Mrz 24, 2018 19:02 CET
  • Islam richtig kennenlernen (121)

Im letzten Teil haben wir über das Ereignis von Ghadir Chum gesprochen. Sie erinnern sich, dass dort der Prophet nach seiner letzten Hadschreise vor einer großen Zahl von Pilgern Ali (F) als seinen Nachfolger bekanntgegeben hat. In diesem Zusammenhang sollten wir heute einige zusätzliche Punkte erläutern.

                         

Wie gesagt, hatte Gott dem Propheten gemäß Vers 67 der Sure 5 (Maida)  befohlen, den Gläubigen eine wichtige Botschaft zu überbringen.

Daraufhin hatte der Prophet am 18. des Hadsch-Monates in Ghadir Chum, Ali als den Vorsteher und Fürsorger der Muslime nach ihm vorgestellt.  Das Ereignis von Ghadir Chum und der wichtige Auftrag, den der Prophet an diesem Tag würdig erfüllte, fanden großen Nachklang in der Geschichtsschreibung des Islams und bis auf  einige, die blindem Eifer verfallen sind, hat kein Historiograph versucht, dieses wichtige Ereignis zu verdecken. 

 

Wir sagten bereits, dass über 350 sunnitische Gelehrten und Hadithkundige über dieses Ereignis in Ghadir Chum und die Ernennung Alis zum Nachfolger des Propheten berichten und sich auf hundertzehn der Gefährten des Propheten Gottes berufen, die in Ghadir Chum zugegen waren.  Außerdem haben viele Gelehrte und Forscher in ihren Büchern und Artikeln dieses Ereignis beschrieben.  Damit besteht also keinerlei Zweifel daran, dass es zu diesem Ereignis kam und der Prophet eine solche Botschaft mitteilte. Jedoch gibt es Unterschiede in der Deutung dieser Botschaft. Dies rührt von daher, dass einige sagen, der Prophet habe am Ghadir Chum Tag lediglich Ali als Freund der Gläubigen vorgestellt. Doch es fragt sich ob dies wirklich die Absicht des Propheten (Gottes Segen sei auf ihm und seinem  Hause) hat sein können.

Man bedenke den Inhalt des Verses 67 der Sure 5 nämlich:

„O du Gesandter, übermittele, was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn herabgesandt worden ist! Wenn du es nicht tust, so hast du Seine Botschaft nicht übermittelt…“

Gemäß diesem Vers kann es sich nur um eine sehr wichtige Botschaft handeln und zwar ist sie so wichtig, dass wenn der Prophet sie nicht  mitteilt, es so ist, als ob er seinen Prophetenauftrag nicht erfüllt hätte.  Auch scheint der Prophet Befürchtungen zu hegen, die Botschaft zu überbringen und daher fügt Gott im gleichen Vers seiner Anweisung zur Mitteilung wie folgt zu:  „Allah wird dich vor  den Menschen (und ihrem Übel)  schützen.“ 

Wenn nun jemand denkt, der Prophet habe in seiner Botschaft in Ghadir Chum nur zur Freundschaft mit Ali (Friede sei ihm) aufgerufen, so erscheint es nicht logisch, dass der Prophet (S) deshalb hätte Angst haben müssen.  Denn die Freundschaft zu Ali (F) gehört wie die Freundschaft zu den anderen Gläubigen zur Religion und die Freundschaft unter den Gläubigen gehört von Anfang an zum ABC der Islamischen Brüderlichkeit und niemand hat sie abgelehnt. 

Es muss sich also um ein anderes wichtiges Thema handeln, dessen offizielle Verkündung den Propheten in Sorge versetzt.

                 

  Der Prophet versuchte die Gläubigen geistig auf die  Verkündung der Statthalterschaft Alis (F) nach ihm vorzubereiten, indem er die Menschenmenge fragte: „Betrachtet ihr mich nicht als jemanden, der würdiger ist als ihr selber?“ 

Und die Versammelten bejahten es einstimmig. Auf diese Weise erhielt der Prophet in einer Art Volksbefragung, die Bestätigung, dass er der Wali Amr – der Vorsteher der Gläubigen ist.

Dies steht völlig im Einklang mit dem Inhalt des Verses 6 der Sure Ahzab (Sure 33) wo es heißt:

Der Prophet steht den Gläubigen näher als sie sich selbst,

Nachdem alle bestätigt hatten, dass der Prophet ihr Vorsteher ist, hat dieser sofort hinzugefügt: „Der dessen Herr und Vorsteher bin, dem ist auch Ali Herr und Vorsteher.“

Wenn diese beiden Sätze aufeinander folgen so will der Prophet damit eindeutig sagen: Das Amt des Vorstehers, welches ich euch gegenüber innehabe hat auch Ali inne  und nach mir wird er der Herr und Vorsteher und Fürsorger der Muslime und mein Nachfolger sein!

Für die wahre Deutung des Ereignisses von Ghadir kann es hilfreich sein, wenn wir in Betracht ziehen, wie das Ereignis genau verlief, wie der Prophet sich äußerte und was er konkret tat. Wir sehen, dass der Prophet eine große Menschenmenge von circa 120 Tausend Gläubigen unter der heißen Mittagswüste versammelt, um etwas Wichtiges zu verkünden. Die Pilger, die schon vorausgeritten sind, lässt er zurückholen und er wartet,  bis die, die zurückgeblieben sind, in Ghadir eintreffen. 

Natürlich ist die Freundschaft Alis (Friede sei ihm) etwas sehr Wichtiges, aber um diese allen bekannt zu geben, ist es nicht nötig, dass der Prophet (s) in dieser Form und so unerwartet mitten in der Wüste eine Versammlung von dieser Größe veranlasst und alle diese Vorbereitungen trifft.  Es ist außerdem nicht das erste Mal, dass der Prophet alle zur Freundschaft mit Ali einlädt. Hätte er dies in Ghadir Chum nicht erneut getan, so wäre es auch kein Versäumnis hinsichtlich der Übermittlung der Botschaft gewesen, wie Gott sie im oben genannten Vers 67 der Sure 5 anmahnt, denn schon zuvor wird der Prophet im Vers 23 der Sure 42 (Schura) angewiesen zu sagen, dass die Gläubigen seine Verwandten lieben sollen. Es heißt dort nämlich:

Sag: Ich verlange von euch keinen Lohn dafür, es sei denn die Liebe zu den Verwandten (zu meiner Familie).“ 

                    

Der Prophet hat in Ghadir Chum ausführlich über Glaubensfragen wie die Einheit Gottes, das Prophetentum und das Jenseits gesprochen. Es waren Dinge, mit denen die  Gläubigen allgemein vertraut waren. Neu jedoch war die Mitteilung des Propheten in Ghadir Chum, dass er in baldiger Zukunft die Welt verlassen werde. Der Prophet (s) hat nach dieser Mitteilung sogleich die Nachfolgerschaft und die Wilayat Alis (F) bekannt gegeben.  Daran, dass  der Prophet gleich nach der Mitteilung über seinen herannahenden Tod bekannt gibt, dass Ali (F) sein Nachfolger sein wird, ist doch abzulesen,  dass der Prophet (S) nicht möchte, dass der Platz des Oberhauptes  der Gesellschaft nach ihm leer bleibt. Wäre dem nicht so gewesen und hätte der Prophet nur zur Freundschaft mit Ali eingeladen, wären derartige gewaltige Vorbereitungen nicht nötig gewesen.  Wenn der Prophet Gottes in den letzten Monaten seines gesegneten Lebens in Ghadir Chum jene Maßnahme ergriff, so nur deshalb weil er klarstellen wollte, was aus der Führung des Volkes der Muslime nach ihm wird. Hätte er dies  nicht getan, so wäre es ein Versäumnis in Bezug auf seine Sendung gewesen und es hätte dem Islam geschadet.

Außerdem hat der Prophet nach der Verkündung des Imamats von Ali alle aufgerufen, dass sie  Ali zu dieser Ernennung gratulieren. Viele  Prophetengefährten waren anwesend und haben  Ali gratuliert, unter ihnen Abu Bakr, Omar, Uthman, Talhah und Zubair. Einige der Prophetengefährten  sagten: „Ali, herzlichen Glückwunsch, du bist heute mein Mulah  und der Mulah aller muslimischen Männer und Frauen geworden.“  Nun behaupten aber einige, mit Mulah sei nicht gemeint gewesen, dass Ali ihr Vorsteher war sondern mit Mulah sei Freund gemeint. Wenn dem wirklich so gewesen wäre, warum forderte der Prophet dann alle auf, Ali zu gratulieren? Die Kundgabe der Freundschaft mit Ali bedurfte doch keines Treueeides und keiner Beglückwünschung! Ali war doch schon immer Freund der anderen Muslime gewesen.

                     

Hisan Ibn Thabit, der bekannte arabische Dichter war auch unter den Pilgern und er reimte ein Gedicht, mit folgender sinngemäßer Bedeutung:

„Der Prophet sagte zu ihm: O Ali erheb dich! Wahrlich ich möchte dass du nach mir der Imam und Lenker bist.“  Mit diesen Worten hat der Dichter gezeigt, dass er den Sinn des Wilayats, von dem der Prophet in seiner Verkündung gesprochen hat, richtig verstanden hatte, nämlich als Imamat und Lenkung durch Ali.  Auch die Gedichte weiterer Poeten in den darauffolgenden  Jahrhunderten zeugen davon, dass der Prophet Gottes in seiner Ansprache das Imamat und die Lenkung durch Ali meinte.

Der Historiker und Rechtsgelehrte Ibn Chalikan (13.Jahrhundert n. Christus) bezeichnet den 18. Dhi Hadscha als den Tag des Ghadir-Festes und Abu Reyhan Biruni, der bekannte iranische Gelehrte zählt Ghadir zu den Islamischen Festen.  Außerdem schreibt Muhammad ibn Talha al-Schafii : „Der Ghadir Chum Tag ist ein Festtag und ein historischer Gedenktag. Es ist der Tag an dem der Prophet Gottes eindeutig Ali als den Imam und den Vorsteher der Muslime nach ihm vorgestellt hat.

Tirmidhi hat in seinem Sunan überliefert, dass der Prophet des Islams (S) gesagt hat:

„Ali ist von mir und ich bin von ihm. Und außer Ali hat niemand das Recht, in meinem Namen aus zu handeln.“ Hakim Neyschaburi hat in seinem Mustadrak folgendes Prophetenwort überliefert: „Wer Ali gehorcht, der hat in Wahrheit mir gehorcht, und wer sich der Anordnung Alis widersetzt, der hat mir den Befehl verwehrt.“

                    

Wenn jemand vorurteilsfrei über die Ansprache des Propheten am Ghadir-Chum-Tag nachdenkt, dem wird klar,  dass das was er an diesem Tag gesagt hat,  nur eines bedeuten kann, nämlich die offizielle Bekanntgabe, dass  Ali nach ihm sein Statthalter ist und die Führung übernehmen soll.  

Zum Schluss sei gesagt, dass Gott nach dieser Verkündung durch den Propheten  den Vers 3 der Sure 5 herabgeschickt hat  in dem es heißt:

„Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet…“

Daraus kann geschlossen werden, dass Gott Seine Gunst an den Menschen  dadurch vollendet hat, dass er durch den Propheten dessen Nachfolger verkünden ließ.  Wichtige schiitische und sunnitische Quellen betonen, dass der obige Vers 3 der Sure 5 an dem Tag dem Propheten geoffenbart wurde, an dem er Ali als seinen Nachfolger und den Vorsteher des muslimischen Volkes nach ihm bekanntgegeben hatte.