Mrz 24, 2018 18:58 CET
  •  Islam richtig kennenlernen (120)

In Fortsetzung des Themas Imamat möchten wir über ein wichtiges Ereignis im 10. Jahr nach der Hidschra sprechen. Als der Prophet seinen letzten Hadsch nach Mekka antreten wollte, strömten die Menschen von nah und fern nach Medina um ihn zu begleiten.  Eine riesige Pilgerkarawane verließ Medina zusammen mit ihrem Propheten. Mekka erlebt einer der prächtigsten Hadsch-Zeremonien aller Zeiten.

Nach Abschluss des Hadsches, die als Abschiedshadsch bekannt wurde, verließ der Prophet zusammen mit der riesigen Schar die Heilige Stadt. Die Pilgerkarawane erreichte unterwegs einen Ort namens Ghadir Chum. Da erschien der Offenbarungsengel Dschibril, (Gabriel) dem Propheten und teilte ihm den klaren Befehl Gottes, wie er in der Sure 5, Maida, im Vers 67 steht,  mit, nämlich:

„O du Gesandter, übermittele, was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn herabgesandt worden ist! Wenn du es nicht tust, so hast du Seine Botschaft nicht übermittelt. Allah wird dich vor den Menschen schützen. Gewiss, Allah leitet das ungläubige Volk nicht recht.

                                   

Mohammad (S) der Gesandte Gottes

 

Der obige Vers richtet sich an den Propheten und fordert ihn auf, den Menschen das mitzuteilen, was auf ihn herabgesandt wurde. Er  enthält die Mahnung, dass der Prophet Gottes Botschaft nicht vollständig übermittelt hat, wenn er dies nicht tut. Der Prophet befürchtete offensichtlich eine negative  Reaktion der anderen und daher  macht Gott ihm Mut, und versichert ihm,  dass Er ihn vor dem Übel der Menschen schützen wird.

Der besondere Ton dieses Verses und  die schrittweise Hervorhebung und ebenso die Tatsache, dass er mit den Worten „O rasul“ – „O Gesandter“  beginnt, sind alles Zeichen dafür, dass es um eine wichtige Angelegenheit geht. Nur in zwei Versen im Koran spricht Gott den Propheten mit „o Rasul“ an und bei anderen Versen, die an ihn gerichtet sind, heißt es „o Nabi“ (O Prophet) . Aus dem Vers lässt sich wie gesagt schließen, dass der Propheten besorgt ist und befürchtet, dass seine Mitteilung bei einigen auf Ablehnung stoßen wird und sie dem Islam und den Muslimen Hindernisse auf den Weg stellen werden, so dass Gott ihm deshalb Mut macht.

                             

Es stellt sich die Frage, welche wichtige Mitteilung der Prophet verkünden soll, ohne deren Bekanntgabe er die  Botschaft Gottes nicht vollendet hat.  Geht es um Glaubensgrundsätze wie die Einheit Gottes oder das Jenseits? Diese Grundsätze hatte der Prophet doch schon gleich zu Anfang seiner Aussendung verkündet  und es waren hunderte von Verse über sie offenbart worden. Ging es dann um Dinge wie das tägliche Gebet, das Fasten, den Hadsch und Dschihad? Auch darüber war den Gläubigen das nötige Wissen mitgeteilt worden. Sollte es sich vielleicht um die Beziehungen der Muslime zu den anderen Völkern oder den Anhängern anderer Religionen handeln? Das kann es auch nicht gewesen sein, denn die Pflichten dazu waren alle bereits klargestellt worden.  Worum ging es dann bei dieser wichtigen Mitteilung?

In Wahrheit gab es gegen Lebensende des Propheten  nichts Wichtiges mehr über die Grundsätze der Religion und Pflichten und Verbote mitzuteilen , bis auf eine wichtige Sache und dies war die offizielle Bekanntgabe dessen, der nach dem Propheten an seiner Stelle die Gläubigen anführen und der die Botschaft Gottes und die Errungenschaften des Propheten bewahren sollte, damit die wahre Religion nicht vernichtet wird.  Genau diese Tatsache ist gemeint, wenn es heißt:

„Wenn du es nicht tust (und nicht verkündet, was dir offenbart wurde) , so hast du Seine Botschaft nicht übermittelt.“

 

                 

O du Gesandter, übermittele, was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn herabgesandt worden ist!

 

Angesichts dem entschiedenen Ton dieses Koranverses, wollte der Prophet nichts mehr verzögern. Er hielt die Karawane an. Ghadir Chum lag genau auf einer Wegkreuzung, an der sich die Karawanen trennen würden und jede in eine andere Richtung ziehen sollte – nämlich nach Medina, Irak , Ägypten oder Jemen.  An diesem Ort musste das letzte Kapitel dieser großen Reise vollendet werden und sollten die Muslime die letzte Anweisung zum Abschluss des Auftrages des Propheten erhalten. Es war der 18. des Hadschmonates im zehnten Jahre nach der Hidschra.

                     

Nachdem der Prophet die Karawane angehalten hatte, gab er Anweisung, dass diejenigen die vorher schon weitergezogen waren, zurückgeholt werden und gewartet wird, bis alle die noch zurückgeblieben waren, ebenso eintreffen würden.  Die Historiografen berichten von einer Zahl von bis zu ungefähr 25 Tausend Pilgern, die versammelt waren. Es war Zeit für das Mittagsgebet. Die Hitze in dieser fast baumlosen Wüste war groß und so richteten die Gläubigen mit einem großen Tuch ein kleines Schattendach für den Propheten her. Nach dem Gebet, fertigten sie mit den Sätteln und Zaumzeug eine Art Kanzel an, die der Prophet bestieg.

Nachdem der Prophet Gott gepriesen und ihm gedankt hatte, sprach er zu der Menschenmenge:

„Ich werde bald der Einladung Gottes folgen und euch verlassen. Ich trage Verantwortung und ihr tragt auch Verantwortung.  Welches Zeugnis legt ihr über mich ab?“

Die Menschen riefen: „Wir bekennen, dass du die Pflicht der Verkündung der Botschaft erfüllt hast. Ebenso dass du wohlgesinnt und nach besten Kräften um unsere Rechtleitung bemüht warst. Gott möge dich reich belohnen.“

Der Prophet sagt: „Bezeugt ihr, dass die Welt nur einen Gott hat und Mohammad der Diener Gottes ist und Sein Prophet  und es keinen Zweifel gibt über das Paradies und die Hölle und das Ewige Leben in einer anderen Wohnstätte?“

Die Gläubigen bejahten es.

Dann sagte der Prophet: „Ich hinterlasse zwei gewichtige Kostbarkeiten unter euch. Wir werden sehen wie ihr nach mir mit diesen beiden verfahren werdet!“

Einer stand auf und fragte, was diese beiden Kostbarkeiten seien.

Der Prophet erklärte: „Das eine ist das Buch Gottes, dessen eine Kante in der Hand des Herrn und dessen andere Kante in eurer Hand liegt.  Das andere ist meine Familie, mein Haus. Gott hat mich wissen lassen, dass diese beiden nie voneinander getrennt werden (bis zum Paradies, wo sie sich mir anschließen) Ihr Menschen eilt diesen beiden nicht voraus und bleibt nicht hinter ihnen zurück (versäumt nicht euer Handeln nach ihnen zu richten) denn dann werden ihr vernichtet.“

Dann rief der Prophet (S) Ali (F) zu sich und hob seine Hand in die Höhe, so dass alle es sehen konnten und er stellte mit lauter Stimme folgende Frage:  „Betrachtet ihr mich nicht als jemanden der würdiger ist als ihr selber?“  Alle sagten: Doch ja, o Prophet Gottes!

Da erklärte der Prophet (S): Gott ist mein Herr, und ich bin der Herr der Gläubigen und stehe höher als sie selber.“

Diesen Worten folgte folgende Verkündigung:

"من کنت مولاه فهذا علی مولاه

 

„Derjenige, dessen Freund und Herr ich bin, dessen Herr ist auch Ali.“ 

Der Prophet wiederholte diesen Satz dreimal, oder viermal, wie  einige berichten. Dann schaute er zum Himmel hoch  und betete:

„Oh Gott, sei der Freund dessen, der ihn zum Freund hat und sei der Feind dessen, der ihn zum Feind hat … Hilf dem, der ihm hilft und unterdrücke den, der ihn unterdrückt, und  gib ihm das Recht, wo er auch ist (und trenne ihn nicht vom Recht).“

 Danach rief der die Anwesenden auf, diese Nachricht allen Abwesenden mitzuteilen.

Der Prophet beendete seine Ansprache. Noch bevor sich die Menschenmenge auflöste,  erschien ihm der Offenbarungsengel und verkündete den Vers 3 der Sure 5 (Maida)

 

„Heute haben diejenigen, die ungläubig sind, hinsichtlich eurer Religion die Hoffnung (auf ihre Vernichtung)  aufgegeben. So fürchtet nicht sie, sondern fürchtet Mich! Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam als Religion für euch zufrieden.“

Nachdem der Prophet Ali als seinen Nachfolger vorgestellt hatten, kamen alle herbei und gratulierten ihm zur Führung über die Muslime.

                     

 

 Die Geschichte aus Ghadir Chum über die Ernennung von Ali zum Statthalter des Propheten wird von mehr als 350 sunnitischen Gelehrten und Hadithkundigen überliefert und sie berufen sich auf insgesamt 110 Azhab des Propheten Gottes, also Gefährten des Propheten zu seinen Lebzeiten. Auch Muhammad Ibn Dscharir Tabari, einer der bedeutenden Historiografen und Koranexegeten der Sunniten bringt diese Überlieferung in seinem Werk.