Islam richtig kennenlernen (180 - Maad)
Ab diesem Programm wollen wir nach der Auseinandersetzung mit dem „Imamat“ - das Thema Maad – eine weitere Säule des Islams behandeln. „Maad“ bedeutet wörtlich Rückkehr und im engeren Sinne die Rückkehr der Seele zum Körper bei der Auferstehung des Menschen vom Tode.
Gemäß dem Jenseitsglauben werden die Menschen am Jüngsten Tag wieder lebendig und dann werden vor Gott ihre Taten im Leben abgewogen und ihnen ihre guten und schlechten Taten vergolten. „Maad“ ist Schwerpunkt in den Lehren aller Propheten und in der göttlichen Offenbarung.
In der Islamischen Glaubensordnung nimmt Maad ebenso einen wichtigen Platz ein. Zahlreiche Verse im Koran sind diesem Thema gewidmet. Bevor wir dieses Glaubensprinzip an die Rückkehr der Seele zum Körper betrachten sollten wir die Frage des Todes besprechen.
Das Leben ist das wertvollste Geschenk Gottes und sein Verlust ist sehr traurig. Dennoch wird jeder Mensch einmal dem Tod begegnen. In dem Vers 185 der Sure 3 (Ali Imran) heißt es daher: „Jeder wird einmal den Tod kosten.“
Das Leben des Menschen geht wie im Flug vorbei. Seine Jugend schmilzt wie eine Kerze dahin. Mit den Worten Alis (Friede sei ihm) sind unsere lebensnotwendigen Atemzüge jeder ein Schritt näher in Richtung Ende unseres weltlichen Lebens. Unter den Lebewesen ist es der Mensch, der sich vor dem Ende seines Lebens und dem Danach fürchtet.
Die Tiere können nicht an das Ende ihres Lebens denken. Sie ergreifen nur instinktiv bei Todesgefahr die Flucht, denn auch ihnen ist der Hang zum Leben zu Eigen. Aber der Mensch ist nicht nur bestrebt, bei Gefahr am Leben zu bleiben sondern er wünscht sich darüber hinaus auch ein ewiges Leben. So kommt es, dass er mit allen Dingen, die zum Tod führen, kämpft. Was den Menschen also in dieser Angelegenheit von den anderen Lebewesen unterscheidet, ist sein Verlangen nach ewigem Leben.
Der Tod ist ein unleugbares Ereignis, das mit Sicherheit eintritt. Der Mensch hat schon immer versucht, das Geheimnis des Todes aufzudecken. Der Tod ist seine große Sorge. Aber die Menschen reagieren verschieden auf ihn. Die natürliche Reaktion der meisten ist Sorge und Angst. Wenn der Tod eintritt, brechen nämlich Hoffnungen und Wünsche des Menschen ab. Die Ungewissheit, die das Phänomen Tod umhüllt, ist einer der Gründe für die Angst des Menschen vor ihm. Der Tod ist mit ungeklärten Rätseln verbunden. Der Mensch weiß nicht, was danach folgt. Der Gedanke an den Tod trübt die Freude des Menschen am Leben.
Jahrhunderte lang haben Philosophen versucht, den Menschen die Angst vor dem Sterben zu nehmen. Keiner konnte jedoch das Geheimnis des Todes aufdecken. Imam Ali (F) sagt, dass Gott für die Menschen die Wahrheit des Todes verborgen hält. In Wahrheit wird nur derjenige mehr über den Tod erfahren, der ihn selber erlebt hat.
Immer wenn der Menschen über sich selber und die Welt, die ihn umgibt, nachdenkt, taucht für ihn die Frage auf, warum er überhaupt in dieser Welt ist? Warum trennt uns der Tod von den Freuden des Lebens? Was ist letztendlich das Endziel dieser Reise?
Der bekannte iranische Dichter Mulavi (Rumi) sagt:
روزها فکر من این است و همه شب سخنم _که چرا غافل از احوال دل خویشتنم
Am Tag denke ich daran und die ganze Nacht rede ich davon
Davon nämlich warum ich die Lage meines Herzens vergesse!
از کجا آمده ام آمدنم بهرچه بود _ به کجا مى روم آخر ننمایى وطنم
Woher komme ich denn, wozu immer mein Kommen diente -
Wohin geh ich zum Schluss?
Du zeigest mir nicht meine Heimat
مانده ام سخت عجب کز چه سبب ساخت مرا_ یا چه بوده است مراد وى از این ساختنم
Ich wundere mich warum Er mich schuf
Oder was Er mit meiner Erschaffung bezweckte.
Was ist der Tod in Wirklichkeit und welches Ziel verbirgt sich hinter diesem Kommen und Wieder-Gehen?
Der belgische Denker und Schriftsteller Maurice Maeterlinck hat einmal gesagt: „Meine Meinung über den Tod geht nicht über die Einsicht über das Schicksal unseres Körpers hinaus und vermag nicht eine Einsicht des Endschicksals der Welt mit einzubeziehen.“
Es ist eine Wahrheit, dass wir nicht begreifen werden, wozu wir auf die Welt gekommen sind und was unser Endziel ist, falls wir nicht an die Existenz Gottes, des Daseinsursprungs glauben. Imam Ali (Friede sei mit ihm) hat gesagt:
"اِن لَم تَعلَم مِن اَینَ جِئتَ لا تَعلم اِلى اَینَ تَذهبُ."
„Wenn du nicht weißt woher du kommst wirst du nicht wissen, wohin du gehst!“
Der einzige rettende Weg aus dieser Ratlosigkeit ist der Glaube an Gott als den Ursprung und der Glaube an die Rückkehr zu Ihm. Die Religion Gottes ist die vertrauenswürdigste und beste Quelle, um über die unbekannten Welten und um über die Zukunft des Menschen in der Welt nach dem Tod zu erfahren. Die Religion lüftet den Schleier über den ungelösten Rätseln und zeigt, welcher Weg zum Ewigen Glück führt. Gemäß der Religion Gottes wird das wahre Glück des Menschen erst in einer anderen Welt und nachdem er die Pforte des Todes hinter sich gelassen hat möglich sein. Und so lehren alle Religionen himmlischen Ursprungs den Jenseitsglauben. Bei der Beschreibung des Glaubensprinzips von der Auferstehung von den Toten und dem Jenseits haben die Gesandten Gottes über Geheimnisse des Todes gesprochen. Es lässt sich ohne weiteres behaupten, dass die Menschheit nur aus den Lehren der Propheten etwas über die Wahrheit des Todes und das Danach erfahren hat.
Der Koran lehrt dass der Tod nicht die Vernichtung bedeutet sondern eine Pforte ist, die in die Ewigkeit führt. Die Wahrheit des Todes ist - wie die Wahrheit des Lebens - ein Geheimnis des Daseins. Wir kennen lediglich die Folgen des Todes. Aber aus dem Koran ist zu entnehmen, dass der Tod der Übergang von dieser Welt in eine andere ist.
Im Vers 42 der Sure Zumar, Sure 39, spricht Gott:
„Allah beruft die Seelen zurzeit ihres Todes vollständig ab und auch diejenigen, die nicht gestorben sind, während ihres Schlafes. Er hält die eine Seele, für die Er den Tod beschlossen hat, zurück und gibt die andere auf eine festgesetzte Frist frei (und lässt sie in den Körper zurückkehren)... „
In dem obigen Vers sowie in einigen weiteren verwendet der Koran das Wort „Tawaffa“ und dieses Wort bedeutet „Zurücknahme“ und „vollständige Übergabe“ einer Sache. Die Verwendung dieses Wortes für den Tod deutet darauf hin, dass die Existenzwahrheit des Menschen - die Seele - während des Todes vollständig zurückgenommen wird. Sie wird in die jenseitige Welt gebracht.
Gemäß Islam besteht der Mensch aus Seele und Körper. Der Körper ist stofflich und gehorcht den Gesetzen der Materie. Er hat ein Volumen und ein Gewicht und sein Leben ist an Zeit und Ort gebunden. Der Körper ist der Wirkung von natürlichen Faktoren wie Wärme und Kälte und Verschleiß ausgesetzt und wird letztendlich einmal vernichtet. Aber die Seele des Menschen, auch als Geist bezeichnet, ist nicht aus Materie und so gelten für sie nicht die besonderen Faktoren, welche die Materie beherrschen.
Mit dem Tod trennt sich die Seele vom Körper, während der Zerfallsprozess des Körpers beginnt. Was den göttlichen Boten beim Tod vollständig übergeben wird, ist nicht der materielle Körper des Menschen sondern seine eigentliche Existenzwahrheit, die im Koran mit „Ruh“ und „Nafs“ (Geist und Seele) bezeichnet wird und nach dem Tod weiterlebt.
Einige haben zur Veranschaulichung die Körper-Seele-Beziehung mit der Beziehung Fahrzeug und Fahrer verglichen. Die Beziehung zwischen Fahrzeug und Fahrer kann drei Formen annehmen:
Mal ist das Fahrzeug in Betrieb und der Fahrer sitzt am Steuer – auf Körper und Seele übertragen bedeutet dies: Der Körper lebt und ist aktiv und die Seele ist mit dem Körper zusammen – dies ist der Fall wenn der Mensch im Wachzustand ist
Mal ist das Fahrzeug im Betrieb, aber der Fahrer ist ausgestiegen und weggegangen. Das heißt der Körper lebt, aber die Seele hat sich von ihm entfernt und diese Situation kommt im Zustand des Schlafens vor.
Und schließlich drittens der Fall, dass das Fahrzeug nicht in Betrieb und verschrottet und der Fahrer es stehen lässt. Dieser Vergleich trifft auf die Situation zu wo der Körper des Menschen nicht mehr arbeitet und die Seele sich vom Körper trennt. Dies geschieht beim Eintreten des Todes.
Dies sind also die drei verschiedenen Formen der Körper-Seele-Beziehung nämlich Wachzustand, Schlaf und Tod. Der Tod ist nicht, wie einige oberflächlich urteilen, die Vernichtung des Menschen sondern sein Übergang von einer Lebensphase in eine andere. Der Prophet des Islams sagt: „Denkt nicht dass ihr mit dem Tod vernichtet werdet, sondern ihr werdet von einem Haus in ein anderes gebracht.“
Mit dem Tod betritt der Mensch also nur eine andere Phase des Lebens. Glück und Unglück in der neuen Phase hängen von den guten bzw. den schlechten Werken im Leben vor dem Tod ab.
Ähnlich wie wenn das Ungeborene bei der Geburt das Reich des diesseitigen Lebens betritt und eine neue Phase des Lebens beginnt, so ist der Tod des Menschen und das Betreten der Jenseitigen Welt der Beginn eines neuen Lebens.