Jul 28, 2018 21:09 CET
  •  Islam richtig kennenlernen (140) 

Wir besprechen weiter die Regierungsmethoden Imam Alis (F) und möchten heute sein innovatives juristisches Vorgehen beschreiben.

Imam Ali (Friede sei mit ihm) war mehr als jeder andere Zeitgenosse mit der Islamischen Scharia und Jurisprudenz, welche die Grundlage für die juristische Gerechtigkeit bilden,  vertraut.  Die Helfer des Propheten haben diesen Satz wiederholt aus dessen  Munde gehört: "Ali kann besser als ihr alle ein Urteil fällen." Ali (F) besaß ein geläutertes Herz und ein geläutertes Herz ist im Islam  Voraussetzung für eine rechtmäßige Urteilsfällung und weil Ali innerlich rein war, war er auch vor Fehlern bei der Urteilsfällung sicher.  Umar Ibn Chattab hat daher gesagt: „Niemand soll, wenn Ali in der Moschee zugegen ist, ein religiöses Rechtsurteil herausgeben (außer ihm).“ 

Ali (F) kannte die Offenbarungslehre besser als jeder andere Wegbegleiter des Propheten. Er war ständig an der Seite des Propheten und hat gesagt: „Immer wenn ich dem Propheten eine Frage stellte, hat er mir geantwortet und wenn ich schwieg, hat er selber begonnen zu sprechen und mir ein Hadith (ein weises Wort) mitgeteilt." 

Imam Ali (F)

                                 

 

Nachdem Ali (F) das Kalifat akzeptiert hatte, hat er sich trotz zahlreicher Schwierigkeiten wegen ernsthafter Feinde und der Maßlosigkeit von Oppositionellen und den Heuchlern, der Jurisprudenz gewidmet.  Er war es, der in Wirklichkeit den ersten Gerichtshof, der dem Islamischen Recht entsprach, begründete.  Mit seiner gerechten Urteilsfällung verewigte er sich  in der Geschichte. Das juristische System, das Imam Ali in seiner  Regierungszeit einrichtete, war stark.  Er  vermochte die schwierigsten Streitfälle zwischen den Bürgern zu klären und erntete allgemeine Bewunderung, wenn er sein Urteil dazu einsichtig machte. Imam Ali (F)  setzte kreative Methoden ein und nutzte auf beste Weise sein Wissen. Er baute seine berechtigten Urteile auf der Logik und Vernunft auf.

Kennzeichnend war auch seine Entschlossenheit hinsichtlich der Durchführung von Gerichtsurteilen.  Wenn die gerechte Strafe für einen Übeltäter verhängt worden war, konnte keiner, ob er nun sehr bekannt oder einflussreich war, die Umsetzung des Strafmaßes verhindern. Selbst wenn der Übeltäter zu den Verwandten oder Freunden des Imams gehörte, konnte dies den Imam nicht davon abbringen, dass alle vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind.

Das Vorgehen andere Richter wurde von den Inspektoren des Imams überwacht und er setzte Richter bei einem Verstoß wieder ab.  Ein Richter musste in seinen Augen frei und selbständig entscheiden. Deshalb erlaubte er nicht, dass  jemand eine Akte, deren Untersuchung er als Richter begonnen hatte, an einen anderen Richter weiterleitet.

Es war Imam Ali (F) der an den Gerichten die getrennte Befragung von Zeugen einführte.  Vorher war es Sitte, dass die Zeugen zusammen vor Gericht erschienen. Sie fanden vorher  die Gelegenheit, sich  miteinander zu arrangieren und ihre Zeugenaussagen aufeinander abzustimmen. 

Wir möchten nun folgenden Gerichtsfall schildern: 

Ein junger Mann kam zu Ali (F) und bat um seine Hilfe. Sein Vater war mit  einigen Freunden auf Reisen gegangen und seine Freunde waren ohne ihn zurückgekehrt.  Imam  Ali (F) ließ die Freunde des Verschollenen kommen und befragte sie. Alle stellten sich ahnungslos und sagten, der Vater des jungen Mannes sei plötzlich spurlos verschwunden. Aber Ali (F) gab sich nicht mit ihrer Aussage zufrieden.  Er ordnete an, dass alle festgehalten werden und jeder in eine andere Zelle kommt. Einige Tage später befragte er nacheinander jeden Tag einen von ihnen.  Nachdem alle eine Zeugenaussage gemacht hatten, stellte Ali (F) fest, dass ihre Aussagen sehr widersprüchlich sind.  Also ließ er die Verdächtigen noch einmal kommen und erklärte ihnen dies. Da sahen sie sich gezwungen zugegeben was wirklich passiert war und es stellte sich heraus, dass sie den Vater des jungen Mannes umgebracht hatten. So kam die Wahrheit ans Tageslicht.

Die Gerichtsurteile Alis können zweifelsohne als  zuverlässiges Dokument für die gerechte Jurisprudenz im Islam herangezogen werden.  Gemäß den Grundlagen  der islamischen Jurisprudenz  sollen Methoden und Mittel zur Feststellung der Wahrheit herangezogen werden, die auf Wissen und Vernunft beruhen. 

Es gibt noch weitere wichtige Gesichtspunkte  bezüglich der Urteilsfällung Imam Alis, auf die wir exemplarisch hinweisen sollten. 

                 

Zu den Grundsätzen die bei der Untersuchung eines juristischen Falls  besonders zu beachten ist, gehört der Grundsatz von der Gleichstellung aller vor dem Gesetz. Imam Ali hat wahrhaftig am besten diesen Grundsatz verwirklicht. Er verteilte sogar seine Blicke zu gleichen Teilen auf die Streitparteien. Einem der Richter empfahl er: „Beachte den Grundsatz der Gleichheit unter den Muslimen in Bezug auf die Art, wie du sie anblickst,  mit ihnen sprichst und vor ihnen sitzt. Dies,  damit diejenigen, die dir nahestehen, sich keine Hoffnung darauf machen, dass du für sie Partei ergreifen  wirst und deine Feinde nicht die Hoffnung auf deine Gerechtigkeit aufgeben.“ 

Ibn Abi Al Hadid hat in seinem Kommentar zum Nahdsch-ul Balagha wie folgt berichtet:

„Ein Mann hatte in Anwesenheit von Ali (F)  bei Umar Ibn Chattab eine Klage gegen diesen eingereicht.  Umar wandte sich an Ali  und sagte: „O Abul Hassan! Steh auf und setzt dich neben den Kläger.“ Ali (F) folgte der Aufforderung und dann brachte jeder der beiden seine Argumente vor. Als die Sitzung zu Ende war, bemerkte Umar Spuren der Unzufriedenheit im Gesicht von Ali und fragte ihn nach dem Grund: „Bist du über diesen Vorfall verärgert?“ Ali antwortete mit einem Ja. Umar wollte den Grund wissen.

Ali erklärte: „Was mich gestört hat, ist,  dass du mich in Anwesenheit des Klägers mit dem Beinamen angeredet hast, während  du mich mit meinem Namen hättest ansprechen müssen und mir keinen Vorteil gegenüber ihm hättest einräumen dürfen.“ Dann fügte er ergänzend hinzu:

„Jemand, der als Richter für das Volk tätig ist, muss die Streitparteien gleich behandeln – sowohl beim Anblicken als auch bezüglich des Platzes, wo er sitzt,  als auch bezüglich seiner Gestik.“

                          

Ein weiteres wichtiges Merkmal der  gerechten Jurisprudenz ist für Imam Ali (F)der Grundsatz, dass die Gerichtsverhandlung öffentlich stattfinden muss. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Öffentlichkeit die Treue zum Prinzip der Gerechtigkeit überwachen kann und die Bevölkerung über das Schicksal von Übeltätern und Verbrechern erfährt und für sich eine Lehre daraus zieht.

Daher  hat Imam Ali die Gerichtssitzungen in der Hauptmoschee von Kufa abgehalten. Allerdings hielt er eine öffentliche Gerichtssitzung nicht für richtig, wenn  dies zur Verbreitung von Sünde und Verdorbenheit geführt hätte.

Ein weiterer wichtiger Aspekt den Ali (F) berücksichtigte, war, dass er  den Streitparteien während der Gerichtsuntersuchung genug Zeit  und Gelegenheit gab sich zu verteidigen bzw. die  Anklage zu begründen.

Interessant ist auch wie sehr der Imam auf die menschliche Würde bei der Behandlung von Übeltätern und Angeklagten achtete.  Er verbot jegliche  Folterung von Angeklagten bei den Verhören. Er behandelte auch diejenigen, die zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, gütig und kümmerte sich um eine der Jahreszeit angemessene Bekleidung für sie und um  die Ernährung und weitere Bedürfnisse von ihnen.

 

 

Grabmoschee von Imam Ali (F)

 

Es gibt in den historischen Aufzeichnungen viele erstaunliche Beispiele darüber, wie Imam Ali (F) Gerichtsfälle klärte, doch es würde  den Rahmen dieses Beitrages sprengen, noch mehr davon vorzulegen.  Es sei aber noch erwähnt, dass der Rang Imam Alis aufgrund seines  Wissens und in Bezug auf seine gerechten Urteile nicht nur den Muslimen bekannt ist. Es gibt auch eine ansehnliche Zahl  von nicht-muslimischen Denkern die diesen Rang anerkennen.

Der französischsprachige Schriftsteller Gabriel Enkiri beschreibt zum Beispiel in seinem Buch „Die beiden Helden des Islams, Ali und  Hussein“ (Les Deux Heros de L`Islam Ali Hussein) den hohen Wissensstand Imam Alis wie folgt:  „Imam Ali hat auf dem Gebiet der Jurisprudenz eine neue Epoche eröffnet. Während der Zeit der drei (vorherigen) Kalifen hat man bei ihm in allen kritischen und schwierigen Fragen  Rat eingeholt.  Immer wenn eine komplizierte Frage anstand, forderte die öffentliche Meinung die Lösung des Problems  mit den Worten: Man muss für einen Ausweg  Abu-l Hasan (Ali) um Rat bitten.“

In der Tat hat Ali (F) einen neuen Abschnitt in der Jurisprudenz eröffnet. Seine  juristische Handhabung wird durch seine Gerechtigkeit geprägt und zeichnet sich durch hohes Wissen und Weisheit aus. Er handelte nach Grundsätzen, die jeder gerechte Mensch anstrebt.