Jun 12, 2018 03:17 CET
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Wenn Ali (F) jemanden  eine Gunst erwies oder sich gegen jemanden stellte, so geschah es  nur Gott zuliebe. Wenn es um den Weg Gottes  ging, kannte er kein Pardon oder Ausnahmen. Natürlich machte er sich dadurch Feinde und enttäuschte die Raffgierigen.  Aber davor hatte Imam Ali (F) keine Angst.

Wir setzen die Betrachtung des Lebens und Wirkens Alis (Friede sei mit ihm) während seines Kalifats fort. Wie gesagt, war die Denk- und Lebensweise Alis (F) von der Gerechtigkeit als wichtigster Grundsatz geprägt und das Kalifat war für ihn das Mittel zur Herstellung von Gerechtigkeit. Er war davon überzeugt, dass nichts so sehr die Strafe Gottes nach sich zieht, wie das Unrecht, das einige Herrscher ihrem Volk antun. In der Verletzung der Rechte des Volkes sah er etwas Verwerfliches.

Ali (F) hat sich in den vier Jahren und neun Monaten, in denen er über die Islamische Großgemeinde regierte, intensiv für die Wiederbelebung der hohen Lehre des Propheten (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) eingesetzt.  Er war bemüht die ideale Gesellschaft,  die der Prophet Gottes im Auge gehabt hatte, erneut aufzubauen. Daher begann er mit grundsätzlichen Reformen in den verschiedenen Bereichen, wobei er sein Augenmerk auf die internen Angelegenheiten des muslimischen Volkes  richtete. Zu seinen Reformplänen gehörte unter anderem: die gleichberechtigte Nutzung der öffentlichen Eigentümer, das Vorgehen gegen Gesetzesverstöße, der Aufbau der Städte, die Bekämpfung von Diskriminierungen und dem Streben nach Privilegien sowie  Beaufsichtigung seiner Beamten hinsichtlich der Einhaltung des  Gerechtigkeitsprinzips.

Imam Ali unterstützte nach besten Kräften die Unterdrückten und bekämpfte die Unterdrücker.  Er opferte nie das Wohl der Allgemeinheit den Interessen einer wenigen, die Ansehen genossen und nach Einfluss strebten.  Auch wenn die Menschen hinsichtlich ihres Besitzes und ihrer gesellschaftlichen Person verschieden sind, betrachtete Imam Ali sie alle vor dem Gesetz als gleichgestellt und räumte niemandem ein Privileg ein. Aufgrund dieser Denkweise hat er das Allgemeineigentum gleichmäßig unter allen aufgeteilt.

Imam Ali (F) wusste, dass die Reformen, die er ins Auge gefasst hatte, insbesondere die Herstellung der Gerechtigkeit bei denen auf Ablehnung stoßen werden,  die maßlos nach Eigengewinn und Vorteilen  suchen. Dennoch verfolgte er weiter seine gerade Linie. 

 

Für Ali (F) kann die Gerechtigkeit niemals beiseitegelassen werden. Viele der mündlichen und schriftlichen Empfehlungen des Imams an die Befehlshaber und Beamten seiner Regierung drehen sich um die Gerechtigkeit und um die Beachtung der Rechte des Volkes. 

Imam Ali betrachtet die Regierung als ein Treuhandgut, das dem Herrscher über die Gesellschaft anvertraut wurde und das dieser  sorgfältig behüten muss.  In diesem Zusammenhang schrieb Ali (F) in einem Brief an seinen Verwaltungsbeauftragten in Aserbaidschan: „Du darfst nicht denken, dass das Regierungsamt, das ich dir anvertraut habe, eine gute Beute sei, die dir in die Hände gefallen ist. Es ist vielmehr ein Treuhandgut, welches dir auf die Schulter gelegt wurde, und dein Vorsteher erwartet von dir die Beachtung,  den Schutz und die Wahrung der Rechte der Bevölkerung. Du solltest die Menschen nicht tyrannisch und nach Lust und Laune behandeln." 

Eine Gefahr, die Macht in sich birgt, besteht darin, dass ein Herrscher begierig wird. Ein Herrscher mit falschem Ehrgeiz begnügt sich in der Regel nicht mit seiner Position sondern will seine Macht steigern so dass er von Tag zu Tag machthaberischer wird. Angesichts dieser Gefahr  hat Imam Ali die Personen,  die er mit Ämtern beauftragte oder zum Verwalter von einem bestimmten Gebiet ernannte, vor Maßlosigkeit und Machtsucht gewarnt.  Ali (F) war selber rein von jeglichen solchen Ambitionen und von Egozentrik. Er hat gesagt: "Wenn ich jemand gekannt hätte, der würdiger für das Kalifat gewesen wäre,  hätte ich nie darin eingewilligt, es zu übernehmen." 

Diese Edle hat die Regierung nur deshalb übernommen, um das Recht zum Zuge zu bringen und das Unrecht zu verhindern. Keinerlei Machtbestrebung hat ihn dazu angeregt. Imam Ali sagt selber hierzu, in dem er auf seine geflickten Schuhe hinweist:

„Bei Gott! Dieser wertlose Schuh ist mir lieber als das Regieren über euch, es sei denn ich kann durch dieses Regieren, ein Recht herstellen oder ein Unrecht verhindern.“

 

Herrscher die zur Despotie neigen, ändern mit der Zeit zusehends ihre Methoden gegenüber der Bevölkerung und distanzieren sich von ihr. Aber Imam Ali (F) mahnt seine Vertreter, dass sie sich nicht wegen ihrer Möglichkeiten von der Bevölkerung abwenden  und sie erst recht nicht aggressiv behandeln dürfen.  Er sagt: „Ein Verwalter ist verpflichtet, sich (und sein Verhalten zum Volke)  nicht zu ändern, wenn er an mehr Güter gelangt oder ihm besonderer Segen zuteilwird, vielmehr soll das, was  Gott ihm an Segen und Gaben schickt, dazu führen, dass er den Dienern Gottes näher kommt und die Liebe zu seinen Brüdern vergrößert."

Ali (F) lehrte seine Vertreter und Amtsträger die Liebe zum Volke und beseitigte grundlegend Neigungen zur Gewaltsamkeit und Despotie in ihnen. In einem Brief an seinen bekannten Gouverneur Malek Aschtar schrieb er: 

„Lass die Liebe und gute Behandlung zu deinen Untertanen in dein Herz einkehren. Nicht dass du wie ein Raubtier bist, welches die Gelegenheit nutzt, um sie zu verschlingen! Denn die Menschen sind zwei Gruppen. Entweder sind sie deine Brüder im Glauben oder sie sind wie du erschaffen ... Sie werden Fehler machen und ... ob absichtlich oder aus Versehen - Sünden begehen, also verzeih sie ihnen - genauso wie du gerne möchtest, dass Gott dir Vergebung erweist und dir gegenüber großzügig ist."

                   

Wenn jemand Macht hat und ihm weitgehende Möglichkeiten zur Verfügung stehen, so kann ihn leicht das Gefühl der Überlegenheit zur  Ausnutzung dieser Macht verleiten.  Dies ist eine Problematik bei den  meisten Regierungen. Die Erreichung von hohen Regierungsämtern  führt sehr oft dazu, dass die betreffenden Leute Sonderprivilegien für sich beanspruchen und dies hat in sich bereits unheilvolle Folgen. Imam Ali (F) war nie bereit,  seine Stellung als das Oberhaupt der Gesellschaft auszunutzen und er gestattete auch seinen Vertretern nicht, von  ihrer Stellung auf besondere Weise  zu profitieren. 

Ein typisches Beispiel für die Ausnutzung der Macht ist die Bereicherung von  hohen Positionsträgern.  Leute in hoher Position streben oft  zunehmend nach einem bequemen Leben und vergessen die Armen und Bedürftigen und einige von ihnen vergreifen sich sogar, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, an dem was der Allgemeinheit gehört.  Ali (F) hat durch ein kluges Aufsichtssystem  seinen Vertretern und den einflussreichen Personen keine Chance gelassen, ihre Position zur privaten Bereicherung und zur Plünderung der Gemeinwohlkasse zu missbrauchen. 

Heilige Ruhestätte Imam Alis (F) in Nadschaf (Irak)

 

Für jede Gesellschaft entstehen Gefahren, wenn inkompetente, unwürdige Personen wichtige Plätze einnehmen.  Wenn solche Leute wichtige Regierungsämter besetzen, haben sie die Möglichkeiten, alles nach ihren privaten Interessen auszurichten. In einem korrupten politischen System gelangen diese unwürdigen Leute an immer höhere Posten  und größere Macht, während zuverlässige und rechtschaffene Personen nicht auf den Platz zu stehen kommen, den sie verdienen und an den Rand gedrängt werden.

Imam Ali plante daher eine Reform im Verwaltungssystem. Er befürchtete immer, dass schlechte inkompetente Menschen für einen wichtigen staatlichen Posten vorgesehen werden und hat gesagt: „Eine Sorge, die mir zusetzt und keine Ruhe lässt ist die, dass die Unzüchtigen und Einfältigen dieses Volkes an die Macht gelangen. Dann…. werden sie die Gott-Ungehorsamen zu ihren Helfern machen und die Rechtschaffenen als Feinde betrachten.“

Deshalb hat der Imam Vertreter und Beamten der Regierung, die Verstöße begangen hatten, abgesetzt  und ihren Posten würdigen und zuverlässigen Personen überlassen.

                               

Ali (F)  hat alle zur Freiheitlichkeit aufgerufen und mit folgendem tiefsinnigen Satz diese Freiheit begründet:

„Sei nicht Diener von anderen, denn Gott hat dich frei erschaffen.“

Imam Ali hinterließ das beste Beispiel für soziale und politische Freiheit in der Geschichte.  Er hat während seiner Regierung niemals die Grundsätze der sozialen Freiheitsrechte  verletzt und niemals die sozialen Rechte der Mitglieder der Gesellschaft außer Acht gelassen. Während der Regierung von Ali (F) genossen sogar seine Gegner Freiheit. Die Chawaridsch, welche die ärgsten Feinde Alis waren, konnten sich in der Moschee zu Wort melden und sogar den Imam beleidigen oder ihn bei einer Ansprache unterbrechen, ohne das Ali scharf reagiert hätte. Ali (F) der über ein großes mächtiges Reich verfügte, zog das Gespräch und die Toleranz gegenüber seinen Opponenten vor und ließ sie frei ihre Meinung äußern. Er verwehrte ihnen trotz ihrer offensichtlichen Feindschaft auch nicht den Anteil aus der Gemeinwohlkasse. Der iranische Philosoph Schahid Motahhari hat daher gesagt: „In keinem Land auf der Welt gibt es womöglich so viel Freiheit, dass eine Regierung mit ihren Gegnern dermaßen demokratisch umgeht.“