dass diese alten Teppiche von Frauen geknüpft wurden und sie auf diese Weise ihre eigene weibliche Welt auf ihren Teppichen verbildlichten.
Zum Beispiel ist die Blumenvase (Goldan) ein beliebtes Motiv. Blumen erinnern an die Verbindung des Menschen zur Erde und die Fruchtbarkeit der Erde. Der mythologische Gedanke der Mensch-Werdung aus Erde hat zur Darstellung von Bildern des Lebens wie Bäume, Blumen, Wiesen und Flüsse inspiriert. In diesen Motiven ist die Erde nicht nur ein Ort zum Leben, sondern Ausgangspunkt für das Leben. Dieser Gedanken kommt nicht nur in den Mustern auf alten Teppichen zum Ausdruck sondern auch schon in älteren Gegenständen des Kunsthandwerkes.
Was die iranischen Teppichmuster anbelangt, so richtet sich das Augenmerk der Forschung auf die unterschiedliche Entfaltung von Teppichmustern an verschiedenen Orten.
Die typischen Teppiche mit Pflanzen- und Tiermustern tragen besondere Bezeichnungen. Das sind zum Beispiel bei den Pflanzenmustern Bezeichnungen wie Boteh (eine Abstraktion der Zypresse), Latschak Torandsch, Afschan (das gesamte Teppichfeld ist mit Blumenmotiven übersät) , Schah Abbasi , Bandi (auf dem gesamten Feld wird dasselbe Motive wiederholt), Islimi (Arabeske) , Chatai und Qab Qabi, Cheschti und weitere.
Die Motive mit Tierfiguren haben auch bestimmte Namen wie Schekargah – Jagdszene, Mahi Darham (Reihenmusterung) , Hascht par und dawazdah Par (8 und 12 Federn) , Tawus (Pfau) Boz-e Kuhi (Bergziege) , Mahi Parandeh (fliegender Fisch) und weitere.
Weitere Motive auf iranischen Teppichen sind die Abbildung von islamischen und antiken Bauwerken.
Allerdings haben einige Zeichner bei der Abbildung auch Veränderungen im Vergleich zum Original vorgenommen. Die bekanntesten Motive in dieser Gruppe von Teppichen ist die Kuppel der Scheich Lutfullah-Moschee in Isfahan, das große Eingangstor der Grabmoschee des Imamzadeh Mahruq, ein Nachkomme des Sohns Imam Husseins (a.) im ostiranischen Neyschabur, die Kuppel der Imam-Moschee (in Isfahan), die Reste des achämenidischen Festung Tachte- Dschamschid (Persepolis bei Schiras) Taq-e Bostan aus dem Sassanidenreich (Felsenreliefs bei Kermanschah, Westiran) , und weitere.
Zu den bekanntesten Mustern mit Pflanzenmotiven zählt das
Schah Abbasi-Motiv. In ihm kommen zierliche Blumen, genannt Schah-Abbas-Blüten, vor und diese werden mit Arabesken und stilisierten Blumen-und Blättermotiven- so genannte Chatai - kombiniert. Das Muster, das eine hohe Knüpfdichte erfordert, entstand in der Zeit des Saffawiden Schah Abbas I. um das 17. Jahrhundert nach Christus. Mehrfach zeigen Teppiche mit diesem Muster in der Mitte ein größeres Medaillon und vier Viertelmedaillons in den Ecken (Latschak Torandsch). Je nach Aufteilung und Auffüllung des Feldes oder Motiv werden Schah-Abbas-Teppiche noch speziell benannt, nämlich Afschan Schah Abbasi, Schah Abbasi derachti (mit realitätsnahem Baummotiv) Schah Abbassi Dschanewari (mit Tiermotiven) usw.
Ein sehr altes Muster ist das Nazem-Muster der Teppiche aus der Provinz Fars. Zur Zeit der Saffawiden war dieses Motiv unter der Bezeichnung Naqsch-e Goldani üblich: Blumenvasen-Motiv. In Teheran ist dieses Nazem-Muster unter der Bezeichnung Hadsch Chanomi (Hadschpilgerin) oder Baghi (Garten) bekannt geworden und manchmal auch als Sadschadei (Gebetsteppich) weil es eine gewissen Ähnlichkeit zum Sadschadei-Muster hat. Die Teppiche mit diesem Muster sind meist 6 oder 9, seltener auch 12 Quadratmeter groß. Für das Knüpfen dieses Teppichs muss ein Teppichentwurf vorliegen.
Über dem Medaillon in der Mitte des Teppichfeldes wölbt sich ein Bogen.
Dieses Muster stammt aus dem 1. Jahrtausend vor Christus und mit Sicherheit von Nomadenvölkern.
Das Nazem-Muster ist die Verbildlichung eines Garten und eines schönen festen Wohnplatzes. Dieses Muster entspringt offensichtlich der Phantasie der Frauen und Mädchen der Qaschqai-Nomaden, welche müde von der Anstrengung der ständigen Wanderung von einem Ort zum anderen sich nach einer festen Bleibe sehnen. Sie wünschen sich ein festes Haus, vor dessen Fenster sie einen Vorhang aufhängen können. Wenn sie dann diese Vorhänge beiseite ziehen und rechts und links vom Fenster befestigen, können sie von ihrem festen Heim aus durch das Fenster hinausschauen auf die Natur. Die beiden Bögen über dem Medaillon eines Nezam-Musters scheinen diese Vorhänge anzudeuten. In der Provinz Fars und im Schirazer Wakil-Bazaar erzählen die Teppichhändler gerne und gekonnt diese Geschichte vom Traum der Frauen des Qaschqai-Volksstammes, der übrigens auch heute noch ein Nomadenleben führt.