Iranisches Kunsthandwerk (39 nach dem Qali der Gelim)
Ein Teppich nennt sich auf Persisch Qali oder Farsch. Farsch bedeutet generell „ausbreitbar“ , „auf dem Boden auslegbar“. Dennoch meinen viele Teppichfachleute und die Mehrheit der Bürger mit „Farsch“ eine besondere Teppichart. Aber der Begriff umfasst in Wahrheit alle möglichen Bodenbelege und nicht nur den handgeknüpften Qali sondern auch Gelim, Zillu, Pelas, Namad, Dschadschim und Hasir.
Wir haben über die Kunst des Teppichknüpfens gesprochen und über Farben und Muster des Persischen Teppichs , der in der Landessprache auch Qali genannt wird. Heute möchten wir von einer anderen Art des Bodenbelags sprechen, nämlich dem Kelim, der sich in der Landessprache Farsi Gelim nennt.
Der Kelim ist möglicherweise der erste Bodenbelag, den der Mensch benutzte. Die Geschichte des Kelims beginnt ungefähr 6 Tausend Jahre vor Christus, was nichts anderes bedeutet, als dass man damals das Spinnen von Fäden aus Wolle kannte.
Im alten Iran hat man Anhaltspunkte dafür gefunden, dass es Webstoffe und Webteppiche wie den Gelim gab.
Anfangs waren die Kelims bzw. Gelims ungemustert und bestanden aus ungefärbter Wolle. Erst später nach dem Kennenlernen der Färbmittel wurden sie auch farbig gemustert. Allerdings werden im Iran unter den Qaschqaschi-Nomaden immer noch Gelime mit ungefärbter Schafswolle gewebt.
An den Funden in den Gräbern der ägyptischen Pharaonen aus dem Jahre 2500 vor Christus lässt sich darauf schließen, dass man dort den Webteppich um diese Zeit kannte. Auf der anatolischen Halbinsel hat man sogar ein Stück Webteppich aus dem 6. Jahrtausend vor Christus gefunden. Der älteste iranische Gelim, denn man kennt, wird in das 3. Jahrtausend vor Christus datiert. Man hat ihn in Westiran entdeckt. Es ist ein einfaches Geflecht aus Kett- und Schussfäden.
Der Kelim oder Gelim wurde anfangs sowohl als Unterlage als auch als Decke benutzt. Bei einigen Volksstämmen in Afghanistan hängt man sich heute noch eine Art Gelim um, der zu 100 Prozent aus Wolle besteht. Er wird beim Schlafen oder Ausruhen zum Zudecken benutzt.
Parallel zu der allmählichen Weiterentwicklung des Webens, gewann der gewobene Teppich an Bedeutung. Es ist einfacher einen Teppich zu weben als zu knüpfen und daher sind von Hand angefertigte Webteppiche auch verhältnismäßig billiger als die Knüpftteppiche.
Der Gelim lässt viel Raum für Kreativität und neue Ideen. Laut Fachleuten geben die Muster und Farben, die in verschiedenen Gegenden auf dem Dorf und von den Nomaden in Iran gewebt werden, einen Eindruck von deren Bräuchen und Überzeugungen. Webteppiche sind älter als Webstoffe und beide Handwerke gehen wahrscheinlich auf das Korbflechten zurück.
Der Gelim wird aufgrund des Webmaterials nach Wolle-, Baumwolle- und Seidengelim unterschieden. Bei einigen Gelims bilden die horizontalen Schussfäden auf beiden Seiten das Muster. Die horizontalen Schussfäden werden abwechselnd über oder unter nebeneinanderliegenden Kettfäden auf dem Webstuhl geführt. Sie werden fest genug mit einem Kamm (Kammklopfer) aneinander geklopft, so dass die vertikalen Kettfäden verdeckt sind. Alle Muster sind damit Ergebnis der nebeneinander gesetzten Schussfäden mit unterschiedlichen Farben:
Beim traditionellen iranischen Gelim wird die Wolle natürlich mit pflanzlichen Färbmitteln gefärbt. Manchmal wird der Gelim auch mit schwarzem Tee oder mit Walnussschalen gewaschen um einen besonderen Farbeffekt zu erzielen. Der Gelim ist rechteckig und die üblichen Größen sind 70 mal 100 cm, 100 mal 150 cm und 200 mal 300 cm. Der Webteppich Gelim unterscheidet sich also auch im Format vom Knüpfteppich. Der Gelim wird normalerweise außerdem nicht wie der Knüpfteppich nach einer Vorlage angefertigt sondern frei nach dem Gefühl des Webers.
Die traditionellen Gelimformate haben mit den Abmessungen der Nomadenzelte zu tun. Die meisten Gelims haben eckige Muster (Hendesi, schekasteh ) . Es sind Rauten, Dreiecke, Quadrate oder Sechsecke. Dargestellt werden Blumen und Sträucher und Bäume, sowie Vieh und wilde Tiere und vieles mehr.
Ein wichtiger Punkt bei einem echten Gelimgewebe der früher auch bei den Nomadenteppiche beachtet wurde aber heute in Vergessenheit geraten ist, stellt die Verwendung von Ziegenhaar für den Teppichrand und für Gelims dar. Ziegenhaar ist völlig wasserdicht und verhindert Schäden durch Insekten wie Motten und Termiten.
Es gibt drei Techniken für das Weben eines Gelims. Die einfachste davon ist sadeh-baaf (einfaches Gewebe). Dabei kommen die Schussfäden abwechselnd über oder unter die Kettfäden zu liegen. Das Muster ist bei diesem Gelim nur auf einer Seite zu sehen und normalerweise wird keine Vorlage benutzt. Die Muster auf einem solchen einfach gewebten Gelim sind geometrische eckige Figuren (hendesi - geradlinig) Nur sehr selten sieht man geschwungene Linien auf einem solchen sade-baaf-Gelim. Manchmal wird auf einem einfachem Gelimuntergrund nachträglich mit Wolle ein geradliniges Muster aufgestickt.
Bei einem so genannten Gelim-e bardschasteh wird auf einen einfachen Webuntergrund aufgrund einer Teppichvorlage auf dem Kettfäden Knoten eingeknüpft und dieser Flor wird zum Schluss gekürzt.
Der Verni oder Varni ist ein Webteppich ohne Flor und nur auf einer Seite gemustert. Dieser Teppich wird in der Regel ohne Vorlage von den Nomadenfrauen und Mädchen in der Gegend von Moghan, Arasbaran und Meschkin-Schahr im Nordwesten Irans gewebt.
In westlichen Kurdistan und im östlichen Kerman ist dieser Webteppich auch üblich, allerdings mit anderen Mustern. In Kerman wird er Schiriki-Pitsch genannt.
Die besten iranischen Varnis sind die von dem Schahsaun- Volksstamm. Dieser Volksstamm gehört zu den Einwohnern der Provinz Aserbaidschan und lebt in einem Gebiet im Westen Irans. Die Schahsaun besitzen eine lange Erfahrung mit der Anfertigung von Varnis.
Der Gelim des Schahsaun –Volksstammes ist einer der bekanntesten Webteppiche. Er ist in milden Farben gehalten und alle Muster sind gradlinig. Es kommt nur selten vor, dass sich zwei Gelims der Schahsaun hinsichtlich Farbe und Muster ähneln. Diese Varnis werden in die Anrainerstaaten am Persischen Golf und europäische Länder, wie Italien, Frankreich und Deutschland aber auch in asiatische Länder ausgeführt. Die überwiegenden Farben sind rot (laki) , blau, weiß, zwiebelfarben und hellblau. Varnis gibt es in verschiedenen Größen , als Teppichbrücke und als Rückenlehne und Fußmatte.
Auch die Loren stellen gute Gelims her. Diese sind meist mit den Farben Schwarz, Grün, Blau, Weiß und mit Mustern versehen, die für ihre Gegend Lorestan im Westen Irans typisch ist.
Bekannt ist auch der Harsin-Kelim der Kurden, mit feinen Mustern am Rand und in der Mitte. Auf einem Harsin-Kelim bleibt kein Fleckchen frei. Die Farben sind Weiß, Dunkelblau, Grün, Rot und eine Art Lila.
Der Gelim der Balutschen, die im Südosten Irans in der Provinz Sistan wa Balutschistan leben, gehört auch zu den schönsten iranischen Webteppichen. Wegen der klimatischen Bedingungen führen die Balutschen in ihrer Provinz ständig einen Kampf gegen die raue Natur und ihr größter Wunsch ist viel Wasser und Vegetation. Dieser Wunsch kommt in ihren Gelims zum Ausdruck. Das Muster ihres Gelims setzt sich aus verschiedenen Streifen in unterschiedlichen Farben und mit verschiedenen Motiven zusammen. Typisch für den Balutschen-Gelim sind dunkle Farben wie Braun, Dunkelrot, Kamelfarben und ein sattes Blau zusammen mit hellen Farben wie Gelb und ein helles Rot und Grün.
Es gibt noch weitere traditionelle Gelims die jeder für sich besondere Merkmale und Farben aufweisen und die meisten von ihnen sind im Ausland bekannt. Dazu ، zählen der Turkmen- und Afschar-Gelim , der Zarand-Gelim, Qaschqai – sowie Chamsa-Gelim und weitere.
Die Provinz Ardebil im Norden Irans ist ein wichtiges Gebiet für die Gelimweberei und die Kelims aus dieser Gegend sind weltbekannt und im In- und Ausland gefragt. Die vielen Muster und abwechslungsreichen Farben verleihen dem Gelim aus dieser Gegend besondere Schönheit. Häufig setzt sich das Muster in der Mitte des Teppichfeldes aus dem Motiv Samawar, Sini (Tablett) und Chartschank (Krebs) zusammen und die Ränder schmücken Swastika- und Drachenfiguren.
Das Weben von Gelims ist ausnahmslos in allen ländlichen Gegenden und bei den Nomaden in der Provinz Ardebil üblich. Aber am bekanntesten ist das Dorf Anbaran für seine Gelims.