Lotsen zum göttlichen Hafen (28)
Wir machen Sie heute mit den Werken, die Imam Ali (F) hinterlassen hat, vertraut.
Zum Schluss unseres letzten Teils haben wir darauf hingewiesen, dass das bewegte Leben von Imam Ali (F) mit seinem Märtyrertod endete. Als seine Erzgegner, die Umayyaden, davon erfuhren, glaubten sie, sein Name würde bald ausgelöscht werden. Sie waren sich nicht darüber im Klaren, dass dieser große Gottgläubige dank Gottes Willen bis ans Ende der Geschichte nicht vergessen werden wird.
Abgesehen von allen einmaligen unvergesslichen Attributen, die Ali (F) besaß hat er uns auch die Ansprachen und Schreiben und Weisheiten vermacht, die im Nahdsch-ul Balagha stehen. Der Inhalt dieses Werkes zieht auch noch nach Jahrhunderten die Aufmerksamkeit von Denkern und Gelehrten auf sich. Im Nahdsch-ul Balagha steht Hervorragendes über die Einheit Gottes und Gottes Gerechtigkeit, über die Erschaffung des Menschen, die Gottesfürchtigkeit und viele weitere Dinge wie die Gefahren des Weltlichen, über Satan und die Kritik an einigen Prophetengefährten, über die Vorzüglichkeit des Prophetenhauses, die Eigenschaften der Gottesfürchtigen und der Gläubigen sowie der Heuchler und die Umayyaden, über den Tod , über Regierungen und Völker, und an einigen Stellen werden Verse des Korans erklärt.
Wie der Koran enthalten die Worte Alis Mahnungen und plastische Beispiele für alle wahrnehmbaren und rationalen Dinge und sie führen den, der aufmerksam seinen Worten folgt, nach und nach an das beste Ziel heran.

Nahdsch-ul Balagha besteht aus drei Teilen. Der erste davon enthält die Ansprachen und Verfügungen des Imams, der zweite seine Briefe und Ratschläge und der dritte kurze Weisheiten, alles formuliert auf höchster literarischer Stufe.
Zu Lebzeiten des Propheten Gottes (Gottes Segen sei auf ihm und seinem Hause) wurden die Worte Alis (Friede sei mit ihm) nicht festgehalten, ebensowenig in der Zeit der ersten drei Kalifen. Das Nahdschul Balagha umfasst nur Aussagen Imam Alis (F) aus der Zeit, als er der Kalif war und es handelt sich auch nur um einen Teil davon. Im Jahre 400 nach der Hidschra und dem Mondkalender (Anfang 11. Jahrhundert nach Christus ) hat Sayyid Radhi begonnen, das Werk Nahdschul Balagha zusammenzustellen. Viele sehen in diesem Werk angesichts seiner exzellenten Ausdrucksweise das zweitschönste Buch nach dem Koran. Nahdschul Balagha wird daher auch der kleine Bruder des Korans genannt.
Von Ibn Abi al-Hadid, einem der bedeutenden Gelehrten der Mutazila, der im 7. Jahrhundert nach der Hidschra (13. Jahrhundert n. Christus) gelebt hat, stammt ein 20-bändiger Kommentar zum Nahdschul-Balagha (Scharh-i Nahdschul-Balagha). Al-Hadid, selber eine literarische Größe, war sehr beeindruckt von Alis Fähigkeit sich auszudrücken und hat ihn schon im Vorwort deswegen wie folgt gelobt: Zu Recht heißt es, dass die Rede Alis tiefer steht als die des Schöpfers und höher als die der Geschöpfe. Die Gebildeten haben von ihm die Kunst der Ansprache und des Schreibens gelernt.“
Im vierten Band seines bekannten Buches hat Ibn Abi al-Hadid bei der Erläuterung des Briefes 35 im Nahdschul- Balagha, der an den Befehlshaber von Basra gerichtet ist, geschrieben: “Sieh nur wie die Eloquenz ihre Zügel in die Hand dieses Mannes gelegt hat. Sieh nur die wundersame Zusammenfügung der Wörter, als habe man ihm die Worte gesagt und seien sie ihm eines nach dem anderen zur Verfügung gestellt worden ... Wie eine lebendige Quelle, die von selber aus der Erde hervorsprudelt und zu fließen beginnt. Alle Ehre gebührt Allah! Ein junger Mensch wächst in der Stadt Mekka auf. Er besucht keinen Gelehrten, aber seine Worte kommen in der theoretischen Philosophie höher zu stehen als die Worte von Platon und Aristoteles. Er hat nicht mit den Philosophen verkehrt, aber er übertrifft Sokrates.“
Auch Scheich Mohammad Abdu (1849-1905) der einmal der Großmufti von Ägypten war ist von dem Nahdschul Balagha begeistert gewesen und hat einen Kommentar dazu geschrieben. Er sagt in der Einleitung: „Es gibt unter den Arabischsprachigen keinen einzigen, der nicht davon überzeugt wäre, dass die Rede Alis (F) nach dem Koran und nach dem Wort des Propheten die edelste Redeweise ist.“
Damit bestätigt er was Imam Ali selber gesagt hat, nämlich: „Wir sind wahrlich die Befehlshaber der Rede, das Wurzelwerk des Baumes der Sprache reicht bei uns tief hinab und seine Zweige hängen von oben auf unseren Kopf herab.“

Ganz abgesehen von den anderen hervorragenden Eigenschaften des Nahdschul Balagha besitzt dieses Werk auch eine gewaltige mystische Faszination. Manchmal verleihen seine Worte über Gott und die göttliche Herrlichkeit dem Leser das Gefühl, auf Engelsschwingen die entferntesten Punkte menschlichen Denkens erreicht zu haben. Und der Mensch beginnt zu beben, wenn Ali, um ihn aus dem Schlummer der Gleichgültigkeit aufzuwecken, von dem üblen Ausgang früherer Völker und dem Tod spricht. Bei der Beschreibung der himmlischen Welt des Gott-Eingedenk-Seins sagt er in Ansprache 220: „Gott hat die Erinnerung an Ihn (Dhikr) dazu bestimmt, die Herzen auf Hochglanz zu bringen. Auf diese Weise werden die Herzen nach ihrer Taubheit hörend und nach ihrer Blindheit sehend und nach ihrer Rebellion ergeben.“ Ali, dessen Seele bei der nächtlichen Andacht die Himmelsphären durchwandert und der die lebensspendenden Strahlen des göttlichen Lichtes mit seinem ganzen Sein wahrnimmt, beschreibt daraufhin den Befindlichkeit der Wanderer auf dem mystischen Wege zu Gott wie folgt: „Die Engel umringen sie und Ruhe kehrt in sie ein. Ein Ort der endlosen Gnaden Gottes steht für sie bereit ...Wenn sie Gott rufen, verspüren sie den lebensspendenden Hauch göttlicher Vergebung und Nachsicht und das Weichen der Schleier der Sünde...“
Das universale Denken Alis ist nicht auf den Inhalt des Nahdschul Balagha beschränkt und auch nicht auf seinen Glauben und seine Moral, seine sozialen, politischen und kulturellen Prinzipien und seine Scholastik und Philosophie. Vielmehr begegnen wir dieser Universalität auch in seinen Bitt- und Lobpreisgebeten und in seinem mystischen Leben. Seine Gebete weisen einen sehr tiefen Sinn auf und sie umfassen sowohl individuelle als auch soziale Angelegenheiten. Sie spiegeln die spirituelle Atmosphäre in den einzelnen Monaten des religiösen Mondkalenders wieder, insbesondere im Monat Radschab, Schaaban, und Ramadan und auch seine Gebete für die einzelnen Wochentage und besondere Anlässe versetzen den Betenden in eine besondere spirituelle Stimmung. Man kann sich davon anhand des Sahifa Alawiya überzeugen, welches die Bittgebete und Anflehungen Alis (Friede sei mit ihm) enthält. Diese kostbare Gebetssammlung wurde von dem angesehenen schiitischen Gelehrten Abdullah Ibn Salih Samahidschi im 10. Jahrhundert nach der Hidschra und dem Mondkalender (16. Jahrhundert nach Christus) zusammengestellt und fand bei den Hadithkundigen und Gelehrten als zuverlässiges Dokument Anerkennung. Sahifa Alawiya umfasst mehr als 150 Bittgebete (Dua). Angesichts seiner Universalität kann von einer Charta des Bittgebetes die Rede sein. Einige Gelehrten haben einen Vergleich zu dem Sahifa Sadschayah seines Enkels Imam Sadschad (F), dem vierten Imam gezogen. Der 1902 verstorbene renommierte Hadith-Gelehrte Muhaddith Nuri ), der für sein Werk Mustadrik al Wasail bekannt wurde , hat - in Ergänzung zu dieser Gebetssammlung - das Sahifa Thaniyah Alawiyah – das zweite Sahifa Alawiya - angefertigt hat und dies zeugt für den hohen Wert des Sahifa Alawiya aus der Sicht der Gelehrten und Hadithkundigen.

Ghurar ul Hikam wa Dorar ul Kalim („Die höchsten Weisheiten und Perlen der Rede“) ist ein weiteres wichtiges Werk, in dem kurze Zitate und Weisheiten Imam Alis an uns weitergegeben worden sind. Dieses Werk umfasst beinahe 11 Tausend überlieferte kurze Zitate des Fürsten der Gläubigen – Amir al muminin. Zusammengestellt hat es ein Hadithologe und Rechtsgelehrter der Stadt Amid, im türkischen Kurdistan. Er lebte im 5. Jahrhundert nach der Hidschra bis Anfang 6. Jahrhundert ( 11. bis Anfang 12. Jahrhundert nach Christus) und ist bekannt als Abul Fath al Amidi (genauer: Abū l-Fatḥ Nāṣiḥ al-Dīn ʿAbd al-Wāhid b. Muḥammad al-Āmidī ). Viele angesehene Gelehrte haben aus diesem Werk zitiert. Es existieren noch zahlreiche Manuskripte von diesem Buch in bekannten Bibliotheken, wie der Bibliothek des Imam-Ridha-Heiligtums in Maschhad, der Bücherei der Islamischen Parlamentsversammlung, der der Schahid-Motahhari-Hochschule sowie Bibliotheken in Holland, Türkei, England und Frankreich. Das 7-bändige Werk „Die höchsten Weisheiten und Perlen der Rede“ wurde wiederholt im Iran, im indischen Bombay, libanesischen Sidon, und in Ägypten und Syrien aufgelegt.
Das Werk ist auch in die Farsi- sowie die Urdusprache übersetzt worden. Dschamaluddin Mohammad Chwansari ein renommierter schiitischer Gelehrter des 18. Jahrhunderts hat einen Kommentar zu ihm geschrieben.
Ghurar ul Hikam wa Dorar ul Kalim setzt sich aus 91 Kapiteln zusammen. Sie sind alphabetisch nach den Themen geordnet, und zwar Fragen des Glaubens, der Ethik, des Wissens und der Gesellschaft.
Es ist eine wichtige Sache, dass die einmaligen Ansprachen und Schreiben und Weisheiten Imam Alis in der Gesellschaft und von den Zentren für Wissenschaft, Kultur und Politik und Regierungseinrichtungen studiert werden, damit diese mit Hilfe des Allmächtigen und aufgrund eines allgemeinen Verantwortungsgefühls einer Welt, die nach Gerechtigkeit und menschlichen Idealen dürstet, ein geeignetes Bild vom Denken und Handeln Alis (F) vorlegt.
Natürlich werden all die hohen Ziele Imam Alis dann Wirklichkeit werden, wenn Gott in der Endzeit den Verheißenen Imam Mahdi in Erscheinung treten lässt und die göttlichen Verheißungen Wahrheit werden. In der Hoffnung auf diese helle Zukunft laden wir sie ein, diese Sendereihe weiterzuverfolgen. Beim nächsten Mal werden Sie mehr über Leben und Wirken des nachfolgenden Imams erfahren.