Iranisches Kunsthandwerk (44 - Termeh)
Wir greifen wieder das Thema Textilien und ihre manuelle Anfertigung auf. Noch immer stehen im Iran in einigen Städten Stoffwebstühle und werden in verschiedenen Provinzen noch Stoffe mit der Hand gewebt, nämlich in Kerman im Osten des Landes, Yazd und Kaschan in Zentraliran, Chuzistan im Süden, Kurdistan und Kermanschah im Westen und Gilan, Mazanderan sowie Aserbaidschan im Norden.
Die iranischen Stoffe tragen verschiedene Namen wie: Machmal (Samt) Termeh, Barak, Dschadschim, Zari (Brokat) Abba , Taafteh und andere. Das Gewebe entsteht durch die Verflechtung von Ketten- und Schussfäden aus Wolle, Seide, Baumwolle oder aber auch Flachs sowie synthetischen oder Metallfasern.
Die alte Seidenstraße führt am Rande der Zentralkawir im Iran vorbei. Das nahe der Wüste gelegene Yazd, welches seit langer Zeit bis heute wirtschaftlich von Bedeutung ist, gehört zu den wichtigen Orten an der ehemaligen Seidenstraße. Yazd war einmal wichtiger Umschlagplatz für Waren, vor allen Dingen für Textilien. Die gleichnamige Provinz ist für die Anfertigung von Termeh bekannt. Die manuelle Anfertigung dieses kostbaren Stoffes blickt auf eine lange Vergangenheit zurück. Einer historischen Inschrift im Flurgang der historischen Hauptmoschee von Yazd ist zu entnehmen, dass schon vor Jahrhunderten diese Art von Stoff in dieser Stadt gewebt wurde. Yazd war vor dem Islam ein bedeutendes Zentrum der Zarathustrier.
Auch in der Islamischen Ära betätigten sich viele ihrer Bürger als Termeh-Weber. Einige der Zarathustrier aus Yazd haben nach ihrer Umsiedlung nach Indien, einen Einfluss auf die dortige Webkunst ausgeübt.
Im östlichen Teil der Yazder Hauptmoschee hat es früher mal einen Bazar gegeben, der sich Nach-rizan-Bazar nannte, und dort wurde Seidengarn für die Anfertigung von Termeh verkauft.
Zur Zeit des Safawidenkönigs Schah Abbas erlebte das Stoffweben und das Weben von Termeh einen großen Aufschwung. Schah Abbas hatte bekannte Designer aus China und aus Armenien nach Iran eingeladen, damit sie die Iraner in ihre neuen Künste einführen. Die Termeh-Stoffe aus dieser Zeit sind besonders schön. Aber was ist eigentlich ein Termeh?
Termeh ist ein feiner Stoff, welcher aus Wolle oder Wollhaar gewebt wird. Die Hauptfarben eines Termehs insbesondere die Grundfarben sind Rotbraun, Grün, Orangenfarben und Schwarz. Typisch für das Termeh ist das Boteh-Muster. Die Ornamentfigur Boteh ähnelt einem bogenförmigen Blatt. Boteh heißt im Persischen unter anderem „Laubbüschel“.
Termeh ist teuer, denn es wird aus sehr feinen Fasern gewebt . Es wird nur sehr gute Wolle und Seide verwendet. Das Garn wird mit pflanzlichen Farben gefärbt. Die Muster von Termeh tragen verschiedene Namen wie Boteh Dschoghe und Boteh Badami, Schah Abbasi-Blüten, Gawazni, Amiri, Rah Rah… Termeh wird heute noch in Yazd, Kaschan, Kerman und in Teheran manuell angefertigt. Es gibt aber auch billigeren maschinell gewebten Termeh im Iran.
Im Iran hat man spätestens zu Beginn der Safawidenzeit (1501-1722) Termeh gewoben. Einige sind der Ansicht, dass die eigentliche Heimat dieser Stoffart Zentralasien und Kaschmir sind, andere sagen, dass die Iraner als Erste Termeh-Stoffe anfertigten und dieses Handwerk nach Kaschmir brachten. Es soll schon zur Achämenidenzeit Termeh-Stoffe gegeben haben.
Vom Material und der Feinheit des Gewebes und den phantasievollen Musterungen her sind Termeh-Stoffe etwas Besonderes. Zur Zeit der Safawiden wurden diese Gewebe auch in andere Länder ausgeführt. Die Anfertigung von Termeh-Stoffen erreichte unter dieser Herrscherdynastie ihren Höhepunkt.
Für Termeh wird Seide oder Wolle verwendet. Man bevorzugt gebleichte Wolle als Rohmaterial für das Garn, weil sie für jede gewünschte Färbung geeignet ist. Die Wolle für Termeh muss eine gute Qualität haben und lange Fasern aufweisen. Zum Bleichen, welches nach der Reinigung erfolgt, wird die Wirkung von Morgentau und Schwefeldiveraten genutzt. Für die meisten iranischen Termehs wird die Färbung mit pflanzlichen Mitteln vorgenommen, d.h. mit Wurzeln, Holz, Blättern, Blüten, Früchten oder Schalen.
Das Weben von Termeh mit den traditionellen Webstühlen ist sehr zeitaufwendig und es erfordert viel Fertigkeit und Präzision. Es lassen sich mit einem solchen Webstuhl am Tag höchstens 20 bis 25 cm Quadratzentimeter weben. Mit modernen Webstühlen kann diese Menge auf das Vierfache erhöht werden.
Bei der Wahl der Farben und ihrer Kombination für einen Termeh-Stoff ist viel Sorgfalt gefragt. Der Untergrund bleibt einfarbig. Termeh ist ein Gewebe aus Kette und Schuss. Die Kettfäden, die längs über den Webstuhl gespannt werden sind alle gleichfarbig können aber unterschiedlich stark sein. Nur die dazu beim Weben quer eingeführten Schussfäden wechseln je nach Ornament in der Farbe.
Das Grundmotiv des Termeh ist Boteh Dschoqeh. Wir finden es auch in verschiedenen Farben bei den heutigen maschinell gewebten Termeh-Stoffen wieder. Die entsprechende Bezeichnung für Bote Dschoqeh auf Deutsch ist Paisley oder Paisleymuster.
Für die Kettfäden kann Naturseide oder Baumwolle verwendet werden, aber die Schussfäden sind aus bunten gewundenen Seidenfäden oder aus Wollhaarfäden oder Garn.
Termeh-Stoff fand einmal vielfältige Verwendung sowohl für teure Gewänder als auch für schwere Vorhänge oder als Gebetsteppich. Heute dient Termeh als Möbelstoff oder als Tischdecke und für den Dekor und die Verzierung von Taschen. Der Besitz von Termeh-Stoffen war früher ein Privileg der Vornehmen und Könige. Ein handgewebter Termeh ist auch heute den Reichen oder dem Mittelstand vorbehalten und als Geschenk zu Hochzeiten oder anderen Festen üblich.
Termeh erfreut sich einer guten Festigkeit und hält sich länger als andere Stoffe. Doch Licht und Feuchtigkeit lassen seine Farben schnell verblassen. Insbesondere die Stellen in Schwarz sind wärme- und lichtempfindlich.
Gegen Motten sind Termeh-Stoffe ebenso nicht gefeit und müssen wie Wollstoffe geschützt werden. Falls die natürlichen Farben wasserfest sind, lässt sich ein Termeh mit jedem Waschmittel reinigen.
In der Stadt Yazd gehören Termeh-Stoffe zum Leben und zum Brauchtum. Termeh-Stoffe werden jungen Bräuten als finanzieller Rückhalt im Rahmen der Aussteuer mitgegeben. Während des Trauermonats Muharram ist es in Yazd Brauch bei den Trauerzügen Wahrzeichen mitzutragen, die mit handgewebten Termeh-Stoffe verziert werden.