Lotsen zum göttlichen Hafen (25)
Nachdem wir kurz im letzten Teil Hinweise auf die Kalifen Abu Bakr und Umar gegeben haben, bitten wir Sie unsere Sendereihe weiter zu verfolgen.
Umar ibn Chattab regierte 12 Jahre lang. Im Jahre 23 nach der Hidschra, verübte einer seiner Gegner einen Anschlag auf ihn und er starb einige Tage später. Kurz vor seinem Tod ordnete er die Übernahme des Kalifats durch drei Personen an, falls diese noch leben: Maadh ibn Dschabal , Abu Ubaidah Dscharrah und Salim Maula Abu Hudaifa. Aber alle drei waren schon tot. Umar führte daraufhin eine neue Methode zur Bestimmung seines Nachfolgers ein und zwar bestimmte er sechs Personen, die alle Gefährten des Propheten gewesen waren (F). Diese sollten drei Tage lang beraten und dann den neuen Regenten der Muslime unter sich wählen.
Nach dem Ableben des Propheten und sogar schon vorher hatten einige Gefährten des Propheten, ungeachtet der Bekanntgabe des Imamats von Ali (F) in Ghadir Khum
bzw. seines Letzten Willens, sich für Abu Bakr als Kalifen entschieden. Abu Bakr hatte später kurz vor seinem Tod ohne die Allgemeinheit zu befragen, Umar zu seinem Nachfolger bestimmt. Umar Ibn Chattab, der eingestanden hatte, dass Abu Bakr ohne Befragung aller Muslime zum Kalifen gewählt worden war, erklärte, es müsse für die Bestimmung des Kalifen nach ihm ein 6-köpfiger Rat gewählt werden. Zu diesem Rat gehörte auch Ali Ibn Abi Talib. Weitere Mitglieder waren Uthman ibn Affan, Zubair Ibn Awwam, Talha ibn Ubaidullah, Saad ibn Abi Waqqas und Abdurrahman ibn Auf.

Abbildung im Geschichtswerk Tarich-e Bal`am (10. Jh.n.Chr.)
Umar hatte angeordnet, dass derjenige Kalif werden sollte, den die Mehrheit des Rates unter den Ratsmitgliedern gewählt hat und falls jeweils 3 Personen anderer Meinung seien, der Rat die Entscheidung der Gruppe von 3 Personen annimmt, in der sich Adurrahman Auf befindet. Jedes Ratsmitglied, welches sich gegen die Entscheidung der Mehrheit stellt, solle getötet werden, so ordnete er an und falls alle 3 Mitglieder der Gruppe, die anderer Meinung ist als Abdurrahman, die Entscheidung der Mehrheit ablehnt, sollte für sie alle das Todesurteil gelten. Außerdem seien alle 6 Ratsmitglieder zu töten, wenn sie nach drei Tagen keine Entscheidung getroffen hätten. 50 der Ansar – der Muslime aus Medina – waren beauftragt, die Durchführung dieses Letzten Willens von Umar zu überwachen.
Einige vertreten die Ansicht, dass die Zusammensetzung des Rates von vorneherein auf eine Weise festgelegt wurde, dass in jedem Falle aufgrund der vorhandenen Verwandtschaftsverhältnisse Uthman zum Nachfolger von Umar gewählt werden würde. Wie Imam Ali (F) voraussah, würde Saad ibn Abi Waqqas nicht die Meinung von Abdurrahman ablehnen, weil er sein Cousin war, und Abdurrahman würde für Uthman stimmen weil er sein Schwager war. Selbst wenn außer Zubair auch Talha für Ali (F) stimmte, hätte es nichts genützt, denn Abdurrahman war ja in der Gruppe, die für Uthman war. So kam es dann auch: Saad trat gleich zu Anfang der Beratung zugunsten von Abdurrahman von der Kandidatur für das Kalifat zurück, während Zubair zur Unterstützung von Ali (F) darauf verzichtete zu kandidieren. Auch Abdurrahman erklärte, er wolle nicht Kalif werden und Talha, der Cousin von Abu Bakr und Gegner von Ali gab die Kandidatur zugunsten von Uthman auf. Also kamen nur noch Ali (F) und Uthman als Anwärter in Frage. Nun kam es darauf an, wie Abdurrahman sich entscheidet. Dieser sagte zu Ali (F) er solle sich verpflichten, als Kalif den Koran und die Vorgehensweise des Propheten (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) sowie die Vorgehensweise der beiden vorherigen Kalifen, Abu Bakr und Umar befolgen. Ali (F) sagte daraufhin in Ablehnung der an dritter Stelle genannten Bedingung:
„Ich hoffe, dass ich im Rahmen meines Wissens, meiner Kräfte und meines Idschtihad – der Fähigkeit zur selbständigen Rechtsfindung – gemäß dem Koran und der Sunna – der Vorgehensweise des Propheten (S) - handeln werde.“ Darauf stellte Abdurrahman dem Uthman dieselben Bedingungen wie vorher, darunter die Befolgung der Methodik der vorherigen Kalifen. Als dieser sofort zustimmte, entschied Aburrahman sich für ihn und schwor ihm den Treueid.
In einigen Quellen steht, dass Ali (Friede sei mit ihm) die Bedingung des Abdurrahman als eine List bezeichnet hat und zu ihm gesagt hat: „Du hast Uthman gewählt, damit sein Kalifat auf dich zurückgeht. Es ist nicht das erste Mal, dass ihr euch über die Ablehnung gegen uns, die Ahle Bayt des Propheten zusammentut und uns von dem abhaltet, was uns zusteht. Dies ist zu einer gegen uns gerichteten Gewohnheit geworden.“
Uthman nahm also die Angelegenheiten der Muslime in die Hand. Aber entgegen dem was er versprochen hatte, beachtete er nicht nur nicht die Vorgehensweise des Gesandten Gottes (S), sondern er entfernte sich auch von der Regierungsweise des Abu Bakr und Umar. Viele islamische Grundsätze und Werte ignorierte er und zeigte Entscheidungsschwäche. Er holte den mit ihm verwandten Marwan und dessen Vater Hakam nach Medina zurück, obwohl der Prophet diese beiden aus der Stadt verbannt hatte. Dazu waren weder Abu Bakr noch Umar bereit gewesen, als Uthman sie darum gebeten hatte. Uthman ließ sogar seinem Cousin Marwan ibn Hakam freie Hand bei politischen Entscheidungen und ließ ihn zu seinem Minister aufsteigen. Marwan gelangte auf allen möglichen Wegen zur Durchführung seiner persönlichen Ziele. Ein anderes Beispiel ist Walid Ibn Uqba, ebenso ein Verwandter von Uthman. Uthman hatte ihn als Gouverneur von Kufa gewählt. Doch Walid verletzte offen die Gebote des Islams. Einmal verrichtete er in der Moschee vom Wein berauscht das Gebet falsch: Anstelle der zwei Gebetsabschnitte für das Morgengebet verrichtete er vier Abschnitte (Raka`) und sagte zu den Moscheebesuchern: „Wenn ihr wollt, verrichte ich noch mehr Raka`.“ Alle hatten von der diesem Abenteuer erfahren aber Uthman bestrafte ihn nicht gemäß dem Islam wegen seines Alkoholkonsums. Dem Propheten (S) war zu Lebzeiten sogar ein Vers offenbart worden, der sich auf Walid bezog und in dem dieser als Fasiq bezeichnet wurde- d.h. jemand der Gott gegenüber ungehorsam ist.
Als Uthman herrschte, verlangte er einmal, dass Ali (F) Medina verlässt. Nach einiger Zeit merkte er jedoch, dass durch dessen Abwesenheit eindeutig eine Lücke entstanden war und bat ihn zurückzukehren. Doch bald ließ er Ali (F) durch Ibn Abbas ausrichten, dass er erneut Medina verlassen solle. Ali missbilligte dieses labile Verhalten von Uthman . Er sagte zu Ibn Abbas: „Uthman möchte dass ich wie ein Kamel das Wasser trägt immer den gleichen Weg hin- und hergehe. Er lässt mich wissen, dass ich Medina verlassen soll und dann fordert er mich auf zurückzukehren und nun schickt er dich, damit ich Medina verlasse. Bei Gott, ich habe Uthman so sehr verteidigt, dass ich fürchte ein Sünder zu sein.“ (gemäß: Siri dar Nahdschul Balagha, S. 174, Farsi)
Während des Kalifats von Uthman kam es zu vielen Missständen. Einige bereicherten sich am Bait-ul Mal – an der Volkskasse. Die Sitten des Propheten wurden missachtet, ebenso wie Entscheidungen, die die vorherigen Kalifen getroffen hatten. Kompetente Personen wurden ihres Amtes enthoben und ihre Verantwortungen an unwürdige Verwandte weitergegeben. Uthman verbannte Abu Dharr den bedeutenden Gefährten des Propheten, in die Wüste Rabadha, weil er das Volk über die Raffgier einiger aufklärte. Auch wurde Ammar ibn Yasir, der treue Helfer des Islams und des Propheten (S) fast zu Tode geprügelt. Das Volk war aufgebracht über diese Missstände. Nach einer vierzigtägigen Belagerung des Hauses von Uthman, gegen die Ali (F) übrigens offen und insgeheim vorgegangen war, wurde Uthman ermordet. Das Volk hatte lange Zeit Abweichungen vom Islam, viel Ungerechtigkeit und Vertragsbruch erlebt und setzte nun Hoffnung in Ali (F), der sich 25 Jahre lang bewusst zurückgehalten hatte. Ali (F) sagt über diesen allgemeinen Wandel: „Ich sah mit Verwunderung, dass die Leute plötzlich von allen Seiten auf mich zustürmen und zwar in einem Maße, dass Hasan und Husain beinahe unter ihre Füße geraten wäre. Mein Übermantel wurde an beiden Seiten zerrissen und die Menschen umringten mich.“

Die Leute bedrängten Ali (F) nicht unbedingt deswegen, weil sie ihr bisheriges Verhalten bereuten. Zum Teil ging es ihnen einfach um die Wahrung ihrer Interessen und Gewinnung von Machteinfluss, wie sich noch zeigen sollte. Ali (F) sagte später darüber (in der Ansprache 3 Nadschul-Balagha)
„Doch als ich die Angelegenheit (des Kalifats) übernahm, brach eine Gruppe von ihnen den Treueid, eine andere irrte von der Wahrheit ab und andere handelten ungerecht, als ob sie nie (die Worte) Allahs gehört hätten: "Jene Wohnstatt des Jenseits, die Wir denen geben, die auf Erden keine Erhöhung und keine Verderbnis wünschen, und das Ende gehört den Gottesehrfürchtigen."
(Sure 28 (Qasas) Vers 83) Doch nein! Bei Allah, sie haben es gehört und waren sich dessen bewusst, aber das Diesseits schien ihnen in ihren Augen schöner, und ihr Schmuck gefiel ihnen (besser). Bei dem, der das Saatkorn aufspaltete und den Menschen erschuf, wenn mir nicht durch die Anwesenheit der vielen, die den Treueid schwören wollten, der letzte Beweis geliefert worden wäre und wenn Allah den Gelehrten nicht aufgetragen hätte, dass sie die Übersättigung der Ungerechten und den Hunger der Unterdrückten nicht hinnehmen sollen, würde ich die Zügel (des Kalifats) auf dessen Widerrist abwerfen, und den letzten Kalifen genauso wie den ersten betrachtet. Dann würdet ihr sehen, dass diese eure Welt in meinen Augen dürftiger ist als der Schleim (aus der Nase) einer Ziege (wenn sie niest).“
Die Leute die Ali (F) nach Uthman als Kalifen wollten, hatten jahrelang seine Ernennung zum Nachfolger des Propheten durch diesen in Ghadir Khum übergangen und damals die Entscheidung von Safiqa akzeptiert. Deshalb sagte er zu den Menschen vor seiner historischen Rede, die nur einen kleinen Teil der bitteren Tatsachen in der Geschichte der Islamischen Glaubensgemeinde aufdeckte: „Wenn ich euer Wesir und Unterstützer sein soll, dann ist es besser, als wenn ich eurer Befehlshaber bin. „ Er hat sogar gesagt: „Wenn ihr mich wieder verlasst und einen anderen wählt, werde ich mich nicht dagegen auflehnen.“
Doch das Volk ließ nicht nach und so sah Ali (F) keine andere Wahl, als auf ihre Forderung einzugehen und das Amt des Kalifen zu übernehmen.