Mrz 16, 2020 14:24 CET

Wir begrüßen Sie zu der Fortsetzung unserer Koranexegese. Diesmal besprechen wir  die Verse 57 bis 60 der Sure 40, Ghafir. Zunächst betrachten wir die ersten drei dieser Verse, nämlich die Verse 57, 58 und 59:

(40: 57- 60)

 

لَخَلْقُ السَّمَاوَاتِ وَالْأَرْضِ أَكْبَرُ مِنْ خَلْقِ النَّاسِ وَلَـٰكِنَّ أَكْثَرَ النَّاسِ لَا يَعْلَمُونَ

„Wahrlich die Erschaffung der Himmel und der Erde ist größer (und bedeutender) als die Erschaffung der Menschen. Aber die meisten Menschen wissen  nicht (Bescheid).“ (40: 57)

 

وَمَا يَسْتَوِي الْأَعْمَىٰ وَالْبَصِيرُ وَالَّذِينَ آمَنُوا وَعَمِلُوا الصَّالِحَاتِ وَلَا الْمُسِيءُ ۚ قَلِيلًا مَّا تَتَذَكَّرُونَ

„Nicht gleich sind der Blinde und der Sehende und (auch) nicht diejenigen, die glauben und rechtschaffene Werke tun, und (die Schar) der Missetäter. Wie wenig ihr bedenkt!“ (40: 58)

 

إِنَّ السَّاعَةَ لَآتِيَةٌ لَّا رَيْبَ فِيهَا وَلَـٰكِنَّ أَكْثَرَ النَّاسِ لَا يُؤْمِنُونَ

„Gewiss, die Stunde kommt bestimmt, an ihr gibt es keinen Zweifel. Aber die meisten Menschen glauben nicht.“ (40: 59)

 

Aus den vorherigen Versen haben wir erfahren, dass sich die Gegner der Religion mit dem Propheten und den Gläubigen stritten und nicht die Wahrheit einsehen wollten. Sie wollten nicht daran glauben, dass Gott die Menschen von den Toten auferstehen lässt.  Im Vers 57 wird ihnen erwidert: Die Erschaffung der Himmel und der Erde ist größer und wichtiger als die Erschaffung der Menschen und seine Neuerschaffung am Jüngsten Tag. Jener, der die vielen großen Galaxien und Himmelskörper erschaffen hat und ordnet, soll nicht in der Lage sein, die Toten wiederzubeleben und den Körper der Verstorbenen erneut herzustellen?

Die Mehrheit der Menschen unterschätzt die Macht Gottes. Dies liegt sowohl an ihrem fehlenden Wissen als auch  daran, dass sie von dem menschlichen Unvermögen ausgehen und denken, weil die Fähigkeiten des Menschen begrenzt sind,  sei auch die Macht Gottes begrenzt.

Im nächsten Vers heißt es, dass Blinde und der Sehende niemals gleich sind. Jemandem,  der nicht sehen kann, bleibt die Wahrnehmung vieler Dinge verwehrt.  Der Unwissende und Ignorant lässt sich mit ihm vergleichen, denn die Schleier des Hochmutes haben sich über das Auge seines Herzen gesenkt, so dass  er niemals die Wahrheit richtig erkennt.  Lässt sich jemand, der auf diese Weise blind auf dem Herzen ist, mit jemandem gleichsetzen, der, dank Wissen und Erkenntnis, Recht und Wahrheit sieht? Natürlich nicht. Ein Mensch mit wachem innerem Auge wird sowohl die eigene Kleinheit als auch die Größe der Welt um sich herum gewahr und daher wird er nicht hochmütig werden. Aber ein unwissender, mit Blindheit geschlagener Mensch ist sich weder bewusst, wo er im Dasein zu stehen kommt, noch sieht er die Welt um sich herum.  Daher überschätzt er sich selber und handelt falsch.

Natürlich gibt es auch einige, die sich mahnen lassen.

Schließlich fügt Gott die wichtige Verheißung hinzu, dass ganz gewiss die Stunde der Auferstehung kommen wird und nicht daran zu zweifeln ist. Auch wenn die meisten Menschen nicht an diesen Tag und das Jenseits glauben, ist und bleibt dies , so sehr es die Gegner auch leugnen wollen,  ein  göttliches Versprechen und wird in Erfüllung gehen.

                           

Wir möchten, bevor wir auf den nächsten Vers übergehen, noch drei Anmerkungen machen:

 

Erstens: Wenn wir auf die Größe des Daseins achten und uns ihrer bewusst geworden sind, wird es nicht vorkommen, dass wir der Überheblichkeit verfallen.

Zweitens: Ein Grund dafür, dass viele das Jenseits leugnen, ist darin zu suchen, dass sie keine Erkenntnis über das Allwissen und die Allmacht Gottes haben.

Drittens: Unglaube und Gott-Ungehorsam machen den Verstand des Menschen blind für die verborgenen Wahrheiten.

Viertens: Es entspricht der Macht, Weisheit und Gerechtigkeit Gottes, dass Seine Verheißung über die Auferstehung von den Toten und das Jüngste Gericht erfüllt wird.  Zweifel daran sind unangebracht.

 

Im Vers 60 der Sure 40 (Ghafir) heißt es nun:

 

وَقَالَ رَبُّكُمُ ادْعُونِي أَسْتَجِبْ لَكُمْ ۚ إِنَّ الَّذِينَ يَسْتَكْبِرُونَ عَنْ عِبَادَتِي سَيَدْخُلُونَ جَهَنَّمَ دَاخِرِينَ

„Euer Herr sagt: Ruft Mich an, so erhöre Ich euch. Gewiss, diejenigen, die sich aus Hochmut weigern, Mir zu dienen,  werden unterwürfig und gedemütigt in die Hölle eingehen.“ (40: 60)

              

Während Gott im Vers 59 verheißt, dass die Auferstehung von den Toten ganz bestimmt eintreten wird, geht aus dem Vers 60 hervor, dass nicht nur die Sünder und Übeltäter im Höllenbrand enden werden, sondern auch diejenigen, die Gott zwar erkannten, aber ihm nicht dienten. Letzteres bedeutet nämlich, dass sie hochmütig gegenüber ihrem Schöpfer waren. Wer sich als groß betrachtet und sich hochmütig weigert Gott zu dienen, der wird am Jüngsten Tag schmachvoll in die Hölle einkehren.

Das soll selbstverständlich nicht bedeuten, dass Gott darauf angewiesen wäre, dass wir Ihm dienen. Vielmehr enthält der Vers die Mahnung, dass der Mensch sich durch Eigendünkel und Hochmütigkeit selber zum Hölleninsassen macht. Ein solcher Mensch folgt nämlich nicht den Befehlen des Herrn der Welten, sondern gehorcht seinen persönlichen Verlangen und Neigungen, was ihn vom geraden Weg abweichen lässt.

Zu Beginn des Verses steht ein wichtiges Beispiel für das Gott-Dienen, nämlich Gott anzurufen und zu Ihm zu beten. Das bedeutet, dass der Mensch nicht nur  Gott in der Form, die der Islam (konkret) festlegt, dient,  wie zum Beispiel in Form des Ritualgebetes und des Fastens im Monat Ramadan, sondern dass er immer Gott eingedenk ist und Ihn anruft. Er soll nicht nur dann zu Gott beten, wenn er in der Not ist, damit Er ihm hilft. Auch wenn es ihm gut geht, soll er an Gott denken, zu Ihm beten und für die Gaben danken, die Gott ihm zukommen ließ und lässt.  Demgegenüber verspricht Gott, dass er die Gebete Seiner Diener auf geeignete Weise erhört. Allerdings müssen die Anflehung und das Gebet sowie der Betende und seine Bitte die erforderlichen Bedingungen erfüllen, um erhört zu werden.

Das Wissen und die Macht Gottes sind unbegrenzt. Er ist der Allweise und deshalb erhört er nicht jede Bitte. Denn er  fasst sowohl das Wohl des Einzelnen als auch der Gemeinschaft ins Auge und auf dieser Grundlage arrangiert er für den Betenden alles so, dass ihm  das Beste zukommt. Allerdings kann es sein, dass der Betende nicht oder erst später erkennt, dass das Gott-Gewollte  zu seinem Besten ist. 

Zugleich darf die Anflehung nicht anstelle der Anstrengung  treten. Das bedeutet: Jemand, der  sich keine Mühe mehr gibt und nur hofft, dass durch sein Beten zu Gott ein Problem behoben wird oder ein sehnlicher Wunsch in Erfüllung geht, dessen Bitte wird in der Mehrheit nicht erfüllt, weil er nämlich versäumt hat, selber einen Schritt zu unternehmen. 

Es gibt noch andere Faktoren, die dazu führen, dass Gebete nicht von Gott erhört werden.  Zum Beispiel wenn jemand sich bei der Unterscheidung dessen, was für ihn gut und was für ihn schlecht ist, irrt und Gott um etwas bittet, was in keiner Weise zu seinem Wohl ist. In einem solchen Fall wird ebensowenig  sein Gebet  erhört werden.

 

Aus dem  obigen Vers erfahren und schließen wir:

 

Erstens: Das Bittgebet ist  auch eine Form des Gott-Dienens. Wenn jemand es unterlässt, ist es ein Zeichen dafür, dass er sich weigert Gott zu dienen, und signalisiert Hochmütigkeit.

Zweitens: Wenn wir beten, sollen wir nur Gott rufen. Wir sollen nur Ihn um Erfüllung unserer Bitten anflehen und keinen Teilhaber neben Ihn stellen.

Drittens: Gott weiß was wir brauchen. Er ist nicht auf unsere Bittgebete und unser Dienen angewiesen.  Wenn Er im Koran die Menschen anweist zu Ihm zu beten, so ist es (das Bittgebet) ein Segen für den Menschen. Eine segensreiche Wirkung der Gottesanflehung besteht zum Beispiel darin, dass der Mensch nicht vergisst, dass er Gott braucht und vom hohen Ross absteigt:  denn alles Unglück geht auf Hochmut zurück.

Viertens: Jeglicher Hochmut gegenüber Gott führt zur Schmach und Beschämung des Menschen im Jenseits.