Spirituell gesund (5)
Wir betrachten in diesem Teil den Zusammenhang der spirituellen Gesundheit mit einem gesunden Herzen.
In vorhergehenden Beiträgen haben wir auf den Begriff „gesundes Herz“ hingewiesen und gesagt, dass ohne ein gesundes Herz keine spirituelle Gesundheit existieren kann. Wer ein gesundes Herz besitzt, der blickt im Licht seines Glaubens an Gott ruhig und hoffnungsvoll auf die Ereignisse des Lebens. Ein solcher Mensch überwindet den Kummer über vergangene Erlebnisse und befreit sich von der Angst vor der Zukunft und Stress. Er verbringt in einem besonderen Zustand und möchte nur erreichen, dass Gott mit ihm zufrieden ist.

Ein Mensch mit gesundem Herzen betrachtet in Zuversicht zu Gott alle Ereignisse des Lebens als Gottes Willen und Seine Fügung und sieht in jedem Übel auch ein großes Wohl verborgen liegen. Imam Ridha (Friede sei mit ihm) hat über die Zuversicht zu Gott gesagt:
إحسَن بِاللهِ الظِّنِ فَانِّ الله عَزَوَجَل یقوُل انا عِندَ حُسنَ ظَنِّ عبدی المؤُمِن بی إِن خَیراً فَخَیراً و إن شَرّاً فَشَرّا»
„Denke gut über Gott. Wahrlich, der Allmächtige sagt: Ich bin bei den Gedanken meines gläubigen Dieners. Wenn er gut denkt, wird er Gutes erfahren und wenn er nicht gut denkt, nicht.“
Wenn jemand spirituell gesund ist, wird er bei Problemen oder bei einer schweren Erkrankung nicht deprimiert werden. Er wird auch nicht die anderen um ihr gutes Aussehen oder ihr gutes Leben beneiden und er wird nicht daran denken, sich an anderen zu rächen. Er ist über niemanden erbost, sondern er hofft auf Gottes Segen und aufgrund seines Glaubens an die Weisheit Gottes bleibt er geduldig.
Der Mensch mit gesundem Herzen, der an spirituelle Gesundheit gelangt ist, weiß, dass alle Geschöpfe der Welt Gott wegen Seiner Reinheit preisen und er schließt sich ihrem Lobpreis an. Er folgt nur dem Befehl Gottes. Dieser Gottgehorsam ist natürlich mit Verantwortungen verbunden. Es handelt sich dabei um Pflichten, die er gegenüber sich selber und den anderen Menschen sowie der Natur in seiner Umgebung hat. Der Wert von Taten hängt nicht nur davon ab, um welche Tat es sich handelt, sondern er hat ausschlaggebend damit zu tun, aus welcher Absicht heraus der Mensch eine Tat vollbringt. Der gläubige Mensch erfüllt nicht nur seine gottesdienstliche Pflichten wie das Ritualgebet und Fasten aufgrund der aufrichtigen Gottergebenheit, sondern er behandelt auch sich selber und die anderen sowie die Natur aufgrund seiner religiösen Motivation und so wie Gott es von ihm möchte.
Manchmal erkrankt ein Mensch aufgrund eines genetischen Faktors oder aufgrund schlechter Umweltbedingungen oder aber auch wegen eigener falscher Gewohnheiten. Wenn er sich nun mit Ängsten und Besorgnis hinsichtlich der Zukunft und Kummer über die verloren gegangene körperliche Gesundheit quält, wird er sich zusätzlich noch ein seelisches Leiden aufhalsen. Auf diese Weise kann er spirituell nicht gesund werden. Ihn wird das Gefühl überkommen, Gott behandle ihn nicht gut und er wird die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit aufgeben. Aufgrund dieser Unzufriedenheit mit dem bestehenden Schicksal, beginnt er auch die Vergangenheit zu bedauern, was dazu führt, dass er der Zukunft sorgenvoll entgegenblickt und sich nicht vor ihr sicher fühlt. Wird seine geschädigte Gefühlswelt nicht geheilt, lösen Betrübnis und Ängste zusätzlich eine gewisse Wut in ihm aus und machen ihn aggressiv gegenüber sich selber, was sich in Selbstverletzung oder in Aggressionen gegenüber anderen in Form von Beleidigungen und Spott und sogar Handgreiflichkeiten äußert. Die Wut im Innern verwandelt sich allmählich in Selbsthass und Rachegefühle und die Gefahr der Selbstverletzung und der Verletzung anderer vervielfacht sich.
Viele islamische Ärzte und Psychologen vertreten die Meinung, dass man für die Erreichung eines gesunden Herzens und spiritueller Gesundheit, ähnlich wie bei körperlichen Erkrankungen die Phase der ersten Präventive besonders ernstnehmen muss. Die erste Präventivphase besteht sozusagen aus Erste-Hilfe-Maßnahmen zur Verhütung der Erkrankung. Dieser Phase folgt die Phase sekundärer Präventivmaßnahmen, bei der eine Vor-Diagnose erfolgt und bereits mit der Behandlung einer drohenden Krankheit begonnen wird. Die erste Krankheitspräventive (primary prevention) ist jedoch sowohl bei spiritueller als auch bei körperlichen Leiden am wichtigsten, denn mit ihr wird die Gefahr einer spirituellen, geistigen bzw. körperlichen Erkrankung erheblich reduziert.
Die erste Phase der Vorbeugung bedeutet im Zusammenhang mit der spirituellen Gesundheit eines Menschen, dass seine Eltern spirituell gesund sein sollten und seine Mutter während der Schwangerschaft und Stillzeit über spirituelle Gesundheit verfügt und dass in den ersten Lebensjahren die spirituelle Gesundheit des Kindes gewährleistet ist. Die ersten Kindheitsjahre sind so wichtig, weil die meisten psychischen, spirituellen Erkrankungen oder Erkrankungen der Gesellschaft, mit diesem Lebensabschnitt zu tun haben. Imam Ali (Friede sei mit ihm) hat in seinem Testament an seinen Sohn gesagt: „Das Herz eines Neugeborenen ist wie ein braches Land, welches für jede Saat empfänglich ist, die man streut. Also habe ich, bevor dein Herz fest wird und sich deine Gedanken mit etwas anderem beschäftigen, mich beeilt, dir Anleitung zu geben, damit auch du Taten entgegeneilst, welche die Besitzer der Erfahrung erprobt haben, wobei sie die Mühe der Erprobung auf sich nahmen und dich von der Mühe danach zu suchen befreiten.“ (Aus Brief 31 Nahdsch-ul Balagha)

Ein weiser Greis von 85 Jahren hat einmal gesagt: Als ich jung war, wollte ich die Welt verändern. Und als ich größer geworden war, mein Land. Als ich älter geworden war, war ich fest entschlossen, meine Stadt zu ändern. Heute ist mir klar, dass ich meine Familie, meine Stadt, mein Land und die Welt verändert hätte, wenn ich mich selber verändert und gebessert hätte.“
Es ist nicht einfach sich zu ändern und spirituell zu gesunden. Der Mensch muss sich unentwegt auf dem Weg zur spirituellen Gesundheit Mühe geben.
Wenn Eltern sich ein gesundes Kind wünschen, so ist es wichtig, dass es genetisch keine Probleme gibt. Nicht weniger wichtig ist es für die spirituelle Gesundheit des Kindes, dass die Eltern sich schlechte Eigenschaften abgewöhnen und die guten Eigenschaften stärken. Wenn die Eltern sich fest ein gutes Verhalten und gute Eigenschaften angewöhnt haben, dann können sie auch das Gute auf ihre Kinder übertragen.