Wir und unsere Hörer- Teil 230
Hörerpostsendung am 15. September 2019 Bismillaher rahmaner rahim Liebe Hörerfreunde, heute wollen wir endlich einmal auf die Beantwortung einiger Fragen aus der Hörerrunde eingehen, die schon lange auf dem Schreibtisch der Hörerpostredaktion liegen. Leider können wir auch heute nicht alle Fragen beantworten, aber der angehäufte Berg soll etwas abgebaut werden. Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall einen guten Empfang.
Nachdem wir vor einiger Zeit schon mal Fragen zur iranischen Nationalhymne beantwortet hatten, schrieb unser Hörerfreund Volker Willschrey: Vielleicht könnten Sie auch mal Informationen über die Geschichte und den Hintergrund der iranischen Nationalflagge bringen.
Wir gehen gerne auf dieses Thema ein:
Sie kennen sicherlich alle die Farben der Flagge der Islamischen Republik Iran: nämlich Grün, Weiß und Rot. Es sind dieselben Farben wie auf der Flagge zur Zeit des Schahs, und zwar in Form von drei Längsstreifen: oben Grün, Weiß in der Mitte und unten Rot. Aber in dem weißen Mittelstreifen ist auf der Fahne des Islamischen Iran ein neues Emblem anstelle des Löwen mit dem erhobenen Krummschwert und der Sonne im Hintergrund zu sehen. Außerdem schmückt den Rand des grünen und roten Streifens ein Schriftzug in Weiß. Was das heutige Emblem und dieser Schriftzug bedeuten, darüber mehr nach einem kurzen Blick in die Geschichte der iranischen Nationalflaggen.
In Khabis einer alten Hauptstadt im Ostiran hat man eine kleine Metallflagge aus dem Jahre 3000 v. Christus gefunden und zu den Symbolen, die auf dieser Flagge eingeätzt waren, gehörten auch Sonne und Löwe. Während der Achämenidenkönig Kyros II. einen Adler als Flaggensymbol verwendete, taucht das Symbol der Sonne und auch des Löwen immer wieder auf den verschiedenen iranischen Flaggen auf.
Unter den Safawiden wurde im 15. Jahrhundert zum ersten Mal auf Stofffahnen das Emblem Löwe und Sonne eingeführt.
Schließlich fügte Ende des 18. Jahrhunderts der an die Macht gelangte Qadschare Aga Mohammad Chan, der für seine Grausamkeit bekannt wurde, dem Löwen noch einem Krummsäbel hinzu. Außerdem erhielt der Löwe auf der Flagge während der Qadscharenära noch eine Krone, um die Art des Systems, nämlich die Monarchie, zu betonen. Nach der Konstitutionellen Revolution im Jahre 1906, die eine bedingte Monarchie verlangte, verschwand die Krone wieder aus dem Fahnenemblem. Aber der Löwe blieb, weil er ja auch Wahrzeichen für den ersten Imam der Schiiten, Imam Ali ist, der den Beinamen Assadullah – Löwe Gottes – trägt.
Die Aufteilung der iranischen Flagge in einen grünen, weißen und roten Längsstreifen wurde von dem bekannten Kanzler Amir Kabir im 19. Jahrhundert eingeführt und seitdem beibehalten.
Nach dieser kurzen Vorgeschichte nun mehr über die Bedeutung der Farben und danach über das Emblem und die Schriftzüge auf der Nationalflagge der Islamischen Republik Iran:
Das Grün ist das Symbol für den Islam,
Das Weiß steht für Frieden und Freundschaft,
Das Rot steht für das Blut der Märtyrer.
Das Emblem in der Mitte, - ist eine Kalligraphie der folgenden Aussage: "Es gibt keinen Gott außer Allah" [la ilaha il-allah]. Die Kalligraphie gleicht einer Tulpe - der Symbolblume der Islamischen Revolution Irans.
Der weiße Schriftzug im Kufi-Stil am unteren Rand des grünen und oberen Rand des roten Feldes bedeutet „Allahu Akbar“ – Gott ist am Größten. Dieser Schriftzug kommt jeweils 11 mal auf jedem Streifen und insgesamt 22 Mal vor. Die Revolution hat nämlich am 22. Tag des 11. Monates des iranischen Kalenderjahres gesiegt. Das war am 11. Februar 1979. Die jetzige Nationalflagge Irans gilt seit 29. Juli 1980.
Laut einer Regierungsordnung vom 18. Juli 2007 darf die Nationalflagge des Irans nicht auf Halbmast gesetzt werden, da dies eine Respektlosigkeit gegenübere dem Wort „Allah“ auf der Flagge wäre.
Nach diesen Ausführungen über die Flagge Irans und ihre Vorgeschichte können wir gleich zu zwei weiteren Fragen übergehen. Sie haben mit der Gesetzgebung zu tun.
Und zwar hat unser Hörer Michael Lindner aus Gera kürzlich im ARD die deutsche Komödie „Liebe auf Persisch“ gesehen, in der die Hauptdarsteller Schirin und Robert eine Zeitehe eingehen. Unser Hörerfreund wollte am 25. Juli wissen:
„Gibt es wirklich zeitbegrenzte Eheschließungen im Iran? Wenn ja worin liegt der Sinn.“
Nun, dann wollen wir mal dieses Thema anpacken!
Engere Beziehungen zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechtes dürfen sich in Iran offiziell für Muslime nur in einem bestimmten Rechte- und Pflichte-Rahmen namens Dauer- oder Zeitehe abspielen.
Ein Grund für die Institution dieser beiden Formen der Ehe liegt selbstverständlich in der Deckung eines natürlichen Bedürfnisses. Hier kann die Zeitehe jemandem behilflich sein, der aus finanziellen oder auch aus anderen Gründen keine Dauerehe eingehen kann bzw. will. Denn die Dauerehe geht für den Mann mit der Versorgungspflicht auch für die Frau einher. In der Zeitehe ist der Ehemann nicht verpflichtet finanziell für die Frau zu sorgen. Allerdings gelten für die Gründung einer Zeitehe feste Regeln. Zum Beispiel gilt die Schließung einer Zeitehe mit einer verheirateten Frau als Ehebruch.
Vor der Schließung einer Zeitehe müssen sich die Ehepartner über die Dauer einigen und es muss für die Ehefrau eine Morgengabe festgelegt werden. Die kurze religionsrechtlich festgelegte Vermählungsformel
muss Dauer und Höhe der Morgengabe beinhalten. Die Dauer dieser Ehe kann mehrere Wochen bis zu vielen Jahren betragen und die Frau kann sich bei der Schließung der Zeitehe auch eine Beschränkung der intimen Beziehungen zum Partner ausbedingen.
Die Möglichkeit der Zeitehe nutzen viele junge Leute für die Zeit vor einer Dauerehe, das heißt für zwei junge Menschen verschiedenen Geschlechtes werden die Worte für eine Zeitehe bei Festlegung von Zeit und Morgengabe verlesen. Durch die Schließung dieser Zeitehe werden die ansonsten geltenden Schranken für die zwischengeschlechtlichen Beziehungen zum Teil aufgehoben. Auf diese Weise können die jungen Leute freier miteinander und innerhalb der für sie noch fremden Familie verkehren. Sie lernen einander besser kennen, bevor sie sich vor Ablauf dieser Zeitehe für die Dauerehe entscheiden.
Bei dieser Verbindung gilt es allgemein als selbstverständlich dass die angehende Braut ihre Jungfräulichkeit bis zu Beginn der Dauerehe bewahrt. Diese Art „Verlobungszeit“ ist religionsrechtlich eine Zeitehe, obwohl die geläufige Bezeichnung dafür sigheh-e mahramiyat lautet.
In diesem Fall ergibt also die Institution der Zeitehe dahingehend einen Sinn, dass sie zur Lockerung der islamischen Bestimmungen dient, die ansonsten, bis auf bestimmte Ausnahmen in der Familie, nur einen Kontakt auf Abstand zwischen den beiden Geschlechtern erlauben.
Es ist wichtig zu wissen, dass der Vater oder Großvater bis auf Ausnahmen zu einer Heirat einer bis dahin unverheirateten Tochter die Erlaubnis geben müssen, damit sie gültig ist. Da versteht sich von selber, dass Väter oder Großväter in der Mehrzahl eine Zeitehe für ihre Tochter bzw. Enkelin, bei denen keine Schranken in den Beziehungen ausbedingt werden, nicht befürworten. Denn sie haben Bedenken wegen der damit verbundenen Risiken für das Mädchen, zumal eine solche Zeitehe traditionell nicht den Status in der Gesellschaft hat wie die Dauerehe, obwohl es eine Einrichtung der schiitischen Rechtsschule ist.
Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass eine muslimische Frau keine Ehe mit einem nicht-muslimischen Mann eingehen darf, auch keine Zeitehe. Vielmehr müsste der Nicht-Muslim den Islam annehmen, damit er die muslimische Frau heiraten darf. Inwieweit dieser Punkt in der Komödie „Liebe auf Persisch“ überhaupt beachtet wurde, ist uns nicht bekannt. Im Falle, dass er nicht beachtet wurde, haben sich der deutsche Drehbuchautor und der deutsche Regisseur tatsächlich zumindest in diesem Punkt von der Realität entfernt und falsche Vorstellungen erweckt.
Zu erwähnen ist auch, dass bei der Auflösung einer Zeitehe, genau wie bei einer Dauerehe, die Frau eine bestimmte Wartezeit einhalten muss, bevor sie wieder heiraten darf.
Hierdurch wird für den Schutz eines eventuell aus der zeitbegrenzten Ehe hervorgehenden Kindes gesorgt und die Zuordnung des Kindes zu seinem leiblichen Vater gewährleistet.
Ein Kind aus einer Zeitehe ist nämlich wie das Kind aus der Dauerehe legitim und hat gegenüber seinem Vater Fürsorge- und Erbanspruch.
Nun können wir gleich auf das nächste Thema übergehen, über das in der Vergangenheit hin und wieder jemand etwas mehr wissen wollte: nämlich über das islamische Erbrecht der Frauen, welches ja auch in der Islamischen Republik Iran zur Anwendung kommt.
Jemand aus der Hörerschaft fragte vor einiger Zeit, ob es stimme, dass eine Frau ein Achtel von dem erbt was ihre Brüder erben. Dazu möchten wir feststellen, dass Aussagen wie diese einen falschen Eindruck von dem islamischen Erbrecht der Frau erwecken. Man könnte genauso gut sagen: ein Sohn erbt ein Drittel der Summe, die seine Schwestern erben, was wir noch an einem Beispiel zeigen wollen.
Vielmehr lautet die Grundregel des Erbrechtes für Geschwister, dass
eine Tochter halb soviel bekommt wie ein Sohn und jeder Sohn doppelt soviel erbt wie eine Tochter.
Wir wollen die Grundregel an folgendem Beispiel nachvollziehen: Hinterlässt ein Verstorbener eine Tochter und einen Sohn, so erhält die Tochter einen Teil und ihr Bruder zwei Teile des Erbes. Bei der Verteilung wird das Erbe in diesem Fall in drei Teile aufgeteilt. Angenommen das Erbe betrüge 100 Millionen. Teilt man in drei gleiche Teile, würde jeder Teil ungefähr 33 Millionen betragen. Der Sohn erhält 2 Teile davon nämlich circa 66 Millionen und die Tochter einen Teil, nämlich circa 33 Millionen. Also erbt die Schwester die Hälfte von dem Anteil des Bruders.
Wie sieht es aus, wenn die Zahl der Brüder größer ist?
Nehmen wir an die Erben wären zwei Brüder und eine Schwester, so würde in fünf Teile aufgeteilt damit jeder Bruder 2 Teile erhält, nämlich jeder 40 Millionen, und die Schwester einen Teil, nämlich 20 Millionen. Wieder erhält die Tochter die Hälfte von dem was ein Sohn bekommt.
Setzt man den Anteil der Tochter ins Verhältnis zu dem, was beide Brüder i n s g e s a m t erben, erhält sie nur ein Viertel, von dem was ihre Brüder erben. Die obige Aussage, dass die Frau ein Achtel von dem was ihre Brüder erben bekommt, trifft also hierbei nicht zu. Sie würde nur in speziellen Fällen zutreffen. Es hängt von der Zahl der männlichen und weiblichen Geschwister ab. Ein solcher Fall wäre z.B. gegeben wenn 4 Söhne und 2 Töchter erben. Eine Erbsumme von 100 Millionen würde dann in 10 Teile von jeweile 10 Millionen- dividiert. Jeder Sohn erhält zwei Teile, also 20 Millionen und jede Tochter einen Teil nämlich 10 Millionen.
Man sieht jedoch, dass jede Tochter wieder die Hälfte von dem erhält, was e i n Sohn erhält. Nur bezogen auf die Gesamtsumme, welche die vier Söhne bekommen, nämlich 80 Millionen, wären die 10 Millionen, die jede Tochter erhält tatsächlich nur ein Achtel. Dies ist aber eine verzerrte Darstellung, denn die vier Söhne bekommen ja jeder nur 20 Millionen. Man kann noch viele andere irreführende Beispiele konstruieren und sogar zu der Aussage gelangen, dass ein Mann nur ein Drittel von dem bekommt, was seine Schwestern erben. Nehmen wir zum Beispiel an, die Erben seien 6 Töchter und 2 Söhne. Dann bekämen alle 6 Schwestern zusammen 60 Millionen und jeder Bruder und jeder Bruder nur 20 Mio. In diesem Falle ließe sich sagen: ein Sohn erbt nur ein Drittel von dem was seine Schwestern erben. Diese Aussage wäre genauso verwirrend wie die Aussage, dass eine Tochter ein Achtel von dem erbt, was ihre Brüder erben. Durch solche Angaben wird also ein falscher Eindruck vom islamischen Erbrecht vermittelt.
Warum aber sollen männliche Erben in der Regel bis auf Ausnahmen mehr bekommen als die weiblichen? Dies ist eine geläufige Frage und diese Regelung wird schnell als ungerecht verurteilt. Ist sie das?
Alle Regelungen in der Islamischen Rechtsordnung ergeben einen Sinn und sie sind als Teile eines Ganzen zu betrachten. Wir können nicht eine Regel herausnehmen und sagen, sie wäre ungerecht, wenn es andere Regeln gibt, die einen Ausgleich dazu bilden. Für die Regel, dass ein weiblicher Erbe normalerweise weniger erbt als ein männlicher, gibt es einen solchen Ausgleich.
Der zumeist geringere Erbbetrag, den Frauen erhalten, erklärt sich vor allem dadurch, dass sie von der Unterhaltspflicht befreit sind. Der größere Erbanteil der männlichen Erben ist dadurch gerechtfertigt, dass der Mann die ausschließliche Unterhaltspflicht hat. Sowohl in der elterlichen Familie als auch in der Dauerehe muss der männliche Fürsorger für den Unterhalt der weiblichen Mitglieder aufkommen. In einer Dauerehe muss er den standesgemäßen Unterhalt seiner Ehefrau und der Kinder finanzieren. Auch aus einer Zeitehe können für den Mann Unterhaltspflichten entstehen, nämlich gegenüber dem eventuellen Nachwuchs aus dieser Ehe.
Unterdessen ist die Frau in jeder Ehe von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehepartner und den Kindern befreit. Wenn sie sich teilweise am Unterhalt beteiligt ist es eine freiwillige Maßnahme und sogar religiös gesehen ein gutes Werk, jedoch nicht ihre gesetzliche Pflicht.
Nehmen wir nur zur Veranschaulichung folgenden einfachen Fall: Ein Elternpaar verliert den einzigen Sohn und dieser hat keine Kinder und keine Frau. Dann bekommt der Vater 2 Teile und die Mutter einen Teil vom Erbe des Sohnes. Die Mutter kann ihren Anteil für sich behalten und ihn zum Beispiel in eine Immobilie investieren, während der Vater die Mutter weiter versorgen und unter Umständen von seinem Anteil für seine Frau ausgeben muss.
Die Frau kann alles, was sie von einem Verwandten erbt, behalten. Dazu kommt, dass ihr auch der Verdienst aus einer eigenen gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gehört, ebenso wie die Morgengabe und alle anderen Geschenke und auch die Aussteuer, falls sie sie selber mit in die Ehe eingebracht hat.
Die Befreiung der Frau von der Unterhaltspflicht und ihr Recht auf Unterhalt gegenüber dem männlichen Fürsorger bildet also den Ausgleich dazu, dass eine Frau in der Regel weniger erbt, zum Beispiel die Hälfte von dem was ihr Bruder erbt.
Wer mehr zu diesem Thema wissen möchte, kann sich in der Enzyklopädie eslam.de umsehen. Zum Beispiel unter dem Stichwort: „Warum erbt die Muslima weniger als der Muslim“ oder dem Stichwort: „Erbe“.
Liebe Hörerfreunde, Sie können auch auf unserer Internetseite in der Sendereihe „In Richtung Licht“ den Kommentar zu den Versen 11 bis 14 der Sure 4 (Al-Nisa – Die Frauen) zum Thema Erbrecht der Frau nachlesen oder wir schicken ihnen auf Wunsch eine Kopie davon.
Besondere Aufmerksamkeit verdient eigentlich auch die Tatsache, dass im Islamischen Erbrecht Kinder mehr erben als die Eltern. Nehmen wir wieder ein einfaches Beispiel wie oben. Der Sohn eines Elternpaares verstirbt und hinterlässt nur eine Tochter und keine Ehefrau. Dann wird das Erbe des Sohnes in 5 gleiche Teile aufgeteilt. Von diesen fünf Teilen erhalten die Eltern jeder einen Teil – Mutter und Vater erben also das gleiche - und die verwaiste Enkeltochter erhält 3 Teile.
Auch für das noch ungeborene Kind eines Verstorbenen aus einer Dauer- oder Zeitehe müssen die anderen Erben einen bestimmten Anteil zurücklegen.
Liebe Hörerfreunde! Damit haben wir hoffentlich informativ auf drei Ihrer Fragen geantwortet. In einer der kommenden Hörerpostsendungen werden wir dann noch auf weitere Fragen von Ihnen eingehen.