Oct 26, 2017 07:58 CET

 Wir werden auch heute wieder typisch iranische Teppichmuster betrachten. Ein häufiges  Muster nennt sich Mahi dar ham – Fisch-Design. Dieses abstrakte Muster stammt von den Nomaden und wird heute noch gepflegt. Als erstes wurde es im ostiranischen Birdschand üblich und fand dann auch mit der Zeit  in anderen Städten bei den Teppichknüpfern Gefallen. Heute ist das Fisch-Design weit verbreitet und auch im Ausland auf den Teppichmärkten beliebt. 

 

                              

Der Name Mahi dar ham (soviel wie: Fische vermischt)  scheint aus dem Volksmund zu stammen und es ist nicht  klar seit wann es ihn gibt. Nach Ansicht der Teppichexperten ist  dieses Fisch-Design eine besondere Form des Herati-Designs, welches auf der Abbildung von zwei Fischen und einer Blumenblüte mit 8 Blütenblättern in der Mitte aufbaut.  Nach Beginn der Islamischen Ära  haben die Teppichknüpfer aufgrund ihrer Überzeugung als Muslime die Abbildung von Tieren insbesondere auf Sitzflächen und Unterlagen vermieden und daher  wurden die Fische im Fisch-Blüten-Bild auf eine Weise stilisiert, dass sie Blättern ähnlich sahen.

Wie Untersuchungen an erhalten gebliebenen Knüpfwaren zeigen, ist das Fisch-Design  zum ersten Mal gegen Ende der Herrscherzeit der Timuriden (Ende 15. – Anfang 16. Jahrhundert nach Christus) und dann während der ganzen Epoche der Saffawiden von Teppichknüpfern verwendet worden und übte danach einen starken Einfluss auf eine Reihe von weiteren iranischen Teppichmustern aus.  Dieses Muster wurde als Herati-Muster bekannt, weil es unter den Timuriden in Herat (welches heute zu Afghanistan gehört) weit verbreitet war.  Das Grundmotiv des Herati-Muster sind zwei gebogene Blätter mit einer großen Blüte, ähnlich der Schah-Abbasi-Blüte oder Lilie in der Mitte. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass diese beiden Blättern ursprünglich Fische waren und auch die Bezeichnung „Mahi dar ham“ deutet darauf hin,  denn „Mahi“ bedeutet „Fisch“.  

 

Wenn man weiter in die Geschichte zurückblickt, wird man feststellen, dass die Ursprünge des Herati-Designs in der Antike liegen. Damals standen  einige Bräuche und Symbole   eng mit dem Element Wasser in Verbindung.  In Kunstwerken jener Zeit gibt es zum Beispiel eine Abbildung von der Sonne (Mehr), die im Wasser zur Welt kommt und auf einem Lilienblatt liegt.  Die Wasserlilie wurde dann später zu  der Schah-Abbasi-Blüte weiterentwickelt und verschaffte sich einen besonderen Platz in den Teppichmustern. Nach der Islamisierung wurden die Fische im Fisch-Muster in Blumen und Blätter umgewandelt und es wurden keine Tiere mehr auf Teppichen abgebildet. 

 

Es gibt noch ein Herati-Design, das sich vor allen Dingen in Indien durchsetzte und aus einer Schah-Abbas-Blüte  besteht, die  ringförmig oder ellipsenförmig von gebogenen fischähnlichen  Blättern oder Traubenreben umrahmt wird.

                                  

Bei einigen Teppichmustern gibt es ein Medaillon in der Mitte, welches vollständig mit einem Fisch-Design ausgefüllt wird. Bei anderen fehlt ein solches Medaillon (Torandsch) und stattdessen ist das gesamte Teppich-Feld mit dem Fisch-Design ausgefüllt und  mit den üblichen Bordüren umrahmt, die sich in ihren Farben von dem Hauptfeld abheben. In der Stadt Qain, in der  nordöstlichen Provinz Chorrasan wird das Fisch-Design normalerweise in einen hellen Hintergrund hinein geknüpft und im Süden von Birdschand (Ostiran)  in einem Dorf namens Mud  arbeiten die Knüpfer ein wenig weiße oder türkisfarbene Seide  zur Umrahmung des Musters ein und dies verleiht ihren Teppichen ein reliefartiges Aussehen.  Dabei erfreut sich auch das Fisch-Design oder Herati-Design wieder besonderer Beliebtheit.  Die Knüpfer von Mud und Birdschand schmücken solche Teppiche  oftmals mit einem runden Medaillon (Torandsch) oder einer sechszehneckigen Figur  und bringen auf diese Weise Abwechslung in das sich wiederholenden Fisch-Design.

 

Wie Untersuchungen an den Teppichen mit diesem Muster zeigen, nehmen  die fischähnlichen Figuren   vom Osten Irans in Richtung Westen immer kleinere Dimensionen an. Die größten Fischfiguren dieses Designs finden wir auf  Teppichen aus dem  Osten Irans, insbesondere aus den Städten Qaen, Torbat-e Jam und Torbat-e Haidari, während die  kleinsten Fischfiguren auf den Teppichen aus Zentraliran und dem westlichen Kurdistan erscheinen.

Eine seltene alte Version  des Mahi-darham –Designs  hat man – wenn auch in geringer Anzahl vor kurzem in der Gegend von Arak, der Zentrale der Markazi-Provinz,  gefunden. Dieses Motiv ist heute nicht mehr üblich. Es wird auch  „Morgh wa Mahi“ - Vogel und Fisch – genannt und  besteht aus der Abbildung von zwei Vögeln anstelle von zwei Fischen oder aus Vögeln und Fischen, die ein Wasserbecken umkreisen.  Dieses Bild ist vor langer Zeit auch auf Münzen abgebildet worden.

 

                                         

Ein anderes Tierbild in iranischen Teppichmustern ist der Löwe. Die Entstehung des Löwen-Designs (schir-naqscheh) lässt sich auch wieder mit den mythologischen Ursprüngen erklären. Die Verwendung des Löwenbildes in der Antike war besonders in der Provinz Fars üblich, was wir an den Steinreliefen an der  Achämenidenpalastanlage Tacht-e Dschamschid (Persepolis) sehen. An den Treppen zum Apadana-Palast ist der Kampf eines Löwen mit einem Stier abgebildet. Auch aus der Zeit der Sassaniden sind viele Gefäße  und Gewebe mit der Abbildung von Löwen erhalten geblieben und auf Siegeln dieser Herrscherdynastie nach Christus und ihren Vorgängern, den Arsakiden, sind ebenso Löwenbilder zu sehen. 

 

Gemäß Archäologen verbildlichte der Löwe in der Antike vor allen Dingen die Pracht und Macht der Könige. Wahrscheinlich war der Löwe  in antiken Kulten wie dem Mithraismus außerdem Symbol für Licht und Sonne. Aber es gab auch Kulte, bei  denen der Löwe als die Verkörperung des Bösen galt. Dies sieht man zum Beispiel an der Geschichte von einem Löwen in dem alten Erzählbuch Kalila  wa Dimna, der eine Kuh tötet.

Nicht nur auf Teppichen sondern auf vielen Geweben und Stoffen aus der Gegend von Lorestan im Westen des Landes  begegnen wir Abbildungen von Tieren, die denen auf antiken Werken aus der Provinz Fars sehr ähneln und bei denen das Löwenbild öfters vorkommt. Dabei wird dieses Tier immer prächtig und als Sieger eines Kampfes  dargestellt.

Das Bild vom  Löwen und dem Zweikampf von Tieren ist eines der wichtigsten Bilder in iranischen Teppichmustern mit Tieren aber meistens finden wir solche Abbildungen im Teppichrand in kleinem Format zur Verzierung als Feinmusterung (riz-naqscheh bzw. Negareha  genannt).

                        

 

Schließlich ist noch zu sagen, dass der Grund für die Verwendung dieser Formen und Figuren auf dem iranischen Teppichs sich heute auch vom besten Mythologen und Historiker nicht sicher und vollständig deuten lassen. Doch lässt sich sagen, dass diese Muster aus den gemeinsamen Denken von Völkern hervorgegangen sind  und daher klingt uns auch die Beschreibung ihrer Ursprünge nicht fremd. Himmel und Erde, Bäume, Blumen  und Wasser  werden von allen Kulturen  ähnlich gedeutet und verbinden uns ein wenig mit der tatsächlichen und gedanklichen Welt unserer Vorfahren.  Für die Künstler unter unseren Vorfahren waren die Tiere von größerer Bedeutung und nahmen einen höheren Rang ein als heute.

 


 

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