Islam richtig kennenlernen (115 - wichtige Voraussetzung für den Lotsen)
So gut wie alle islamischen Rechtsschulen sind davon überzeugt, dass der Nachfolger des Propheten des Islams wie dieser großes Wissen besitzen muss, damit er die Menschen rechtleiten und lenken kann.

Im letzten Teil haben wir Aspekte einer Eigenschaft der Imame besprochen, nämlich die Ismat. Dies ist eine innere Kraft, die den Menschen absichert gegenüber Faktoren der Verdorbenheit und Sünde. Diese Kraft beruht auf dem Wissen über die Folgen der Sünde. Die Imame besitzen dennoch wie alle andere die Möglichkeit sich für schlechte und gute Taten zu entscheiden, aber sie halten sich von allem Bösen fern. Das Amt des Imamat erfordert also die Lauterkeit und Ismat. Denn es ist Aufgabe der Imame die Religion darzulegen und das Gesetz Gottes zu schützen. Also darf der Imam nicht im Geringsten geistig oder mit seinen Taten von den Grundsätzen der Religion abweichen, denn dann könnte ihm das Volk nicht mehr vertrauen. Bei der geringsten Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Imam irrt oder sündigt, würde das Vertrauen in ihn ins Schwanken geraten und er könnte kein würdiger Lehrer mehr für alle sein. In Wahrheit ist nur dann das Wort und der Standpunkt des Imams für die Menschen ein Hudschat – ein Beweis – und wird er von ihnen als Nachfolger des Propheten anerkannt, wenn sich in seinen Worten und Taten die Wahrheit des Islams widerspiegelt. Sollte ein Imam einen Fehler machen, dann führt er die Allgemeinheit auf Abwege und sollte er seinen eigenen Wünschen und Neigungen folgen, dann opfert er das Wohl des muslimischen Glaubensvolkes seinen eigenen Interessen. Also muss ein Imam, der Nachfolger des Propheten Gottes ist und die Verantwortung der Rechtleitung und Führung der Umma – des muslimischen Volkes – übernimmt, Ismat besitzen. Er muss bei der Darlegung der Gebote der Religion und bei ihrer Umsetzung von jeglichem Irrtum und Verstoß rein sein, damit die Menschen ihn sich zum Vorbild nehmen, sich nach seinen Worten und seinem Denken und seiner Vorgehensweise richten und seinem Weg folgen.
Zu den weiteren erforderlichen Eigenschaften des Imams zählt sein Wissen. Der Prophet ist der Begründer der Religion und der Imam ihr Beschützer und die Instanz an den sich die Menschen auf der Suche nach dem Islamischen Wissen wenden. Sowohl der Prophet als auch die Imame wurden von Gott bestimmt, mit dem Unterschied, dass der Prophet Offenbarungen und die Gebote und Verbote erhielt, aber die Imame nicht. Ein Imam ist nur der Erbe des Wissens und der Lehren, die auf den Propheten herabgesandt wurde. Er kennt aber Einzelheiten dieser Lehre und kann den Menschen das wahre Wesen der Religion darlegen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen aufgrund von Gerechtigkeit und Wahrheit ein Urteil fällen.
Bei näherer Untersuchung des Imamats wird uns schnell klar, dass niemand diesem Amt angesichts der schwierigen Aufgaben mit denen es einhergeht, ohne Wissen und Erkenntnis gerecht werden kann. Im Koran und der Überlieferung wird Wissen und Kenntnis für die Übernahme von Verantwortungen in der Gesellschaft vorausgesetzt und die Unwissenheit heftig getadelt. Wie kann man also daran zweifeln, dass der Imam Wissen besitzen muss und der Ansicht sein, das Imamat erfordere kein solches?! Das Imamat eines Unwissenden ist sowohl von der Vernunft her als auch aufgrund der Verse des Korans etwas Irrationales und steht im Widerspruch zu der allgemeinen Rechtleitung der Geschöpfe durch Gott. Folglich kann jemand, der den richtigen Weg nicht kennt und zwischen zahlreichen Unbekannten ratlos umherirrt, nicht der Imam und der Wegführer eines großen Teils der Weltbevölkerung sein. Gott spricht in dem Vers 35 der Sure Yunus, Sure 10:
„…Hat jemand, der zur Wahrheit leitet, ein größeres Anrecht darauf, dass man ihm folgt, oder jemand, der nur (dann) die Rechtleitung findet, wenn er (selbst) rechtgeleitet wird? …....
أَفَمَن یَهْدِی إِلَى الْحَقِّ أَحَقُّ أَن یُتَّبَعَ أَمَّن لَّا یَهِدِّی إِلَّا أَن یُهْدَى

Die Lehren des Propheten Gottes waren zweifelsohne eine vitale Quelle für das Wissen der Imame. Prophet Mohammad hat die hohen Lehren der Religion an die Imame nach ihm weitergegeben, nämlich das Wissen und die Gebote, die ihm der Offenbarungsengel Dschibril (Gabriel) überbracht hat. Die Imame folgen also den Lehren des Propheten und habe diesen von ihm geerbt. Dieses kostbare Erbe des Propheten ist von einem Imam auf den nächsten übergegangen. Was die Imame sagten, ist also in Wahrheit das Erbe des Propheten.
Der Koran ist die zuverlässige Wissensquelle für die Imame. Aus ihm geht alles religiöse Wissen und gehen die religiösen Gebote hervor. Dieses Heilige Buch enthält ein vielschichtiges Wissen und nicht jeder hat Zugang zu allen seinen Bedeutungsebenen. Die Imame sind jedoch dazu in der Lage und kennen die verborgenen Bedeutungsinhalte. Sie sind mit der Erklärung und Deutung der Koranverse vertraut, kennen ihren Offenbarungsanlass, ihre besondere und allgemeine Bedeutung, die eindeutigen Verse und die Verse mit mehrfacher Bedeutung und alle Feinheiten des Korans. Sie leiten die Gebote und Bestimmungen des Islams aus dem Koran ab. Daher hat der Prophet in dem berühmten Thaqalain-Hadith, auf das wir bereits hingewiesen haben, die Imame aus seinem Haus neben den Koran gestellt und gesagt:
„Ich hinterlasse unter euch zwei gewichtige (und kostbare ) Dinge, und ihr werdet, wenn ihr es übernehmt und euch daran festhaltet, niemals in die Irre gehen: Das Buch Gottes und meine Familie, meine Ahl-i Bait.“

Der Prophet Gottes hat außerdem hinzugefügt, dass der Koran und die Ahl-i Bait sich bis zum Jüngsten Tag nie voneinander trennen werden. Mit dieser Aussage hat er also verkündet, dass alles was die Imame aus seinem Hause sagen und was sie tun im Einklang mit dem Koran steht. Er hat also ihr Vorgehen als richtig bestätigt und sie als Quelle des Wissens vorgestellt, an welche sich die Muslime nach ihm wenden können. Demnach ist es die religiöse Pflicht aller Muslime, sich an die Imame zu wenden um von ihnen mehr über die religiösen Lehren zu erfahren.
Imam Ali (Friede sei ihm) hat über die Stufe des Wissens der Imame wie folgt gesagt: „Das Geheimnis des Propheten wurde ihnen anvertraut und jeder der bei ihnen nach Rat und Schutz sucht, hat den Weg zur Wahrheit gefunden. Sie sind die Schatzkammer des Wissens des Propheten und der Gebote seines Religionsgesetzes. Bei ihnen sind der Koran und die Sunna (die Vorgehensweise des Propheten)sicher. Sie behüten die Religion wie ein hoher Berg und durch sie bleibt das Rückgrat des Islams aufgerichtet und erhalten.“
Der Imam ist mehr als jeder anderer über die Kenntnisse, welche das Wohl des Menschen und seine Vervollkommnung erfordern, im Bilde. Dies zeugt für sein überragendes Wissen. Demnach mangelt es jemandem, der Wissenslücken über einige Gebote und Bestimmungen der Religion aufweist, an der nötigen Kompetenz für die Übernahme des Imamats. Imam Sadiq (Friede sei mit ihm) hat gesagt:
„Die Imame erben das Wissen des Propheten und aller Propheten und Nachfolger und Gott bestimmt nie einen Hudschat (einen Beweis) auf der Erde, der, wenn ihm eine Frage gestellt wird, sagt: Ich weiß es nicht!`“
In seiner Abhandlung über das Imamat hat Nasir ad-Din Al-Tusi (13. Jahrhundert) geschrieben: Zu den besonderen Eigenschaften des Imam gehört, dass er alle religiösen und weltlichen Dinge und Zusammenhänge, welche er für die Erfüllung (der Aufgabe) des Imamats braucht, kennt wie die religionsgesetzlichen Gebote, die Politik und guten Sitten der Führung und die Abwehr der Gegner und weiteres. Denn wenn er diese nicht kennt wird er nicht in der Lage sein, die Menschen anzuführen.“
Wenn also jemand in einigen Fragen, für die die Menschen eine Antwort brauchen, kein ausreichendes Wissen besitzt, kann er nicht der Nachfolger des Propheten sein und dessen Botschaft weitergeben. Er kann nicht der Beweis Gottes für die Weltbewohner sein, auf den sich die Menschen gegenüber den Anhängern anderer Rechtsschulen und Religion und den Vertretern falscher Ansichten berufen können.
Insgesamt lässt sich also sagen, dass der Imam im wahrsten Sinne des Wortes ein außerordentlicher Experte für Religionswissen ist, er kennt alle Seiten und Details der Religion. Er weiß besser über alle Dinge, die für das Wohl der Menschen und für ihre Religion und ihr Leben wichtig sind, Bescheid als jeder andere. Nichts kann ihn davon abhalten, den Grundsätzen der Religion treu zu bleiben. Sein großes Wissen stammt aus der Quelle des göttlichen Wissens und der göttlichen Weisheit.
Imam Rida (Friede sei mit ihm) sagt über das Wissen des Imams:
Der Imam ist der Einmaligste seiner Zeit, an dessen Stufe kein Gelehrter heranreicht und für den es keines gleichen gibt. Gott hat den Propheten und Imamen die Gunst beschert und ihnen aus der Schatzkammer seines Wissens und seiner Weisheit das verliehen, was er den anderen nicht verleiht. Ihr Wissen steht über dem Wissen der besten Gelehrten unter den Menschen ihrer Zeit. Wenn Gott einen Diener für die Angelegenheiten seiner Diener aussucht, denn weitet er ihm die Brust und er hinterlegt in seinem Herzen Quellen der Weisheit … er ist von Irrtümern und Sünden sicher und Gott bestimmt nur ihn für diese Angelegenheit, damit er für seine Diener Hudschat – der Beweis – sei.