Jul 28, 2018 20:36 CET
  • Islam richtig kennenlernen (137)

Wir greifen wieder das interessante Thema „Regierungsweise Imam Alis (F)" auf.

Bei allen Regierungen kommt es darauf an, wie die Regenten zu ihrer Bevölkerung eingestellt sind. Betrachtet sich eine Regierung als getrennt vom Volke und als Befehlshaber über alle? Oder sieht sie in Wahrheit in den Bürgern die Inhaber des Herrscherrechtes und betrachtet sich selber als ihre Vertreter? Letzteres gilt für das Regierungskonzept von Imam Ali (F). Er ist Vertreter des Volkes und verwaltet als solcher die Angelegenheiten, während das Volk  zahlreiche Rechte gegenüber der Regierung hat. Daher gibt Ali seine Regierungspläne immer bekannt und teilt den Bürgern  wichtige Entscheidungen mit. Er betrachtete dies als Recht der Bevölkerung und die Voraussetzung für ihre Mitbeteiligung an der Regierung. Nur Fälle waren von dieser Regel für Imam Ali ausgeschlossen, die mit der Bekämpfung von Feinden und der Herstellung von Sicherheit zu tun hatten. Er hat gesagt: „Wisset, dass es euer Recht mir gegenüber ist, dass ich euch nichts verheimliche, es sei denn es wäre ein Kriegsgeheimnis.“

Die Bürger hatten das Recht Imam Ali hinsichtlich der Regierungsangelegenheiten  zu fragen und er erlaubte seinen Vertretern nicht, dass sie der Bevölkerung Entschlüsse verheimlichen.

                           

Da die Gouverneure und Regierungsbeamten in den Augen Imam Alis (F) die  Vertreter der Volksmassen  sind, haben die Bürger auch das Recht, deren Verhalten zu überwachen und hinsichtlich ihrer Maßnahmen eine Erklärung zu verlangen. Die Regierungsbeauftragten müssen ihnen antworten und sie über ihre Entschlüsse informieren.

Wenn sie dem Volke auf ihre Fragen antworten müssen, so führt dies von alleine zu einer genaueren Kontrolle ihres Verhaltens. Denn wenn die Verantwortlichen spüren, dass die Bevölkerung sie genau im Auge behält, versuchen sie so gut wie möglich ihren Pflichten nachzukommen. Außerdem trägt es zur Zufriedenheit und zum Vertrauen der Allgemeinheit gegenüber den Verantwortungsträgern bei und schiebt falschen Gerüchten und dem Misstrauen der Bürger einen Riegel vor. In seinem Schreiben an Malik Aschtar hat Imam Ali (F) gesagt: „Immer wenn Misstrauen unter den Untertanen aufkommt, sollst du ihnen offen deine Gründe erklären und auf diese Weise ihr Misstrauen beseitigen.“

                                 

Imam Ali hatte über die allgemeine Aufsicht hinaus noch ein weiteres Kontrollsystem aus rechtschaffenen Personen, denen er vertraute, eingerichtet, welche die Aufgabe hatten,  das Vorgehen der  Regierungsbeamten zu beobachten. Diesbezüglich schreibt  er an Malik Aschtar: „Überprüfe ihr Verhalten und setze ehrliche und loyale getarnte Inspekteure für sie ein. Im Wissen um deine versteckte Überwachung und Inspektion, werden sie – die Regierungsbeamten – angespornt, ihren Pflichten  nachzukommen und die Untertanen freundlich zu behandeln.“

 

Immer wenn Imam Ali (F) aufgrund offener oder heimlicher Kontrolle feststellte, dass Pflichten vernachlässigt worden oder ein Verstoß oder Vergehen seitens der Regierungsbeamten vorgekommen war, reagierte er konsequent.

Einmal wurde dem Imam berichtet, das Uthman Ibn Hunaif, der Gouverneur von Basra (Irak)an einem luxuriösen Gastmahl teilgenommen hatte, um das Wohlwollen der Reichen in dieser Stadt zu gewinnen. Imam Ali (F) schrieb an Uthman Ibn Hunaif: „Sohn des Hunaif! Ich habe erfahren, dass ein junger Mann von den Einwohnern Basras dich zu einem Festgelage eingeladen hat, und du bist schnell dorthin geeilt. Verschiedene köstliche Speisen wurden dir angeboten, und Schalen (mit Getränken) wurden dir überreicht. Ich hätte nicht geglaubt, dass du ein Essen von Leuten akzeptierst, deren Bedürftige vertrieben und deren Reiche eingeladen werden… Denk daran, dass euer Imam sich mit zwei verschlissenen Kleidungsstücken begnügt hat in seinem Diesseits, und seine Mahlzeit besteht aus zwei Fladen (Brot). Nun könnt ihr das nicht so praktizieren, aber (wenigstens) unterstützt mich mit Frömmigkeit, Anstrengung, Keuschheit und rechtem Tun (und folgt mir). "

 

In diesem Brief 45 im Nahdschul Balagha macht Imam Ali seinen Gouverneur auf wertvolle moralische Punkte aufmerksam, damit dieser nicht vom rechten Weg abgerät sondern sich den klaren Weg seines Imams zum Vorbild nimmt. 

                           

Imam Ali führte ein Organ ein, welches Ungerechtigkeit beseitigen und Beschwerden bearbeiten sollte. Dieses Zentrum nannte er Diwan-i Muzalim.  Es war damit beauftragt Bürgerklagen zu untersuchen und ein Urteil zu fällen. Die Bürger konnten sich auch über  Regierungsbeamten beschweren. Der Imam untersuchte  persönlich diese Beschwerden, damit jeder zu seinem Recht kam.

Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen Ali (F) seine Beamten wegen einem Unrecht gegenüber der Bevölkerung gemahnt hat.

Er hob hervor, dass ein Regent direkt mit dem Volk in Kontakt stehen muss, denn oftmals kann er nur dann über ihre Lage erfahren. Wenn sich ein Herrscher nur auf die indirekten Mitteilungen verlässt, wird er nicht nur falsche Entschlüsse fassen, sondern mit der Zeit auch die Schwierigkeiten der Bevölkerung vergessen.  Daher besteht Imam Ali darauf, dass die Regierungsbeauftragten sich nicht vor der Bevölkerung verbergen dürfen sondern mit ihnen im Kontakt stehen sollen. Er schreibt an seinen Gouverneur Malik Aschtar:

„Verberge dich nicht für längere Zeit vor deinen Untertanen, denn das Abschirmen der Herrschenden von den Untertanen ist eine Art der Beschränktheit und (führt zu) geringem Wissen über das, was sie betrifft, und das Abschirmen von ihnen schneidet sie von dem (notwendigen) Wissen ab, das sich ihrer Wahrnehmung entzieht und sie (infolgedessen) wichtige Dinge bei ihnen zu kleinen und kleine zu großen werden, das Schöne (in ihren Augen) hässlich wird, das Hässliche schön und die Wahrheit mit Falschem verdorben wird. Denn der Herrschende ist auch nur ein Mensch, der keine Kenntnis über die Dinge hat, die die Menschen vor ihm verbergen.“

Um unter den Menschen zu sein und auf dem Laufenden zu bleiben, setzte sich Ali (F) auch an den heißen Sommertagen an einen schattigen Platz vor seinem Regierungssitz  und wartete dort auf die Leute, die mit ihm über ihre Schwierigkeiten sprechen wollten.  Er empfahl auch Malik Aschtar, dass er eine bestimmte Zeit festlegen soll, in der sich die anderen mit ihren Sorgen persönlich an ihn wenden können, und schrieb:

„Reserviere einen Teil (deiner Zeit) für die Leute, die ein Anliegen haben und mach dich frei für sie, halte für sie eine öffentliche Sitzung ab und sei darin Allah gegenüber demütig, Der dich erschaffen hat. Halte (dabei) deine Armee, deine Wachen und Ordnungskräfte von ihnen fern, damit der, der etwas vorzubringen hat, zu dir sprechen kann, ohne in Verlegenheit zu geraten. Denn ich hörte den Gesandten Allahs (s.) zu verschiedenen Gelegenheiten sagen:

„Eine Gemeinde,  in der das Recht des Schwächeren gegenüber dem Mächtigen nicht furchtlos vertreten wird, wird keine Reinheit erlangen.“ 

Ertrage dabei ihre Grobheit und ihre Unfähigkeit, sich auszudrücken. Vermeide es, ihnen Verdruss und Hochmut (zu zeigen). Allah wird dafür den Schirm Seiner Barmherzigkeit über dich ausbreiten …“

                                               

Der nahe und freundliche Kontakt zwischen einem Herrschenden und der Bevölkerung  ist unter anderem deswegen gut, weil  die Herrschenden rechtzeitig über die Bevölkerungsmeinung hinsichtlich  verschiedener Angelegenheiten erfahren und Mängel beseitigen können. Ali und seine Vertreter begrüßten daher die Kritik der Bürger. Die Beachtung der Öffentlichen Meinungen zählt also zu den Aufgaben einer Regierung und spricht für ihre Weitsicht und Vernunft. 

Imam Ali hat in seinen weisen Anleitungen eine allgemeine geistige Weiterentwicklung angestrebt. Er schätzte die Position des Volkes und wollte ihre Persönlichkeitsentfaltung fördern. Deshalb hat er sie in wichtigen schicksalhaften Fragen zu Rate gezogen. Bevor er  nach Schaam, dem damaligen Syrien in den Krieg gegen den unlauteren Muawiya ziehen wollte, hat er sich erst mit den anderen beraten, und zwar mit einer Gruppe der Muhadscherin (der ehemaligen Auswanderer aus Mekka) und Ansar (der Helfer des Propheten in Medina). Einige lehnten es ab, ein Heer für diesen Krieg aufzustellen und andere meinten, man solle nichts überstürzen. Der Imam richtete sich jedoch nach der Meinung der Mehrheit, nämlich in das Gefecht gegen die Kräfte des Muawiya zu ziehen.

Aus der Sicht von Imam Ali (F)  ist es sehr wichtig, sich mit anderen zu beraten und die Erfahrungen der anderen zu nutzen.

Der Imam bezeichnet die Erfahrung als den wichtigsten Rückhalt. Wer es begrüßt  verschiedene Ansichten kennenzulernen, der hat an den Gedanken der anderen teil und erfährt über die Fehler. Je gut auch jemand denken kann und wenn er auch noch so intelligent ist, so bleibt er doch immer ein Mensch und kann nur  e i n e Denkweise besitzen, aber wenn er sich mit den anderen berät und ihr Denken nutzt,  so wird er ein besseres Ergebnis erzielen.  Der Imam hat daher seinem Gouverneur Malik Aschtar wie folgt empfohlen:

 

"Lerne häufig von den Gelehrten und diskutiere mit den Weisen zur Stabilisierung der Angelegenheiten deiner Provinzen und zur Fortführung dessen, was die Menschen vor dir richtig gemacht haben."

Natürlich muss man sich mit den richtigen Leuten beraten. Daher rät Imam Ali seinen Vertretern bei einigen keinen Rat zu suchen, wie bei geizigen, ängstlichen oder gierigen Personen.  Denn Leute, die diese Eigenschaften aufweisen, werden den Menschen jeder auf seine Weise davon abhalten, die richtige Entscheidung zu treffen.