Dez 09, 2017 13:41 CET

Wir begrüßen Sie, liebe Freunde, wieder zu unserer Koranexegese. Dieses Mal möchten wir die Verse 18 bis 21 der Sure Fatir (Sure 35) näher betrachten.

Der Vers 18 ist etwas länger als die anderen drei Verse.  Er lautet:          

(35: 18- 21)             

 

 وَلَا تَزِرُ وَازِرَةٌ وِزْرَ أُخْرَىٰ ۚ وَإِن تَدْعُ مُثْقَلَةٌ إِلَىٰ حِمْلِهَا لَا يُحْمَلْ مِنْهُ شَيْءٌ وَلَوْ كَانَ ذَا قُرْبَىٰ ۗ إِنَّمَا تُنذِرُ الَّذِينَ يَخْشَوْنَ رَبَّهُم بِالْغَيْبِ وَأَقَامُوا الصَّلَاةَ ۚ وَمَن تَزَكَّىٰ فَإِنَّمَا يَتَزَكَّىٰ لِنَفْسِهِ ۚ وَإِلَى اللَّـهِ الْمَصِيرُ  

„Und keiner nimmt die (Sünden-)Last eines anderen auf sich. Und wenn ein  Schwerbeladener (zum Mittragen) seiner Last aufruft, wird nichts davon (für ihn von einem anderen) getragen, selbst wenn es  sich dabei um einen Verwandten handeln sollte. (O Prophet!)  Du kannst nur diejenigen warnen, die ihren Herrn im Verborgenen fürchten und das Gebet verrichten. Und wer sich läutert, läutert sich nur zu seinem eigenen Vorteil. Und zu Allah ist der Ausgang (aller).“ (35: 18)

                                     

                                  

Der obige Vers verweist auf einen Glaubensgrundsatz  der Muslim,  nämlich dass Gott gerecht ist. Es heißt, dass am Jüngsten Tag nur die Taten des Menschen selber zählen, wenn Gott über die Belohnung oder die Strafe entscheidet. Keiner kann jemanden - wie im Leben -  einen Gefallen tun und - aus Kameradschaft oder weil es ein Familienangehöriger ist - etwas von seiner Schuld übernehmen. Auch wird Gott niemals die Last einer Sünde bei der Berechnung der Taten der Menschen einem anderen aufladen. Das wäre ja ungerecht.  Am Jüngsten Tag ist also jeder für seine eigenen Taten verantwortlich und muss dafür Rede und Antwort stehen. An diesem Tag kann sich niemand für seine Sünden  damit entschuldigen, dass er in einem verdorbenen Milieu oder einer sittenlosen Gesellschaft gelebt hat.

 

Wenn jemand andere zur Sünde anspornt, ist er allerdings entsprechend dem Anteil,  den er an den Sünden der anderen gehabt hat,  auch an deren Strafe mitbeteiligt. Wenn jemand aber - im Gegenteil  dazu - andere zu guten Taten angespornt hat, so hat er auch entsprechend an ihrer Belohnung  Anteil.

                         

Daraufhin verweist der Vers 18 der Sure 35 noch indirekt auf die  Ursache der Sünden, nämlich die Besudelung der Seele. Denn nur jemand der dem folgt was Recht ist und sich von dem Hässlichen enthält, wird nach Recht und Wahrheit suchen und nach Reinheit und einer gesunden Seele streben.  Bei Leuten, bei denen das Gegenteil der Fall ist, können selbst die Worte des Propheten keine Wirkung mehr haben. Sie wachen nicht auf und werden nicht klug. 

Wir können uns merken:

 

Erstens:  Am Jüngsten Tag bilden die Sünden eine schwere Last auf den Schultern des Menschen.

Zweitens:  Im Leben sollten wir uns von keinem, der uns zur Sünde ermuntert, etwas einreden lassen, wenn er sagt: Keine Angst, wenn es eine Strafe geben sollte, dann übernehme ich die Schuld dafür!

Drittens:  Für seine Sünden ist jeder selber verantwortlich und  wir werden nicht für die Sünden anderer bestraft.  Aber wenn wir nicht der Pflicht nachkommen, das Schlechte zu verwehren und die anderen nicht von der Sünde und dem hässlichen Handeln abhalten, so werden wir mitbestraft,  weil wir gegenüber den Sünden der anderen geschwiegen haben.

Viertens:  Am Jüngsten Tag hängt das Schicksal eines jeden von uns von seinen eigenen Taten ab. Andere können nichts für uns tun, selbst die allernächsten Verwandten nicht.

                     

Es folgen die Verse 19 bis 21 der Sure Fatir:

 

  وَمَا يَسْتَوِي الْأَعْمَىٰ وَالْبَصِيرُ                               

„Nicht gleich sind der Blinde und der Sehende,“ (35: 19)

 

وَلَا الظُّلُمَاتُ وَلَا النُّورُ

noch die Finsternisse und das Licht, (35: 20)

 

وَلَا الظِّلُّ وَلَا الْحَرُورُ

noch der Schatten und die (Sonnen)hitze. (35: 21)

                        

In diesen Versen werden  allegorisch die Gläubigen mit den Ungläubigen verglichen und der Leser oder Zuhörer wird gefragt: Ist jemand der blind ist und nichts sehen kann gleich dem, der nicht blind ist und alles sieht?  Die Antwort ist klar. Der Blinde und Sehende  hat ein anderes Bild von der Wahrheit. Der eine empfindet nur Dunkelheit  und der andere sieht alles klar und hell. Es ist, als ob der eine immer im Schatten lebt  und der andere immer im Sonnenlicht.  Keiner hat einen Einfluss darauf, dass er als Blinder auf die Welt kommt oder mit gesunden Augen. Jeder kann jedoch darüber entscheiden,  ob er  glaubt, d.h. mit dem Herzen sieht oder nicht glaubt, d.h.  innerlich blind ist.   Jeder kann den Weg des Unglaubens wählen und in der Finsternis des Unglaubens versinken und sich selber die Möglichkeit versperren, die verborgenen immateriellen Wahrheiten zu sehen. Jeder  kann umgekehrt im Lichte des Glaubens sehend werden und die göttliche Rechtleitung nutzen.

                        

Es gibt noch weitere Verse im Koran, die hervorheben, dass Gott die Propheten und die Himmelsbücher gesandt hat, damit die Menschen aus den Finsternissen ins Licht geleitet werden. Die  Anführer des Glaubens und die Abgötter aber sind laut Koran bestrebt, die Menschen aus dem Licht in die Dunkelheit zu verschleppen.

In der Natur erhalten die Lebewesen von den Pflanzen bis zu den Tieren und dem Mensch durch das Licht und  Wärme der Sonne die Fähigkeit zu  leben  und wenn das Licht und die Wärme der Sonne nicht die Erde erreichen würden,  würde überall Dunkelheit auf ihr herrschen und alle Lebewesen würden vernichtet werden.

Ähnlich ist es mit der Seele des Menschen – das Seelenleben des Menschen braucht das Licht Gottes. Dieses Licht spendet ihm die Vernunft und die Gott gegebene Veranlagung (Fitra) und weiteres göttliches Licht erhält er von außen  durch die Gottgesandten.

 

Wir können uns merken:

Erstens: Durch den Vergleich zwischen dem Guten und dem Schlechten und dem Leben der wahren  Gläubigen und der Ungläubigen können wir den Weg vom Irrweg unterscheiden und uns davor schützen, Atheist oder Polytheist zu werden.

Zweitens:  Die Religion verleiht dem Menschen Einsicht und erhellt sein Herz, so dass er die geistigen Voraussetzungen  für die Rettung vor den Finsternissen mitbringt.  

Drittens: In dem obigen Vers kommt das Licht in der Einzahl vor während die Finsternisse in der Mehrzahl sind. Der Weg Gottes  ist nämlich ein einziger, aber die Wege der Abweichungen sind zahlreich.