May 23, 2018 01:49 CET
  • Islam richtig kennenlernen  (131- Kalifat nach jahrelangem Verzicht)

Ali (Friede sei mit ihm) hat  das Kalifat nur akzeptiert, um seine Pflicht zu erfüllen. Er sagte: Wenn die Menschen es nicht gewollt hätten und er keine Helfer gehabt hätte, hätte er das Kalifat nicht akzeptiert.

Wir haben bereits darüber berichtet, was sich nach dem Verscheiden des Propheten des Islams (S) ereignet hat und begründet, weshalb Imam Ali sich in diesem sensiblen Abschnitt von der Machtübernahme zurückhielt und keine Funktion in dem Machtgefüge der Kalifen übernahm.   Sie erfuhren auch, dass er dennoch nicht gleichgültig gegenüber den Problemen der Muslime und dem Schicksal der Islamischen Regierung blieb.  Immer wenn es  um das Wohl des Islams und der Muslime ging, wirkte er als guter Ratgeber für die Kalifen bei der  Lösung von Problemen. Die Kalifen wussten seinen guten Rat  in Regierungsfragen zu schätzen.

                                       

Mehr oder weniger war dies auch in der Zeit des Uthman der Fall.  Als Uthman das Kalifat antrat, begannen die Umayyaden, von denen er abstammte, Einfluss auf das Kalifat zu gewinnen. Uthman bestimmte  Marwan Ibn Hakam, den der Prophet verbannt hatte, zu seinem Berater und ließ ihm freie Hand in Regierungsangelegenheiten und auch weitere  Umayyaden übernahmen wichtige Posten im Verwaltungsapparat.  Ihre Mitbeteiligung an der Regierung machte sich langsam immer mehr in der Gesellschaft bemerkbar und zwar in Form von aristokratischer Vergnügungslust, ungerechter Aufteilung des Bait-ul Mals (der Gemeinwohlkasse) Benachteiligungen und Ungerechtigkeit, der Herausbildung einer wohlhabenden raffgierigen Schicht , wachsender Armut und wirtschaftlichem Rückgang.

Die Kluft zwischen den Bevölkerungsschichten klaffte zusehends auseinander und der Protest gegen die Regierung nahm zu. Die Bevölkerung in dem großen islamischen Reich wurde die Benachteiligungen und die Verschwendung durch die Verwandten und Beauftragten des Kalifen leid. Doch  trotz dieser Unzufriedenheit an vielen Orten des Islamischen Reiches unternahm Uthman nichts um die Probleme zu beseitigen.

 

 

 

Weil die Mächtigen in der Regierung sich vom Koran und der Vorgehensweise des Propheten entfernt hatten, schlossen sich einige der bekannten Prophetengefährten wie Abu Dhar, Abdullah Ibn Masud, Ammar, Miqdad, Abu Ayyub Ansari und Dschabir Ibn Abdullah den Protesten an, wobei mehrere von ihnen von den Leuten des Herrscherapparates misshandelt oder verbannt wurden. 

Angesichts dieser Missstände in der Gesellschaft und der Verbreitung von Unrecht und Ungerechtigkeit und dem Bruch mit einigen Grundsätzen des Islams hat Ali ebenso die Politik Uthmans kritisiert.  Er mahnte ihn freundlich  und war darum bemüht, den Kalifen wieder auf den Weg der Gerechtigkeit und der Islamischen Gebote zurückzubringen, damit die Angelegenheiten der Islamischen Gemeinde ins rechte Lot gebracht werden.

Am Regierungssitz Medina schlossen sich immer mehr Muslime den Protesten an. Es waren viele aus anderen Orten in die Stadt gekommen, sogar aus Ägypten  und aus dem irakischen Kufa und Basra. Sie versammelten sich vor dem Haus von Uthman, umstellten es und  ließen kein Wasser mehr hinein.  Uthman bat Ali um Hilfe und um Vermittlung zwischen ihm und den Aufständischen.  Ali bemühte sich darum, die Gegner Uthmans zu beschwichtigen und wieder Ruhe in Medina herzustellen.  Er beauftragte sogar einige, dass sie Uthman beschützen sollen und schickte seine Söhne, damit sie verhindern, dass jemand in das Haus von Uthman eindringt. Außerdem ließ er den Kalifen und seine Familie mit Wasser versorgen.  Schließlich aber gelang es einigen aus der aufgebrachten Menschenmenge in das Haus des Kalifen einzudringen und sie töteten Uthman. 

                        

Nach der Tötung von Uthman, eilten die Prophetengefährten und viele Menschen freudig zum Haus von Ali (Friede sei mit ihm).  Sie sagten: „Das Volk braucht einen Vorsteher  und niemand ist so würdig für das Imamat wie du.  Denn deine religiöse Vergangenheit  ist größer und du stehst dem Propheten Gottes am nächsten.“ Das Gedränge vor dem Haus Alis war so groß, dass er selber  es wie folgt beschrieben hat:

„Die Menschen haben mich bedrängt und sich gegenseitig verdrängt, wie durstige Kamel, die ans Wasser gelangen und deren Halfter die Hüter losgelassen haben.“

Trotzdem die Muslime und die Prophetengefährten ihn beschwörten, war Ali (F) nicht geneigt, das Kalifat zu übernehmen. Er sagte: „Leute! Lasst von mir ab und wendet euch jemand anderem zu.“

Imam Ali  verwies auf die komplizierten Umstände und verschleierten Zustände.  Er war darüber im Bilde, dass die Menschen nicht genau wissen werden, welches der rechte  Weg ist, und sah unruhige Zeiten voraus.

Ali (F) wusste, dass einige Persönlichkeiten und die Vornehmen in der Gesellschaft, die Umayyaden und die Verwalter der Regierung  sich an der Gemeinwohlkasse bereichert hatten und sah voraus, dass diese Gruppe von Leuten  zur Wahrung ihrer Interessen gegen ihn revoltieren  und ernsthafte Hindernisse aufstellen werden. Er war sich bewusst, dass Abweichung, Unrecht und Ungerechtigkeit und Benachteiligung in der Gesellschaft Wurzeln geschlagen und erneut die Denkweisen aus der Zeit der Unwissenheit Fuß gefasst hatten. Er wusste, dass viele  sich an diese Zustände gewöhnt hatten  und sich wehren würden, wenn jemand etwas dagegen unternimmt. Deshalb sagte er:

 

„Fürwahr! Dunkle Wolken haben den Himmel verdeckt und den klaren Weg des Islams abgeändert“. Er wollte damit sagen, dass das Bild vom wahren Islam verzerrt worden war und die Mehrheit der Bevölkerung nur schwerlich das Falsche vom Wahren zu trennen vermochte.  Dann fuhr er fort:

„Wisset! Wenn ich eure Bitte annehme, werde ich euch gemäß dem, was ich selber weiß (und gutheiße) behandeln und nicht auf diesen und jenen und auf den Tadel der  Tadelnden hören…“

Mit diesen Äußerungen wollte Ali (F) klarmachen, dass er standhaft den Lehren des Islams treu bleiben wird.  Indem er zunächst die Übernahme des Kalifats ablehnte,  wollte er zugleich herausfinden, inwieweit die Bevölkerung überhaupt bereit ist, eine gerechte Regierung zu akzeptieren. 

Ali (F) war sich sehr wohl der  geistigen und seelischen Befindlichkeit der Bevölkerung  bewusst und sah voraus, dass sie unterschiedlich auf sein Vorgehen reagieren wird. Er gab bekannt, dass  er als Kalif die Übel aus der vorhergehenden Zeit beseitigen werde und niemand ihn daran hindern könne.  Er sagte: „Ihr könnt meine Gerechtigkeit und meine Treue zu den Lehren des Islams nicht ertragen. Also ist es besser, dass ihr von mir ablasst und einen anderen zu eurem Herrscher bestimmt.“  Damit wollte er erreichen, dass die anderen vielleicht umdenken. Er wollte dass sie entweder  bezeugen, seinem Weg und seiner Linie zu folgen, oder sich, falls sie nicht bereit sind seine Regierung zu akzeptieren, von ihm abwenden.

Ali hat angesichts der Beharrlichkeit, mit der das Volk seine Machtübernahme forderte, für den Fall, dass er es akzeptiert, angekündigt: „Bei Gott! Wenn ich jemanden finde, der mit unrechtmäßig angeeigneten Gütern aus der Gemeinwohlkasse geheiratet hat oder Sklavinnen gekauft hat, werde ich diese Güter wieder (in die  Gemeinwohlkasse) zurückholen, denn die Gerechtigkeit hilft weiter, und für jemanden,  dem die Gerechtigkeit viel bedeutet, ist es noch schwerer Ungerechtigkeit zu ertragen.“

 

Nachdem der Imam dies gesagt hatte strömten erst recht aus allen Richtungen Menschen herbei, um ihm ihre Loyalität zu bekunden.

                               

Zu den wichtigen Plänen Imam Alis (F) gehörte es diejenigen Teile der Sunna – der Vorgehensweise – des Propheten, welche in Vergessenheit geraten oder verfälscht worden waren, wiederzubeleben.  Es waren große Pläne, die er hatte und deren Verwirklichung erforderte natürlich die allseitige Unterstützung der Allgemeinheit. Daher musste er die Menschen auf die Probe stellen, um zu sehen,  wie ernst sie es mit ihrer Forderung nach seiner Machtübernahme meinen.

Imam Ali hat also den Menschen ein Ultimatum gestellt und sie hatten die Gelegenheit  sich mit offenen Augen für  die Führung Alis und seine Linie zu entscheiden.

Auf Vorschlag Alis (F) hin versammelte sich die Bevölkerung in der Moschee. Ali bestieg den Rednerstuhl. Als Erstes verwies er darauf, dass er anfangs nicht geneigt gewesen war, die Regierung zu übernehmen und dann sagte er:  „Aber ihr habt darauf bestanden, dass kein anderer als ich über euch herrschen soll. Wisset,  dass der Schlüssel zu eurem Vermögen in meiner Hand ist  und ich nicht das Recht habe, getrennt von euch auch nur eine Drachme daraus zu nehmen. Seid ihr einverstanden?“

Alle riefen: „Ja!“

Der Imam hatte vor, die Güter, die der Allgemeinheit gehörten, und die einige an sich gerissen hatten, soweit wie möglich wieder in die Gemeinwohlkasse zurück zu holen. Er wollte, dass die Bevölkerung sich nicht nur gefühlsmäßig sondern ganz bewusst für ihn entscheidet.  Und so akzeptierte er schließlich, nachdem die Bevölkerung ihn mehrere Tage lang darum gebeten hatte, die Führung der Muslime. Und alle versammelten sich an einem öffentlichen Ort um ihm die Treue zu schwören.