Teil 769: Sure Fatir (Der Erschaffer) Verse (1- 2)
Nachdem die Besprechung der Sure 34, Sure Saba, abgeschlossen ist, wenden wir uns der nächsten Sure zu. Diese Sure 35, die nach dem Wort Fatir, das im ersten Vers vorkommt, benannt ist, wurde in Mekka offenbart und umfasst 45 Verse.
Ihre Verlesung wird wie 113 der 114 Koransuren begonnen mit
bismillahir rahman-ir rahim –
Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Gütigen
(35: 1- 2)
Danach heißt es im ersten Vers:
الْحَمْدُ لِلَّـهِ فَاطِرِ السَّمَاوَاتِ وَالْأَرْضِ جَاعِلِ الْمَلَائِكَةِ رُسُلًا أُولِي أَجْنِحَةٍ مَّثْنَىٰ وَثُلَاثَ وَرُبَاعَ ۚ يَزِيدُ فِي الْخَلْقِ مَا يَشَاءُ ۚ إِنَّ اللَّـهَ عَلَىٰ كُلِّ شَيْءٍ قَدِيرٌ
„(Alles) Lob gehört Allah, dem Erschaffer (Fatir) der Himmel und der Erde, Der die Engel zu Gesandten gemacht hat mit Flügeln, (je) zwei, drei und vier! Er fügt der Schöpfung hinzu, was Er will. Gewiss, Allah hat zu allem die Macht.“ (35: 1)
Wie viele andere Suren des Korans, zum Beispiel die Sure 1, Sure Hamd, beginnt auch die Sure Fatir mit dem Dankes- und Lobpreis Gottes. Gott gebührt Lobpreis, weil er mit Seiner Macht das Dasein in all seiner Größe erschaffen hat. Er lässt Seine Anweisungen durch die Engel umsetzen, die er ebenso erschuf. Jede Gruppe von Engeln übernimmt eine besondere Aufgabe und so kommt es, dass ihre Fähigkeiten unterschiedlich sind. Wenn Gott im Koran davon spricht, dass die Anzahl ihrer Flügel verschieden ist, so ist das wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass sie verschiedene Kapazitäten besitzen. Die Engel sind ja keine stofflichen Wesen und deshalb ist der Begriff der Flügel, welcher eine stoffliche Erscheinung beschreibt, nicht auf diese abstrakten Wesen übertragbar. Vielmehr dient das Wort Flügel in diesem Vers nur für eine gedankliche Annäherung an die Merkmale der nicht-stofflichen Wesen namens Engel, ähnlich wie die Wörter „Arch“ ( Thron) und Luh (verborgene Tafel) oder Qalam (verborgener Stift) nur zur Annäherung an die wahre Beschaffenheit der im Verborgenen liegenden Dinge dienen.
Nach dem Hinweis auf die Engel heißt es weiter im ersten Vers der Sure Fatir, dass Gott, der Fatir – der Schöpfer - auch nach der Schöpfung, immer wenn Er das will, etwas erschafft. Keiner soll denken, dass es nur die Erstschöpfung gegeben hat und Gott die Welt sich selber überlassen hätte. Vielmehr hält der göttliche Schöpfungsakt an und geht genausowenig zu Ende wie Seine ewige Allmacht.
Wir sehen:
Erstens: Gott hat die Schöpfungsordnung aufgrund des Prinzips von Ursachen und Folgen erschaffen. Er hat die Macht zu allem, aber er lässt Seine Planungen für die Angelegenheiten der Welt durch die Engel durchführen.
Zweitens: Gott kann mühelos etwas Neues erschaffen und das Dasein ist im Begriff sich zu entfalten und weiterzuentwickeln.
Drittens: Die Engel haben unterschiedliche Aufträge. Sie haben sowohl den Auftrag zur immateriellen Lenkung als auch Aufträge in Bezug auf die Schöpfung.
Es folgt der Vers 2 der Sure Fatir:
مَّا يَفْتَحِ اللَّـهُ لِلنَّاسِ مِن رَّحْمَةٍ فَلَا مُمْسِكَ لَهَا ۖ وَمَا يُمْسِكْ فَلَا مُرْسِلَ لَهُ مِن بَعْدِهِ ۚ وَهُوَ الْعَزِيزُ الْحَكِيمُ
„Was Allah den Menschen an Barmherzigkeit auftut, das kann keiner zurückhalten. Und was Er zurückhält, das kann keiner nach Ihm freigeben. Und Er ist der Allmächtige (Siegreiche) und Allweise.“ (35: 2)
Im ersten Vers der Sure Fatir ging es um die Schöpfungsmacht Gottes und im zweiten Vers geht es nun um Seine große Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit ist die Basis der Erschaffung und jedes erschaffene Lebenswesen bedarf ihrer. Sowohl das Leben als auch die Versorgung, die für das Leben notwendig ist, wird aufgrund der göttlichen Barmherzigkeit an jedes Lebewesen vergeben und niemand kann dies verhindern. Wenn Gott jedoch Seine Barmherzigkeit von einem Lebewesen wegnimmt, so kann dies keiner ausgleichen.
Das arabische Wort „Rahmat“, welches hier mit Barmherzigkeit übersetzt wurde, bedeutet nicht nur Güte und Liebe im Sinne eines Gefühls, sondern der Begriff umfasst alle Segensgaben, die Gott schickt. Alles was der Mensch von Gott erhält, ist göttliche Rahmat, göttliche Barmherzigkeit, ob nun materieller oder immaterieller Art, ob in Form Seiner Schöpfung oder in Form des Religionsgesetzes.
Zum Schluss dieses Verses werden zwei Eigenschaften Gottes hervorgehoben – einerseits seine unendliche, unbesiegbare Macht und andererseits seine allumfassende Weisheit. Alles göttliche Handeln geschieht aufgrund Seiner Macht und Weisheit und aufgrund Seiner Erwägung von Wohl und Nützlichkeit. Wenn immer es zum Wohle Seiner Geschöpfe ist, erschafft Gott in Seiner Allmacht und vergibt Gaben und dort wo es nicht zum Wohle ist, vergibt er diese Gaben nicht und daran ändert sich nichts, selbst wenn alle Welt sich zusammentun würde, um das Gegenteil zu erreichen.
Wir können uns abschließend Folgendes merken:
Erstens: Die göttliche Barmherzigkeit ist das Grundprinzip in der Schöpfung. Sie kommt an erster Stelle, und steht über Seinem Zorn, es sei denn der Mensch hat sich selber die Möglichkeit versperrt, Gottes Barmherzigkeit zu empfangen.
Zweitens: Der Macht und Wille Gottes ist mit Seiner Weisheit verbunden. Wenn Gott etwas nicht durchführt, so nicht deswegen, weil er das nicht könnte, sondern weil dies gemäß seiner Weisheit nicht nötig und nicht angemessen ist.