Islam richtig kennenlernen (118)
Wir haben über den Sinn des Imamats und die Eigenschaften des Imams gesprochen. Nun möchten wir sehen, welche Vorkehrungen der Prophet Gottes für die Zeit nach ihm getroffen hat.
Der Prophet wusste, dass nach ihm Zwietracht und Missstände unter seinem Glaubensvolk auftreten werden, und um die Grundlage der Religion zu bewahren und das Volk der Muslime zu schützen, suchte er einen geeigneten Nachfolger aus. Als der Prophet starb, verlor die Menschheit einen großen einmaligen Lehrer. Es war klar dass ein Volk, das sich gerade erst aus den Fesseln der Unwissenheit und des Aberglaubens befreit hatte, Gefahr lief wieder rückfällig zu werden. Wie sollte dieses Volk selbständig die hohen Ziele des Begründers der Islamischen Rechtsordnung verwirklichen und die Islamische Lehre schützen?
Doch der Prophet hat die Gläubigen darauf aufmerksam gemacht, dass sie bei zwei gewichtigen Dingen Halt finden werden, nämlich dem Koran und seiner Familie. Gemäß dem diesbezüglichen Hadith Thaqalain werden die Gläubigen niemals vom Weg Gottes abweichen, wenn sie sich nach diesen beiden Größen richten. In diesem Hadith hat der Prophet bestätigt, dass seine Familie und der Koran im Einklang miteinander stehen. Dies ist zugleich eine Bestätigung der Imame in ihrer Bedeutung und eine Bestätigung ihrer Kompetenz hinsichtlich der Beantwortung von religiösen Fragen.
Der Prophet hat jemanden als seine Nachfolger vorgestellt, die mehr als alle anderen mit der Offenbarungslehre und der Verfahrensweise des Propheten vertraut sind und die höchsten Tugenden besitzen. Dank dieser hervorragenden Menschen wird die Fortdauer des Islams gewährleistet.
Damit auch nicht die geringste Unklarheit und Skepsis hinsichtlich der Führerschaft des Muslimvolkes für die Zeit nach dem Propheten aufkommt, hat der Prophet alle Nachfolger nach ihm mit ihren Namen und ihren Merkmalen vorgestellt. So hat er gemäß historischen Dokumenten, auf der Rückkehr von seiner letzten Hadsch-Reise, an einem Ort namens Ghadir-Chum, Imam Ali (Friede sei mit ihm) als seinen Nachfolger bekannt gegeben und gesagt, dass er nach ihm die Gläubigen anführen soll.
Bevor wir im Einzelnen schildern, was sich in Ghadir-e Chum am 18. des Hadsch-Monates ereignet hat, sollten wir einen Blick auf vorherige Ereignisse, die mit der Bestimmung von Imam Ali zum Nachfolger zu tun haben, werfen.
Der Prophet Gottes hat zum ersten Mal schon im dritten Jahr nach seiner Aussendung, als er nämlich von Gott angewiesen wurde, öffentlich den Islam zu verkünden, Ali (F) zu seinem Nachfolger erklärt.
Nachdem Prophet Mohammad (S) drei Jahre lang heimlich die Menschen in Mekka zu dem islamischen Ein-Gott-Glauben eingeladen hatte, befahl Gott ihm, öffentlich die Götzendiener von Mekka zum Islam herbeizurufen und diesen Aufruf bei seinen Verwandten zu beginnen. Dem Propheten wurde der Vers 214 der Sure 26 geoffenbart, indem es heißt: „Und warne die Nächsten deiner Sippe!“ Da lud er seine nahen Verwandten zu einem Gastmahl ein. Es fanden sich ungefähr vierzig Verwandten ein. Aber nach dem Essen störte der Onkel des Prophet Abu Lahab die friedliche Atmosphäre, nachdem er den Grund für die Einladung erfuhr. Daraufhin verließen alle das Haus des Propheten. Aber der Prophet lud seine Verwandten erneut ein.
Nach der Bewirtung stand er auf, um seine Einladung zu verkünden. Erst pries er Gott und sagte dann: Ich schwöre, dass es keinen Gott außer dem Einen Gott gibt und ich Sein Gesandter bin, der zu Euch gesandt wurde. Ich überbringe euch das Wohl und Glück beider Welten!“ Dann fuhr er fort: „Mein Herr hat mir befohlen, dass ich euch zu der Lehre des Islams einlade. Wisset! Derjenige unter euch, der meine Einladung annimmt und mir bei meiner Gesandtschaft zur Seite steht, ist mein Bruder und mein Nachfolger nach mir unter euch.“
Keiner schien eine Antwort geben zu wollen, bis plötzlich Ali ibn Abi Talib aufstand und sagte: „O Mohammad! Ich glaube an den Einen Gott und an deine Berufung und bin bereit, dir bei der Erfüllung des Auftrages, für den du ausgesandt wurdest, zu helfen.“ Der Prophet bat Ali, er solle sich wieder hinsetzen. Dann wiederholte er ein zweites und dann noch ein drittes Mal die vorherigen Sätze und rief seine Verwandten auf, sich zum Islam zu bekennen und ihn zu unterstützen. Aber die Worte des Gesandten Gottes schienen von den Herzen der Anwesenden abzuprallen. Doch Ali, der noch sehr jung war, gab erneut beide Male eine positive Antwort. Da sagte der Prophet schließlich zu seinen Gästen:
„Ali ist mein Bruder und mein Nachfolger unter euch. Also hört auf das was er sagt und folgt ihm!“
Dieses Ereignis gehört zu den klarsten Kapiteln der Geschichte und kein angesehener Geschichtsschreiber hat daran gezweifelt.
Jemand der sich in jenen sensiblen Augenblicken zum Propheten bekannte, hatte sich zweifelsohne auf einen anstrengenden Kampf gegen die eigensinnigen und strengen Götzendiener und auf schwierige zukünftige Bedingungen vorzubereiten. Sein Herz musste natürlich erfüllt sein vom Gottesglauben und der Gottesliebe. In der Tat brachte unter den versammelten Familienmitgliedern des Propheten nur Ali (F) diese Eigenschaften mit. Er ging erfolgreich aus allen darauffolgenden schweren Prüfungen hervor und hat in dem Auf und Ab des Kampfes seine große Opferbereitschaft und einmalige Wahrhaftigkeit bewiesen.
An dieser Stelle wird uns klar, weshalb der Prophet demjenigen, der ihn unterstützt versprochen hat, dass er ihn zu seinem Nachfolger bestimmen und auf den er die Verantwortung für die Zukunft des Volkes der Gläubigen übertragen wird.
In der Sure 59 (Nadschm) heißt es in den Versen 2 bis 4 mit aller Deutlichkeit in Bezug auf den Propheten:
„Nicht in die Irre geht euer Gefährte, und auch nicht einem Irrtum ist er erlegen,
und er redet nicht aus (eigener) Neigung.
Es ist nur eine Offenbarung, die (ihm) eingegeben wird.“
Gemäß dieses Koranverses entspricht alles, was der Prophet sagt, der Offenbarungslehre. Jemand, der auf diese Weise zusammen mit dem, was er sagt, von Gott bestätigt wird, hat gleich zu Beginn seines öffentlichen Aufrufes zum Islam, durch Wahl Alis (F) zu seinem Nachfolger, festgelegt, was nach seinem Tod aus der Lenkung und Verwaltung des Volkes werden wird. Auf diese Weise stand in Wahrheit schon fest, dass Ali nach dem Propheten Imam und Befehlshaber der Muslime sein soll. Wir sehen an dieser Strategie, dass die Nachfolgerschaft direkt vom Propheten und Gott bestimmt wird, und das Volk selber nicht nach Belieben jemanden zum Imam, zum Vorsteher der Umma, bestimmen kann und dies nicht in seinen Kompetenzbereich fällt.
Tabari schreibt in seinem Tarich (Geschichtswerk): Einer der Oberhäupter eines Stammes namens Achnas machte die Befolgung des Propheten und den Treueschwur gegenüber ihm davon abhängig, dass er nach dem Propheten die Leitung übernimmt. Aber der Prophet sagte ihm: „Die Führung nach mir (liegt nicht in meiner Hand sondern) liegt bei Gott und Gott bestimmt den für dieses Amt, den er dafür würdig erachtet.“
Wäre es also richtig, dass wir denjenigen, den Gott und sein Prophet namentlich und unter Nennung seiner Merkmale für die Lenkung der Menschen ausgewählt haben, außer Acht lassen und eine andere Person ihm vorziehen und dies tun, obwohl der Koran den nachstehend zitierten Vers enthält?
In der Sure 33 (Ahzab, heißt es im Vers 36:
„Weder für einen gläubigen Mann noch für eine gläubige Frau gibt es, wenn Allah und Sein Gesandter eine Angelegenheit entschieden haben, die Möglichkeit, in ihrer Angelegenheit zu wählen. …
Am Ende dieses Verses heißt es außerdem, dass jemand sich klar auf dem Irrweg befindet, der nicht auf die Anweisung Gottes und des Propheten hört.
Wenn Gott und der Prophet jemanden zum Vorsteher der muslimischen Gemeinde bestimmt hat, dann können die anderen also keine andere Entscheidung hinsichtlich des Imams treffen. Er ist auf jeden Fall der Imam und das Oberhaupt der Muslime, selbst wenn die Bedingungen dafür, dass er die Regierungsmacht in die Hand nimmt, nicht gegeben sind. Das gleiche gilt auch für die Prophetschaft, d.h. wenn Gott einen Propheten mit seiner Botschaft ausschickt, dann ist er der Prophet und Gesandte Gottes, auch wenn die Allgemeinheit nicht an ihn glauben sollte und nicht auf ihn hören wollte.