Iranisches Kunsthandwerk (40 – das Besondere eines Gabbehs)
Heute möchten wir über einen weitere schöne Teppichart Irans sprechen. Es ist der Gabbeh.
In der Geschichte Irans taucht das Wort Gabbeh in einem Bericht über den Empfang des indischen Königs Humayun Gurkani durch den saffawidischen König Tahmasp I, der von 1524 bis 1576 im Iran herrschte, auf. Der indische König war wegen einem Komplott an den Königshof der Saffawiden in Iran geflüchtet. Der iranische König Tahmasp I bereitete ihm einen prächtigen Empfang. Zeremonienleiter war Mohammad Chan Aschraf Oghli. Dieser ordnete laut Bericht an, dass im Empfangssaal große handgeknüpfte Teppiche, Brokat-Teppichbrücken und Gabbehs ausgebreitet werden.
Ein anderer Name für Gabbeh ist Ghalitscheh chersak – soviel wie Bärchen-Teppich. Der Gabbeh ist meistens von kleinem Format und wird von den Lor- und Qaschqai-Nomaden Irans angefertigt. Der Flor des Gabbehs ist lang und er ist weich, weil mehr als ein Schussfaden zwischen die Kettfäden durchgeführt und an die Teppichknoten gedrückt werden. Die Zahl der horizontalen Schussfäden kann drei bis 8 in jeder Reihe betragen. Dadurch wird der Flor dicker und manchmal bis zu einem cm dick.
Der Gabbeh ist ein grob geknüpfter, dicker Teppich, der die Kälte am Fußboden dämmt. Er wurde ursprünglich von den Nomaden angefertigt und benutzt. Anfangs war er völlig ohne Muster. Aber dann haben die Teppichknüpfer ihre Phantasie spielen lassen und inspiriert von der Natur originelle Figuren in ihren Teppich geknüpft und dem Gabbeh einen besonderen Charakter mitgegeben.
Früher waren die Gabbehs naturfarben. Das heißt die Schafswolle wurde nicht gefärbt und in ihren natürlichen Farben, nämlich schwarz, grau und weiß verwendet. Es heißt dass der Weber an einem schönen Tag weiße Wolle verwendete und an einem schlechten schwarze. Mit der Zeit begann man auch pflanzlich gefärbte Wolle zu verwenden. Nachdem der Gabbeh mit seinen phantasievollen Mustern seine Freunde auf dem Markt fand, hat man schließlich auch modernere Muster anstatt der traditionellen verwendet.
Das Muster auf einem Gabbeh scheint aus dem Leben dessen, der ihn geknüpft hat zu erzählen. Es berichtet vom Schafehüten und vom Nomadenleben, der Sonne, Wasser und Feuer, von Regen und Schnee, von Pferden und den schwarzen Nomadenzelten. Der Gabbeh bietet kein einheitliches Bild. Es scheint, als wolle der Gabbeh-Knüpfer der Wiederholung aus dem Wege gehen. Die Inspiration kommt direkt aus der Natur und daher sind die Gabbehs frei von den Verschnörkelungen der städtischen Teppichmuster. Das Muster des Gabbehs wird vom Nomadenleben geprägt und dadurch wird der Gabbeh auch so originell.
Gabbehs unterscheiden sich durch ihre Muster und sogar durch die Farbkombination von anderen handgeknüpften Teppichen. Sie haben ihre eigenen Regeln und Traditionen. Der Gabbeh-Knüpfer ist nicht an einen Entwurf gebunden, also hat er freie Hand. Die meisten Gabbeh-Muster sind gradlinig . Es sind Hendesi-Muster – das heißt sie bestehen aus einfachen eckigen Figuren, die sich oftmals am Rand des Teppichs wiederholen.
Eine wichtige Figur auf einem Gabbeh ist der Löwe. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der hochgeschätzte Imam Ali (a) den Beinamen Schir-e Choda (Gottes Löwe) trug, weil man ihn wegen seinem mutigen Wesen mit einem Löwen verglichen hat. Ohnehin galt ein Kampfheld bereits in der iranischen Antike als jemand, der sich mit dem mächtigen Löwen messen konnte. Der Löwe ist in der iranischen Kultur Symbol von Macht und Pracht gewesen. Die Iraner schätzten diese Figur sehr, insbesondere die Einwohner des antiken Fars. Sie bildeten den Löwen auf Münzen und Siegeln ab und fertigten Löwenskulpturen an.
Das wichtigste häusliche Kunsthandwerk in den Provinzen Buschher und Kohgiluye und Boyer Ahmad im Süden Irans ist die Gabbeh-Anfertigung. Dieses Kunsthandwerk ist aber auch in einigen Gegenden der Provinz Tschahār Mahāl und Bachtiyārī die südwestlich der zentralen Provinz Isfahan liegt und der zentralen Süd- Provinz Fars üblich. In vielen ländlichen Gegenden aber auch in städtischen Gebieten der genannten Provinzen ist das Gabbeh-Knüpfen die wichtigste oder zweitwichtigste Einkommensquelle für viele Haushalte.
Das Gabbeh-Knüpfen ist das typischste Kunsthandwerk aus der Provinz Buschher am Persischen Golf. Die Teppichmotive sind Ziegen und Vögel, Bäume und geometrische Phantasiefiguren. Die Gabbehs aus dieser Gegend werden vor allen Dingen in europäische Länder ausgeführt.
Das Gabbeh-Knüpfen ist auch unter dem Bachtiari-Volk, welches auch Bachtiari-Loren oder Ile-Bachtiari genannt wird, üblich. Ein Teil dieses Volkes führt noch ein Nomadenleben. Die Bachtiaren leben vor allem im Südwesten des Landes in den Provinzen Chuzistan, Lorestan, Tschahār Mahāl und Bachtiyārī und Kohgiluye und Boyer Ahmad in gebirgigen und ländlichen Gebieten. Ihre Gabbehs spiegeln daher neben ihren Bräuchen auch ihr Alltagsleben wieder. Die Bachtiari Gabbehs werden in größerem Format geknüpft und ähneln sich. Die Kett- und Schussfäden sind aus Baumwolle und deshalb heißen sie auf dem iranischen Teppichmarkt Gabbeh Naqi (Garn-Gabbeh). Zu den beliebten Mustern bei den Bachtiaren gehören: Die Sonne, die unter den eingewanderten arischen Völkern als Glückssymbol gilt und Leben und Licht symbolisiert und am Himmel wohnt, die Gol-e hascht- par – nämlich 8-blättrige Blumenblüte, die seit der Antike so heißt, und Serw – die Zypresse,die Wahrzeichen des Lebens ist.
Weitere Motive auf Bachtiari-Gabbehs sind Rauten-Medaillons, das Blumen- und Blätter- Motiv, Enten-Motive und Löwen – und Menschenfiguren . Auch die Gegenstände in ihrer Umgebung liefern Motive für die Bachtiari-Knüpfer, zum Beispiel die Säge mit ihren Sägezacken.
Das Teppichfeld eines Gabbehs ist fast in allen Gegenden von einer hellen Farbe, wie weiß oder milchfarben oder beige und die Muster sind schwarz, braun oder hennafarben.
Der Knüpfstuhl ist waagerecht und die Knüpfer benutzen keinen Entwurf sondern knüpfen aus dem Gedächtnis . Die meisten Gabbeh-Knüpfer haben eine oder mehrere Muster im Kopf . Generell besteht das Muster eines iranischen Gabbehs aus einem Rechteck und einer Reihe von Rauten in der Mitte von diesem und an der Spitze von jeder Raute schließen sich weitere Rauten an. Tier- und Vogelfiguren oder geometrische Figuren können kombiniert werden oder sich wiederholen oder auch nur einzeln vorkommen.
Wenn ein Gabbeh sorgfältig gepflegt wird, hält er sich lange und steigt sogar im Wert. Schäden entstehen durch bestimmte Insekten wie Motten, Termiten und Schaben und Mäuse. Deshalb benutzt man eine spezielle chemische Lösung beim Waschen oder sprüht den Gabbeh von beiden Seiten mit Insektenmittel ein , wenn man ihn in der Abstellkammer aufbewahrt. Tabak oder Naphtalin schützen ebenso vor den Insekten. Einen Gabbeh solle man weder in einer dunklen feuchten Umgebung aufbewahren, noch direktem Sonnenlicht aussetzen. .