Lotsen zum göttlichen Hafen (und ihre Politik) (41)
Wir wollen uns mit der Frage auseinandersetzen, warum Imam Sadschad (F) nicht mit einem bewaffneten Aufstand gegen die Umayyadenherrscher vorgegangen ist.
Wir haben beim letzten Mal davon gesprochen, welche Wirkung die Ansprache von Imam Sadschad (F) in der Moschee in Schaam auf die Bevölkerung hatte und an die Rolle erinnert, die Regenten und Religionsgelehrte dabei spielen, ob eine Gesellschaft geheilt wird und sich weiterentwickelt oder dekadent wird und zugrunde geht.
Yazid war besorgt, dass es nach der Rede Imam Sadschad (F) zu einem Aufruhr kommt. Er alarmierte alle Spitzel und Handlanger. Aus Medina erreichte ihn die Nachricht, dass sich die dortige Bevölkerung gegen seine Herrschaft erhoben hat. Da schickte er ein Heer, mit dem Befehlshaber Muslim ibn Uqba an der Spitze, auf den Weg nach Medina. Muslim ibn Uqba war berüchtigt und wegen seiner maßlosen blutigen Verbrechen unter dem Beinamen "Musrif" bekannt. Ibn Uqba befahl seinen Kriegern ein dreitägiges Massaker unter den Bewohnern von Medina anzurichten und sich an der weiblichen Bevölkerung zu vergreifen. Sie sollten sogar die Heilige Grabstätte des Propheten schänden. Medina war die Stadt, über die der Prophet (S) gesagt hat: „O Gott! Lass über den, der den Menschen in Medina Unrecht antut und ihnen Angst einjagt, Deinen Fluch kommen ...“ Und nun war dieses Medina von den Söldnern einer der Umayyaden überfallen worden, die sich selber zum Vertreter des Propheten ernannt hatten und die edlen Nachkommen des Propheten Gottes wegen Widerstand gegen Yazid niedergemetzelt hatten weil sie angeblich keine Gläubigen mehr waren.. Die Soldaten Yazids töteten in Medina mehrere nahe Helfer des Propheten aus der Frühzeit des Islams.

Muslim ibn Uqba machte sich sogar auf den Weg nach Mekka. Er sollte Abdullah ibn Zubair, der eine Art Gegenkalif zu den Umayyaden war, stürzen. Doch unterwegs starb er und Yazid bestimmte Husain ibn Numair zum neuen Befehlshaber. Zunächst kam es vor der Stadt Mekka zur Schlacht zwischen ihm und Abdullah ibn Zubair. Dieser floh nachdem er viele seiner Krieger verloren hatte, in die Stadt zurück. Das Heer des ibn Numair belagerte Mekka mehr als zwei Monate lang. Ibn Numair missachtete die Hoheit der Heiligtümer in Mekka. Er ließ glühende Steine auf die Kaaba abfeuern, die das Haus Gottes in Brand setzten. Seine Soldaten massakrierten wehrlose Bewohner von Mekka und plünderten sie aus. Aber schließlich gab Husain ibn Numair die Belagerung der Stadt auf, denn es erreichte ihn die Nachricht vom Tod des Yazid. Das war 64 nach der Hidschra und dem Mondkalender. 683 nach Christus.
Man bedenke, zu welchem Zeitpunkt die Umayyaden und ihre Vasallen trotz ihres geheuchelten Glaubens es wagten, die Heiligkeiten des Islams anzugreifen und eine Tragödie wie Aschura hervorzurufen, in der Stadt des Propheten, Medina, ein Blutbad anzurichten und das Haus Gottes in Mekka in Brand zu stecken. In Wahrheit hatten alle Abweichungen in dem Moment begonnen wo die Machtbestrebten den Islam instrumentalisierten und ignorierten, dass der Prophet (S) , in Ghadir Chum, Ali (F) auf Gottes Befehl hin zu seinem Nachfolger bestimmt hatte. Daraufhin setzten die Abweichungen ein und nach nur 50 Jahren war der wahre Islam des Propheten von dem gefälschten Islam der Umayyaden verdrängt worden. Dies bestätigt sogar der Sohn des Yazid. Muawiya ibn Yazid hat nach dem Tod seines Vaters und der Machtübernahme in einer Rede das Vorgehen der Umayyaden heftig kritisiert und die Tragödie von Aschura sowie den Angriff auf Medina und Mekka verurteilt und sich von dem Clan der Umayyaden distanziert. Er trat nach kurzer Zeit von der Macht zurück und erklärte, dass das Kalifat der Familie des Propheten (S) gebührt.
Wenn Imam Ali (F) nach dem Propheten das Kalifat und Imamat der jungen islamischen Gemeinde übernommen hätte und ihm nicht das selbstverständliche, ihm von Gott zugedachte Recht entzogen worden wäre, dann wären zweifelsohne niemals Leute wie Muawiya und Yazid in der Islamischen Welt an die Macht gelangt und wäre es nie zu jenen erschütternden Tragödien gekommen.
Einige mögen sich nun fragen, wieso Imam Sadschad (F) nicht mit Waffen den Angriff auf die Heiligen Stätten in Medina und Mekka abgewehrt hat.

Imam Sadschad (F) hatte erlebt, welche bittere Erfahrung sein Großvater Ali (F) während der Siffin-Schlacht gegen Muawiya und sein Onkel Imam Hasan (F) im bewaffneten Kampf gegen diesen Umayyaden wegen Unwissenheit und Verrat in den eigenen Reihen gemacht hatte. Er hatte gesehen, wie diese Untreuen an dem blutigen Drama von Aschura mitbeteiligt gewesen waren. Daraus hatte er den Schluss gezogen, dass ein bewaffneter Aufstand nicht zum Vorteil der Islamischen Welt sein wird und das Blut von tausenden Menschen sinnlos vergossen werden würde. Also nahm er mit seinen mutigen verbalen Angriffen den unbewaffneten Kampf auf, so wie Imam Hasan (F) nach dem aufgezwungenen Friedensschluss und Imam Husain (F) ihn zur Zeit des Muawiya geführt hatten. Er hüllte sich nicht in Schweigen sondern machte einerseits die Reinheit der Familie des Propheten Gottes klar und enthüllte andererseits die schmutzige Natur der Umayyaden. Imam Sadschad rüttelte das Gewissen des Volkes wach und schuf die notwendigen Grundlagen für einen allgemeinen Aufstand gegen die umayyadische Dynastie. Einige urteilten oberflächlich und behaupteten, Imam Sadschad (F) scheue die Härten des Dschihads – Sie beriefen sich dabei auf den Vers 111 der Sure 9 (Tauba) wo es über die Gläubigen heißt: „Allah hat von den Gläubigen ihre eigene Person und ihren Besitz dafür erkauft, dass ihnen der (Paradies)garten gehört: Sie kämpfen auf Allahs Weg, und so töten sie und werden getötet“
Aber der Imam erwiderte ihnen: „Wenn ihr Menschen sehen solltet, die die von Gott im nächsten Vers der Sure Tauba genannten Attribute aufweisen, bin ich zu dem Aufstand und der Bekämpfung des verdorbenen Systems der Umayyaden bereit. .Diejenigen nämlich, die Gott wie folgt beschreibt:
„ die in Reue Umkehrenden, die (Allah) Dienenden, die Lobenden, die Fastenden, die sich Verbeugenden, die sich Niederwerfenden, die das Rechte Gebietende und das Verwerfliche Verbietenden, die Allahs Grenzen Beachtenden, und verkünde den (wahren und aufrichtigen)Gläubigen frohe Botschaft.“
Natürlich hätte Imam Sadschad (F) , wenn er solche hervorragende Menschen zur Seite gehabt hätte, das Banner des Kampfes hissen und die Umayyaden entmachten und ihre Angriffe auf die Heiligen Städten in Mekka und Medina verhindern können. Ein weiterer Beweis dafür, dass der Imam keine oder zu wenige treue Helfer für einen Aufstand hatte, besteht darin, dass Individuen wie Abdullah bin Zubair die Macht an sich reißen konnten. Auf der einen Seite erhob Abdullah bin Zubair, der im Krieg mit dem Leben davon gekommen war und schon seit Jahren ein Auge auf das Kalifat geworfen hatte, nach dem Tod von Yazid Anspruch auf die Herrschaft in Mekka. Die Bevölkerung im Hidschaz (wozu Mekka gehört), im Jemen und Irak und im iranischen Chorasan schwor ihm sogar die Treue. Andererseits hatte Marwan ibn Hakam , einer der erbitterten Feinde des Propheten (S), der auf dessen Befehl einst aus Medina ausgewiesen worden war, in Damaskus nach Abdanken von Muawiya ibn Yazid die Macht übernommen und das damalige Großsyrien und Ägypten unterworfen. Im Jahre 65 nach der Hidschra gelangte sein Sohn Abdulmalik Marwan an die Macht. Er ließ Mekka belagern, den dort herrschenden Abdullah ibn Zubair festnehmen und töten. Abdulmalik hielt nach der Tötung von ibn Zubair in Medina eine Rede. Diese beendet er mit folgender Drohung: „Bei Gott. Ab nun werde ich jeden töten, der mir vorschreiben will, die Gottesfürchtigkeit zu beachten.“
Abdul Malik war in der Tat sehr grausam und schreckte nicht davor zurück seine Gegner umzubringen. Die Leute in seiner Umgebung und seine Statthalter in Irak, Chorasan, Medina, Ägypten und Jemen waren nicht viel anders als er. Es waren Haddschadsch ibn Yusuf Thaqafi , im Irak, al-Muhallab ibn Abi Sufra in Chorasan, Hischam Ibn Ismail in Medina, sein Sohn Abdullah ibn Abdulmalik in Ägypten und Muhammad Ibn Yusuf Thaqafi der Bruder von Haddschadsch, in Jemen . Alles brutale Menschen. Zum Beispiel hat der berüchtigte Haddschadsch ibn Yusuf Thaghafi laut der Geschichtsschreiber bis zu 120 Tausend und gemäß einigen 130 Tausend Menschenleben auf dem Gewissen. Er hat selber gesagt, dass ihm das Blutvergießen und Verbrechen, die nach keiner vorher begangen haben, am meisten Freude bereiten.
Nach dem Tod von Abdulmalik, kam Walid an die Macht. Er bestieg den Predigerstuhl in der Moschee von Damaskus und warnte die Bevölkerung, von der er den Treueeid verlangt hatte: „Wir werden jeden, der sich gegen uns stellt, aus dem Weg räumen und wenn jemand schweigt, werden wir ihn in der Stille töten.“
Mit einem Blick auf die Zeit des Imamats von Imam Sadschad (F) sehen wir, dass es lauter Tumulte und Krisen in der Politik und der Gesellschaft gab und dem Imam angesichts der grausamen Herrscher und deren scharfen Kontrolle nur ein versteckter Kampf möglich war. Beim nächsten Mal erfahren Sie Näheres über diesen Kampf.