Jun 02, 2020 09:11 CET

Wir nehmen die Besprechung der Sure 42, bei dem Vers 7 dieser Sure, die Schura (die Beratung) heißt, wieder auf. Vers 7 lautet:

(42: 7 – 10)

 


 وَكَذَٰلِكَ أَوْحَيْنَا إِلَيْكَ قُرْآنًا عَرَبِيًّا لِّتُنذِرَ أُمَّ الْقُرَىٰ وَمَنْ حَوْلَهَا وَتُنذِرَ يَوْمَ الْجَمْعِ لَا رَيْبَ فِيهِ ۚ فَرِيقٌ فِي الْجَنَّةِ وَفَرِيقٌ فِي السَّعِيرِ                                

 „Und so haben Wir dir einen arabischen Koran (als Offenbarung) eingegeben, damit du die Mutter der Städte (Mekka) und diejenigen rings umher warnst, und damit du vor dem Tag der Versammlung (im Jenseits)  warnst, an dem es keinen Zweifel gibt. Eine Gruppe wird (im Jenseits) im (Paradies)garten sein und eine Gruppe im flammenden Feuer.“ (42: 7)

                                  

Im Vers 3 dieser Sure erinnert Gott daran, dass er auch auf die Vorgänger des Propheten Offenbarung herabgeschickt hat und nun deutet Er im Vers 7 darauf hin, dass auch der Koran göttliche Offenbarung  und auf Arabisch,  der Sprache der Bevölkerung von Mekka, ist. Der Prophet sollte als erstes den Bewohnern von Mekka und Umgebung mit den Koranversen den rechten Weg weisen und sie davor warnen, dass ihnen ihr  sündhaftes Tun am Jüngsten Tag teuer zu stehen kommt.  

 

Schließlich mahnt Gott in dem obigen Vers 7 aber auch,  dass alle Menschen am Jüngsten Tag  versammelt werden, damit über ihre Taten abgerechnet wird. Die Menschheit wird dort in zwei Gruppen aufgeteilt werden: Zu der einen Gruppe gehören diejenigen, die an Gott geglaubt und rechtschaffen gehandelt haben. Diese Gruppe findet Einlass ins Paradies. Die Menschen in der anderen Gruppe haben sich im Leben anders verhalten als sie und deshalb enden sie im  Inferno der Hölle.

                              

Bevor wir zu den nächsten beiden Versen 8 und 9 übergehen, möchten wir noch folgende Anmerkungen machen:

Erstens: Zwar ist der Koran auf Arabisch, aber er ist nicht nur für Araber gedacht. Nirgendwo im Koran werden ausdrücklich die Araber angesprochen, aber an vielen Stellen heißt es: „O Ihr Menschen!“

Zweitens: Wenn jemand für die Religion werben möchte, muss er darauf eingehen, was seinen Ansprechpartnern wichtig ist.

Drittens: Der Koran weist den großen Vorzug auf, dass sein Wortlaut derselbe ist wie die Offenbarung, die der Prophet empfangen hat. Der Koran blieb  von der Verfälschung und Änderung durch die Menschen verschont.

Viertens: Niemand hat einen logischen Beweis dafür erbracht, dass es das Jüngste Gericht nicht gibt. Wir sollten nicht durch Aufstellen von Zweifeln bezüglich dieser Wahrheit, den Weg für Abweichungen und Verderbnis ebnen.

                           

Es folgen die Verse 8 und 9 der Sure 42:

   

وَلَوْ شَاءَ اللَّـهُ لَجَعَلَهُمْ أُمَّةً وَاحِدَةً وَلَـٰكِن يُدْخِلُ مَن يَشَاءُ فِي رَحْمَتِهِ ۚ وَالظَّالِمُونَ مَا لَهُم مِّن وَلِيٍّ وَلَا نَصِيرٍ                           

 „Und wenn Allah gewollt hätte, hätte Er sie wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht (und alle auf den rechten Weg gezwungen). Aber Er nimmt, wen Er will (und für würdig betrachtet), in Seine Barmherzigkeit auf. Und die Ungerechten haben weder Schutzherrn noch Helfer.“ (42: 8)

 

أَمِ اتَّخَذُوا مِن دُونِهِ أَوْلِيَاءَ ۖ فَاللَّـهُ هُوَ الْوَلِيُّ وَهُوَ يُحْيِي الْمَوْتَىٰ وَهُوَ عَلَىٰ كُلِّ شَيْءٍ قَدِيرٌ

„Oder haben sie sich anstatt Seiner Schutzherren genommen? Allah (allein) ist doch der (wahre) Schutzherr. Er macht die Toten wieder lebendig, und Er hat zu allem die Macht.“ (42: 9)

 

Im Vers 7 hat Gott verheißen, dass die Menschen am Jüngsten Tag zwei Gruppen sein werden: Die einen werden sich im Paradies und die anderen in der Hölle befinden. Der nächste Vers 8 macht darauf aufmerksam, dass schon auf Erden die Menschen moralisch gesehen keine homogene Gemeinschaft bilden: Die einen besitzen einen edlen Geist und vollbringen gute Taten und die anderen hegen unlautere Absichten und begehen Hässliches. Es stellt sich nun die Frage, warum Gott es nicht so eingerichtet hat, dass alle Menschen auf der Welt edel denken und Edles tun, so dass sie im Jenseits im Paradies Einlass finden. Es stünde ja  in Gottes Macht, alle zum Glauben und zur Befolgung des Aufrufs der Propheten und zu würdigen Taten zu zwingen. Ein solcher erzwungener Glaube wäre allerdings nichts wert.

 

Gott will, dass die Menschen aus freien Stücken und durch freie Willensentscheidung ihren Weg wählen und dementsprechend handeln. Denn dies ist eine der  Voraussetzungen für echte  Weiterentwicklung des Menschen und  Gott hat ihnen auf diese Weise den Weg zur Vervollkommnung geöffnet. 

Das unterschiedliche Verhalten der Menschen geht darauf zurück, dass sie mit einem Willen ausgestattet sind. Das Wohl dieser Unterschiedlichkeit scheint von größerer Bedeutung als das  Wohl der Einheitlichkeit zu sein, denn die Unterschiedlichkeit entspringt der freien Entscheidung  und die besagte Einheitlichkeit dem Zwang. Die freie Entscheidung aber wiegt mehr als der Zwang.

 

Gott ist gerecht und weise und deshalb behandelt er jeden entsprechend dessen Entscheidung. Wer sich für  den Weg Gottes entscheidet , der erfährt die besondere göttliche Gnade und wer willentlich sich selber und den anderen ein Unrecht antut und den Irrweg geht, der ist  selber daran schuld, wenn er nicht an Gottes Barmherzigkeit im Diesseits und Jenseits gelangt.

Wer sich jemanden anderen als Gott zum Schutzherrn nimmt, und anstelle der Befolgung der  Gesetze Gottes die Befolgung der unzulänglichen Gesetze der Menschen zu seinem obersten Gebot macht, der hat sich der Schutzherrschaft Gottes entzogen und er wird im Leben und im Jenseits ohne Helfer und Schutzherr sein. Daher heißt es im Vers 9: Haben sie sich etwa jemand anderen zum Schutzherrn genommen außer Gott, obwohl Gott doch der einzige wahre Schutzherr  und Helfer ist?

Man bedenke, dass ein Schutzherr Macht besitzen muss und dass nur Gott der einzig wirklich Mächtige ist. Deshalb gehört Ihm die wahre Schutzherrschaft und daher weist der Vers 9 auch auf die Macht Gottes hin, die Toten wieder ins Leben zu rufen und es heißt: „Er hat zu allem die Macht.“ Wenn die Menschen also einen Schutzherrn und Helfer suchen, sollten sie Gott und niemanden anderen wählen, denn nur Seine  Schutzherrschaft ist allumfassend und ewig.

                                         

Wir sehen:

Erstens: Es ist Gottes Handhabung, dem Menschen freie Entscheidung zu überlassen, und niemand kann dem Menschen dieses Recht nehmen.

Zweitens: Die Ungläubigen und Götzenverehrer tuen weniger der Religion Gottes oder den Propheten Unrecht an, als sich selber, denn sie entziehen sich der Schutzherrschaft Gottes.

Drittens: Die Schutzherrschaft gebührt dem, der zu allem Macht hat und in dessen Hand Tod oder Leben der Menschen liegen. Sie steht jemandem,  der noch nicht einmal in Bezug auf seine eigene Person über Leben oder Tod entscheiden kann, nicht zu.

                                               

Es folgt abschließend der Vers 10 der Sure Schura:

 

وَمَا اخْتَلَفْتُمْ فِيهِ مِن شَيْءٍ فَحُكْمُهُ إِلَى اللَّـهِ ۚ ذَٰلِكُمُ اللَّـهُ رَبِّي عَلَيْهِ تَوَكَّلْتُ وَإِلَيْهِ أُنِيبُ                                               

„Und worüber ihr auch immer uneinig seid, das Urteil darüber steht Allah (allein) zu. Dies ist doch Allah, mein Herr. Auf Ihn verlasse ich mich, und Ihm wende ich mich zu.“ (42: 10)

                                     

Im Anschluss an die Verse über die umfassende Schutzherrschaft Gottes wird auf einen der Pfeiler dieser Herrschaft hingewiesen: Wer die Schutzherrschaft Gottes akzeptiert, der muss in jeder Angelegenheit – darunter auch in Streitsachen - darauf achten, was Gott sagt und wie Gott urteilt – und kann sich nicht nach dem eigenen Geschmack oder nach seinen Freunden oder Gleichgesinnten richten.  Leider orientieren sich viele von uns nach persönlichen Wünschen, anstatt an Recht und Wahrheit zu denken, und infolgedessen akzeptieren sie von den in der Gesellschaft kursierenden  verschiedenen Ansichten zu einem Thema, diejenige, die ihre persönlichen Interessen absichert oder ihrem eigenen Geschmack und ihrer persönlichen Meinung entspricht. Der wahre Glaube zeigt sich jedoch daran, dass wir uns bei allen Fragen, von den geistigen, gesellschaftlichen bis zu den politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen, ebenso wie bei Streitfragen nach der Quelle des göttlichen Wissens richten.  Mit anderen Worten, wir sollten in jeder Sache nachforschen, wie diese laut  Koran und gemäß der Vorgehensweise des Propheten und der Makellosen Imame aus seinem Hause zu beurteilen ist.

 

Was sich bei dieser Hinterfragung ergibt,  müssen wir daraufhin anerkennen, auch wenn es nicht unseren persönlichen Wünschen entsprechen sollte. Natürlich hat die Treue zu dem Urteil Gottes auch ihren Preis und möglicherweise werden wir deswegen auf Ablehnung in der Familie oder der Gesellschaft stoßen.  In einer solchen Situation müssen wir auf Gott vertrauen, standhaft bleiben und Ihn bitten, dass er uns festen Schrittes den Weg der Religion weitergehen lässt.

                      

Was wir uns merken können:

Erstens: Die Religion behandelt nicht nur Fragen des Glaubens und der Moral, sondern hält auch Antworten auf die anderen Angelegenheiten des Menschen hinsichtlich Gesellschaft, Familie, Politik und Wirtschaft bereit. Wir sollten uns also in allen Angelegenheiten fragen, was die Religion Gottes zu dieser Angelegenheit  lehrt und  welche Anweisungen sie diesbezüglich bereithält.  

Zweitens: Statt uns auf schwache und vergängliche Mächte zu stützen, sollten wir auf Gott, den Allmächtigen vertrauen und uns bei Schwierigkeiten an Ihn wenden.