Islam richtig kennenlernen (88)
Wir werden auch diesmal den letzten großen Abschnitt im Leben des Propheten (S) betrachten.
Gemäß dem Friedensabkommen von Hudaibiyah, waren die Muslime ein Jahr später, im Jahre 7 nach der Hidschra, berechtigt nach Mekka zu kommen und dort drei Tage zu bleiben. Nach Durchführung des kleinen Hadsches (Umra) mussten sie dann wieder nach Medina zurückkehren. Das Jahr war vorüber und die Muslimen schickten sich an, zur Kaaba in Mekka zu pilgern. Die Freude unter den Muslimen war groß. Im Vorjahr waren es ungefähr tausendvierhundert Pilger gewesen, die den Propheten auf dem Weg nach Mekka begleitet hatten und mit ihm den Hadsch hatten durchführen wollen. Aber im Jahre 7 war die Zahl noch größer. Es waren zweitausend Muslime und unter ihnen bekannte Gesichter von denen, die von Mekka nach Medina ausgewandert waren (Mudschaherin) und von denen, die von Anfang an Bewohner Medinas gewesen waren (Ansar). In der Dschadschara-Moschee – in der Nähe von Medina - legte der Prophet das Pilgergewand an. Und die anderen Muslime taten es ihm nach. Sie alle traten in den Weihezustand . Auf den Lippen den Ruf Laibaik, labaik Wir sind deinem Ruf gefolgt – machten sie sich auf den Weg zum Hause Gottes in Mekka.
Nach einigen Tagen hatten die Muslime Mekka erreicht. Doch der Prophet (S) war sich nicht sicher, ob die Herrscher in dieser Stadt, die Götzendiener des Volksstammes der Quraisch, nicht doch eine Verschwörung gegen ihn und die Muslime planten. Er rechnete mit einem Vertragsbruch von deren Seite und damit, dass diese ihn und seine Helfer in Mekka überfallen und massakrieren. Also traf er Vorkehrungen. Er schickte vorsichtshalber einen seiner Heeresführer mit zweihundert Mannen der Pilgerkarawane voraus, damit sie sich in der Gegend von Mekka – mit den notwendigen Waffen ausgestattet, stationieren und das Eintreffen des Propheten abwarten. Als die Oberhäupter der Quraisch davon erfuhren, sandten sie einen Boten und legten Einspruch ein. Der Abgesandte der Quraisch sagte: „Ihr seid mit Waffen zum Heiligtum gekommen, aber es war abgemacht, dass ihr nur mit verhülltem Säbel nach Mekka kommt.“ Der Prophet erwiderte ihm: „Ich und meine Helfer werden niemals etwas tun, was gegen das Abkommen mit euch verstößt und wir betreten alle unbewaffnet Mekka. Ein Befehlshaber und zweihundert Soldaten werden mit der gesamten Ausrüstung, die sie mit sich führen, an diesem Ort bleiben und keinen weiteren Schritt unternehmen.“
Mit dieser klugen Maßnahme wollte der Prophet den Quraisch klar machen, dass wenn sie heimlich böse Absichten hegen und den unbewaffneten Zustand der Pilger ausnutzen wollen, um sie zu überrumpeln, dann diese Reservekräfte sofort den Pilgern zu Hilfe eilen werden und dementsprechend mit Waffen ausgerüstet sind. Die Quraisch konnten sich also vergewissern, dass der Prophet sich an das Friedensabkommen hält und unbewaffnet die Stadt Mekka betritt. Da öffneten sie die Tore der Stadt. Die Oberhäupter des Unglaubens aber vermieden eine Begegnung mit dem Propheten und seinen Helfern und verließen Mekka mit ihrem Gefolge. Sie schlugen in der Umgebung von Mekka auf den Hügeln und Anhöhen ihre Zelte auf. Von dort aus hatten sie auch Ausblick auf die Stadt und konnten die Muslime von weitem beobachten.
Der Prophet (S) kehrte zusammen mit zweitausend Pilgern in die Stadt Mekka ein. Der Pilgerruf labaik allahoma labaik – „wir sind deiner Einladung gefolgt, o Gott, wir sind ihr gefolgt“ - klang aus ihren Kehlen durch die Stadt. Die Bewohner von Mekka waren tief beeindruckt von dieser Szene. Umso mehr jagte das Geschehen den Oberhäuptern der Götzenanbeter Angst und Schrecken ein. Als die Labaik-Rufe verklungen waren, ließ Abdullah Ibn Rawaha, der das Reitkamel des Propheten am Halfter führte, mit schöner Stimme folgendes Gedicht erschallen: „O Söhne der Ungläubigen! Öffnet den Weg für den Propheten Gottes. Macht den Weg frei, denn alles Gute ist bei dem Prophet Gottes! O Gott, ich glaube an seine Worte und betrachte es als Recht Gottes, dass ich seine Worte akzeptiere.“
Der Prophet (S) vollzog zusammen mit den anderen Muslimen die Umkreisung der Kaaba. Diesmal sagte der Prophet Gottes Abdullah Ibn Rawaha solle folgendes Gebet vortragen und die anderen alle Sätze in diesem Gebet wiederholen. Es waren folgende Worte
: لااله الا ا... وَحدَه ُ وَحدَه، صَدَقَ وَعدَه وَ نَصَر عَبدَه و اَعَزَّ جُندَه و هَزَم َالاَحزاب وَحدَه"
„Es gibt keinen Gott außer Gott, er ist der Einzige. Er hat seine Verheißung erfüllt. Er hat Seinem Diener geholfen. Er hat sein Heer geschätzt (und stark) werden lassen. Er hat alleine die Gruppen des Unglaubens und des Götzentums zerschlagen.“
Alle Stätten, die für den kleinen Hadsch nötig waren, wie die Heilige Moschee, die Kaaba, Safa und Marwa standen den Muslimen zur Verfügung. Die Muslime führten auf schöne Weise gemeinsam die Zeremonien an einem Ort durch, der viele Jahre lang zum Zentrum der Götzenanbetung geworden war. Das war ein harter Schlag für die Anführer des Götzendienstes und es war ein frohes Vorzeichen für den Sieg Mohammads (S) im ganzen damaligen Arabien.
Es war Mittag geworden. Der Prophet und die Muslime versammelten sich zum Gemeinschaftsgebet. Bilal, der Muezzin der Muslime bestieg auf Anweisung des Propheten das Dach der Kaaba und rief von dort aus mit schöner klarer Stimme zum Gebet auf. Der Gebetsaufruf beinhaltet das Bekenntnis zur Einheit Gottes und zur Propehetschaft Mohammads. Bis dahin galt ein solches Bekenntnis für die Götzendiener als schweres Vergehen. Bilal war dereinst von den Götzendienern gefoltert worden, weil er sich zu der monotheistischen Religion des Islam bekannt hatte. Und nun klang sein Gebetsruf durch ganz Mekka und die Muslime wiederholten zur Bestätigung jeden Satz von ihm. Dies hinterließ eine starke Wirkung auf die Götzendiener, die Zeuge waren. Nach dem gemeinsamen Gebet trat der Prophet den Sa`i zwischen Safa und Marwa an. Beim Sa`i legt der Pilger sieben Mal die Strecke zwischen diesen beiden Felsen zurück. Der Prophet beschleunigte während eines Teils dieses Hadschrituals seinen Schritt und die Muslime folgten seinem Beispiel. Nach diesem Ritual opferten die Pilger die mitgeführten Kamele, kürzten das Haupthaar und verließen den Weihezustand.
Der Prophet befahl dass zweihundert Muslime zu dem Ort gehen sollten, wo er zur Sicherheit ein kleines Heer postiert hatte, damit sie die Mitglieder dieses Heeres ersetzen und letztere ebenso den kleinen Hadsch vollbringen können.
Nach dem Hadsch besuchten die Muhadscherin, das heißt die Muslime, die von Mekka nach Medina ausgewandert waren, um sich vor der Gewalt der Götzendiener in Sicherheit zu bringen, nach vielen Jahren ihre Angehörigen, die noch in Mekka lebten. Und sie luden einige der Ansar – der Leute aus Medina die Muslim geworden waren zu sich nach Hause ein. Der Pilgerbesuch des Hauses Gottes hatte die Muslime, ob Muhadscherin oder Ansar in eine große Freude versetzt. Für die Ansar war es das erste Mal gewesen, dass sie das Haus Gottes aufsuchen konnten.
Die Muslime blieben drei Tage in Mekka. In dieser Zeit beobachteten die Einwohner von Mekka neugierig ihre Bräuche und ihr Verhalten. Sie wurden Zeuge der beeindruckenden Gemeinschaftsgebete in der Heiligen Moschee und dem herzlichen und brüderlichen Verhalten der Muslime untereinander. Die Wirkung blieb nicht aus. Viele Vorurteile die unter der Bevölkerung von Mekka über den Islam und die Muslime herrschten, verflogen. Jetzt verspürten die Anführer des Götzendienstes erst recht Gefahr. Sie merkten, dass ein längerer Verbleib des Propheten und seiner Helfer in Mekka das Interesse der Bevölkerung an der Götzenverehrung mindern wird und befürchteten, dass es zwischen der Bevölkerung in dieser Stadt und den Muslimen zu freundlichen Kontakten kommt. Mit Ablauf der drei Tage schickten die Quraisch daher sofort ihren Abgesandten an den Propheten und der mahnte: „Die Zeit, welche wir im Abkommen über euren Aufenthalt in Mekka vorgesehen haben ist abgelaufen. Verlasst schnell wieder unser Gebiet.“ Einige Helfer des Propheten regten sich über diese unverblümte Botschaft auf. Aber der Prophet legte grundsätzlich großen Wert auf Vertragstreue. Die Muslime wurden aufgerufen, sich auf den Weg zu machen und sofort verließen sie Mekka allesamt.
Es lässt sich sagen, dass die Pilgerreise nach Mekka im Grunde eine sehr wirksame Werbung für den Islam war, wie sich bald darauf tatsächlich zeigen sollte. Es heißt nämlich, dass einige bekannte Gesichter der Quraisch wie Chalid Ibn Walid und Amr Ibn As sich vom Islam angezogen fühlten, nachdem sie Zeuge der prächtigen Pilgerzeremonien der Muslime geworden waren, und bald darauf den Islam annahmen. Der Prophet (S) hatte im 6. Jahr nach der Hidschra im Traum gesehen, wie die Muslime sorglos die Heilige Moschee in Mekka mit geschorenen Häuptern betreten und den kleinen Hadsch vollziehen. Im siebten Jahr nach der Hidschra – ein Jahr später, wurde diese Verheißung, die der Prophet im Traum erhalten hatte, Wirklichkeit. In der Sue 48 (Fath) steht darüber im Vers 27:
„Allah hat ja Seinem Gesandten das Traumgesicht der Wahrheit entsprechend wahr gemacht: Ihr werdet ganz gewiss, wenn Allah will, die geschützte Gebetsstätte in Sicherheit betreten, sowohl mit geschorenem Kopf als auch (mit) gekürzt(em Haar), und ohne euch zu fürchten. Er wusste doch, was ihr nicht wusstet, und so bestimmte Er (für euch) vorher einen nahen Sieg.“