Oct 22, 2019 08:13 CET
  • Islam richtig kennenlernen (194 - im Barzach)  

Wir setzen die Beschreibungen des Barzach – des Reiches zwischen Tod und Auferstehung fort und hoffen das Thema findet Ihr Interesse. 

 

 


 

Der Tod ist eine nicht zu leugnende Tatsache. Zukunftsgewandte wachsame Menschen haben daher immer das Warnschild  „Bereite dich darauf vor, fortzugehen“ vor Augen.  Sie hängen ihr Herz daher nicht unmäßig an das  irdische Leben und bilden sich auf nichts etwas ein, und  sie lassen auch keine gute Gelegenheit für die Vorbereitung auf die Ewigkeit verloren gehen. Sie sind wie Reisende, die wissen, dass ihre Reise fortgesetzt wird und sie nicht die darauffolgenden Stationen verpassen dürfen.

 

Imam Ali sagt über die Nähe des Todes: „Wie oft geht jemand einem Tag entgegen, aber bringt ihn nicht zu Ende und nicht hinter sich und wie oft wird jemand zu Beginn der  Nacht von den anderen beneidet, während sie am Ende der Nacht seinen Tod beweinen.“

                

Nach dem Tod wird, wie wir sagten, die Seele des Menschen in ein anderes Reich herübergeholt. Sie hat  sich vom Körper getrennt,  um ihr Leben in einer anderen Welt – der Zwischenwelt Barzach – fortzusetzen. Barzach ist die erste Wohnstätte des Menschen nach seiner Abschiedsreise von dieser Welt.

 

Solange der Mensch noch im Diesseits ist, kann er viele der Wahrheiten, die das Reich nach dem Tod betreffen, gar nicht nachvollziehen. Er hat kein klares Bild von diesem Reich. Denn die Merkmale des Barzach liegen außerhalb des Vorstellungsbereiches für den Menschen, der sich noch  im Diesseits aufhält.  Aber nach Betreten der Zwischenwelt erweitert sich sein Bewusstsein und vieles wird ihm klar.

Der Prophet des Islams (S) hat gesagt: „Die Menschen schlummern. Sie wachen auf, wenn sie die Welt verlassen.“  Das bedeutet, dass die Schleier und Dinge, die den Menschen daran hindern, die nicht-stofflichen Reiche wahrzunehmen, beiseite rücken werden. Hierüber hat Imam Ali (F) wie folgt gesagt: „Die Menschen auf der Welt sind wie schlafende Reiter, deren Karawane ihren Weg fortsetzt (und plötzlich am Ziel ankommt, wo sie aufwachen).“

 

 

Jedenfalls sieht sich der Mensch beim Eintreffen im Barzach einer neuen Welt und neuen Dingen gegenüber, und alles wird anders werden.  Die gläubigen guten Menschen werden im Barzach ihr Ewiges Glück schauen und die vielen Gaben des Paradieses werden ihnen hier bereits zugutekommen und sie werden sagen: „Ach könnten wir doch den anderen, die noch im Diesseits sind, davon berichten, wie gut es wir in der Zwischenwelt haben.“

In der Sure Ya-Sin- bringt der Koran ein Beispiel.

                     

Das Beispiel in der Sure 36  handelt von einem Gläubigen, der Rettung findet und in das Paradies Gottes einkehren darf. Und zwar begab es sich, dass Prophet Jesus drei Apostel  zu den Bewohnern von Antiochia ausgesandt hatten, damit sie  die Menschen zum Ein-Gott-Glauben aufrufen. Aber die Bewohner dieser Stadt bezichtigten diese Apostel der Lüge. Doch da schaltete sich ein Gläubiger ein. Er hatte die Wahrhaftigkeit dieser Gottesmänner  erkannt und glaubte fest an Gott. Die meisten Koranexegeten sagen, dass dieser Mann Habib al Nadschar – Habib der Zimmermann hieß.

Als Habib von dem Aufruhr gegen die Gesandten Jesu im Zentrum der Stadt hörte, wollte er nicht schweigen. Er kam von weit her zur Stadtmitte herbeigeeilt und begann mit der Bevölkerung zu reden und sie mit einleuchtenden Argumenten aufzufordern, dass sie auf die Gottesfreunde hören sollten.  Tapfer verteidigte er die Apostel gegenüber den halsstarrigen Ungläubigen und Götzendienern.

Niemand unterstützte Habib al Nadschar, aber er war ein tiefgläubiger Mensch und ohne Furcht vor den Folgen seiner Unterstützung für die Propheten  sagte er:

 

„warum sollte ich nicht Demjenigen dienen, Der mich erschaffen hat und zu Dem ihr zurückgebracht werdet?“

Siehe Vers 22, Sure 36, Ya-Sin)

 

 

Dieser aufrichtige Christ bezeugte nach Anführung seiner Argumente öffentlich: „Ich glaube an euren Schöpfer und bekenne mich zu seinem Propheten. Also hört auf mich und glaubt.“

Aber mit seinen  Worten erreichte dieser gläubige Mensch nichts und die Herzen der Bewohner dieser Stadt blieben nicht nur finster sondern in ihnen entflammte sogar Hass. Sie stürzten sie sich auf ihn und ermordeten ihn.

                             

Der Koran lässt uns in den Versen 26 und 27 obiger Sure wissen, wie es dem gläubigen Habib erging. Und zwar heißt es dort: 

 

Es wurde (zu ihm) gesagt: „Geh in den (Paradies)garten ein.“ Er sagte: „O wüsste doch mein Volk davon,

 

dass mein Herr mir vergeben und mich zu den Geehrten hat gehören lassen!“

 

Der Koran erwähnt nicht ausdrücklich, dass die Widersacher diesen Gläubigen töteten, aber dies ist seinem Inhalt zu entnehmen. Er beschreibt, wie es dem Gläubigen erging, nämlich dass er nach seinem Märtyrertod in einen Paradiesgarten eingeladen wurde. Damit hat der Koran also indirekt kundgegeben, dass Habib den Märtyrertod gefunden hat und wir entnehmen dieser Stelle in der Sure 3, dass er gleich nach dem Märtyrertod das Paradies betritt. Gemeint ist natürlich das Paradies in der Zwischenwelt. 

 

 

Ja, die geläuterte Seele dieses guten Menschen fand Ruhe und Sicherheit beim Allbarmherzigen und kam in den Genuss paradiesischer Gaben. Angesichts der großzügigen Gaben Gottes wünschte er sich: „Ach  wüsste mein Volk doch nur, dass mir diese Gabengeschenke  Gottes zuteilwurden und dass Er mich zu denen gestellt hat, die geehrt sind. Aus den Worten dieses Gottesfreundes lässt sich schließen, dass der Mensch nach dem Tod im Barzach lebt und dass er in diesem Zwischenreich denken und fühlen und wünschen kann.

                   

Gemäß Überlieferungen wird die Gestalt der Seele in Barzach der Gestalt des Körpers im Diesseits ähneln.  So kommt es, dass die Gläubigen einander im Barzach wiedererkennen. Sie treffen sich und sprechen miteinander. Je nachdem auf welcher Stufe sie stehen, können sie auch einige Ereignisse im Diesseits wahrnehmen.

In der Zwischenwelt kommen die guten Menschen mit Gleichgesinnten zusammen. Es hängt von ihrer Stufe ab, wer dies sein wird. Ebenso werden  die schlechten Menschen mit ihresgleichen verkehren. 

Dass die Seelen nach dem Tod im Barzach einander wiedererkennen, miteinander sprechen und miteinander verkehren, zeigt  zum Beispiel folgende Überlieferung. Überliefert hat sie Habba Urani, ein Helfer Imam Alis (F) . Er berichtet:

„Einmal verließ ich mit Hadhrat-e Ali die Stadt Kufa und wir gingen zum Wadi us salam -Friedhof.  Hadhrat stand da wie jemand, der zu einer Schar von Menschen sprechen will. Ich blieb auch stehen, bis ich müde wurde und mich hinsetzte. Doch dann war ich des Sitzens  müde und stand wieder auf. Mehrmals  setzte ich mich und stand wieder auf, bis ich schließlich zum Hadhrat ging und sagte: `ich befürchte das lange Stehen bereitet euch Strapazen. Ruht ein Stündchen aus.` Ich breitete meinen Übermantel aus, damit er sich darauf niederlässt. Aber Ali (Friede sei mit ihm) sagte: `O Habba (Es macht mir nichts, stehenzubleiben,)es ist ein Gespräch mit den Gläubigen.` Da fragte ich: `Ist es bei denen auch so?(dass sie miteinander sprechen?“) Hadhrat sagte: `Ja, falls der Schleier vor deinen Augen beiseite weicht, wirst du sehen, dass sich die Seelen der Gläubigen im Kreis zusammengesetzt haben  und sich miteinander unterhalten.` Ich fragte: `Sind es Seelen oder Körper?` Er antwortete: `Seelen! Kein Gläubiger stirbt auf der Welt,  ohne dass seiner Seele gesagt wir: Kehr  in das Tal des Islams ein und dieses Tal ist eines der Gebiete des Paradieses.“ 

             

In den berühmten Werken der Schiiten und Sunniten gibt es zahlreiche Mitteilungen über die Zwischenwelt und das Reich der Gräber. Im Nahdsch-ul Balagha lesen wir, dass Ali (F) bei seiner Rückkehr aus der Siffin-Schlacht, als er nahe von Kufa an dem Friedhof der Stadt vorbeikam, den Gräber zugewandt sagte: „Ihr Bewohner furchterregender Häuser und verlassener Orte und dunkler Gräber! Ihr, die ihr am Boden sitzt! Die ihr in der Fremde seid! In der Einsamkeit! Ihr tief Erschrockenen!  Ihr seid uns auf diesem Weg vorausgeeilt und wir werden uns euch anschließen. ( Wenn ihr Nachrichten aus dem Diesseits erfragt, so sage ich euch):  In euren Häusern haben sich andere angesiedelt, eure Ehefrauen haben andere geheiratet und euer Besitz ist verteilt worden. Das sind die Nachrichten unsererseits. Und wie sieht es bei euch aus?“ Dann wandte sich Imam Ali seinen Begleitern zu und sagte:  „Falls ihnen die Erlaubnis zum Sprechen erteilt würde, würden sie euch mit Sicherheit sagen, dass Gottesfürchtigkeit die beste Nachkommenschaft und der  beste Proviant für diese Reise ist.“

An diesen Worten Imam Alis lässt sich ablesen, dass der Mensch nach dem Tod in der Lage ist etwas zu verstehen und dass er sogar sprechen würde, falls er die Erlaubnis dazu erhielt.