Sep 25, 2020 12:05 CET

Wir besprechen heute die Verse 36 bis 39 der Sure 42, Sure Schura. Aus dem Vers 36 dieser Sure erfahren wir Folgendes:

(42: 36 – 39)

 

 فَمَا أُوتِيتُم مِّن شَيْءٍ فَمَتَاعُ الْحَيَاةِ الدُّنْيَا ۖ وَمَا عِندَ اللَّـهِ خَيْرٌ وَأَبْقَىٰ لِلَّذِينَ آمَنُوا وَعَلَىٰ رَبِّهِمْ يَتَوَكَّلُونَ                       

„Was immer euch gegeben worden ist, ist Nießbrauch des diesseitigen Lebens. Was aber bei Allah ist, ist besser und beständiger für diejenigen, die glauben und sich auf ihren Herrn verlassen,“ (42: 36)

                    

Im letzten Teil  haben wir von den Gottesgaben auf dem Festland und dem Meer gesprochen und nun heißt es daraufhin im Vers 36 dieser Sure, dass alles, was Gott Seinen Dienern im Leben zur Verfügung stellt, vorübergehende und vergängliche Gaben sind und dass sie nicht denken sollen, dass diese ihnen immer zur Verfügung stehen. Die Schätze und Gaben der jenseitigen Welt, an die die Gläubigen durch Vollbringen guter Taten gelangen können,  sind dahingegen ewig und beständig. Wenn also der Mensch etwas von den flüchtigen Gütern des begrenzten Lebens in dieser materiellen Welt hergibt, um an die ewigen und beständigen Gnaden im Jenseits zu gelangen, hat er einen großen Gewinn erzielt.

 

Die weltlichen Gaben vergibt Gott an alle, sowohl an Gläubige als auch an Nicht-Gläubige. Aber die jenseitigen guten Gaben sind nur für die Gläubigen und Geläuterten bestimmt, die durch richtige Nutznießung der diesseitigen Gaben, ihr Leben im Jenseits positiv aufgebaut haben. Wegen seiner  Treue zu den religiösen Regeln und Geboten,  muss der Gläubige natürlich von schlechten Taten ablassen und einige Verzichte auf sich nehmen, aber Gott wird dies im Jenseits ausgleichen und ihn mit besseren und beständigen Segensgaben belohnen.

Im Gegensatz zu denen, die das weltliche Leben lieben und danach streben, Besitz anzuhäufen und damit geizen, vertrauen die Gläubigen auf Gott und denken anstelle von Besitzanhäufung daran, den Bedürftigen unter die Arme zu greifen.  Statt eine Stütze bei den vergänglichen Faktoren  Macht und Reichtum zu suchen, vertrauen sie auf die unvergängliche Macht und Gnade Gottes.

                      

 

Wir können uns also wie folgt einprägen:

Erstens: Der gläubige Mensch nutzt zwar auch, wie die anderen, die weltlichen Gaben, aber sein Ziel ist das jenseitige Glück und dies ist es was ihn motiviert, wenn er den vorübergehenden weltlichen Angelegenheiten nachgeht.

Zweitens: Für das, was dem Gläubigen im Leben verlustig geht, wird ihm Gott im Jenseits Besseres verschaffen. Das Paradies ist für die Gläubigen bestimmt, die auf Gott vertrauen.

Drittens: Wenn jemand, anstatt sich auf eigene Macht und Reichtum zu verlassen,  auf Gott vertraut, ist es ein Zeichen dafür dass er gläubig ist. Gottvertrauen gehört zu den festen Merkmalen der Gläubigen.

              

Wir sollten uns dem nächsten Vers zuwenden. Dieser Vers 37 der Sure 42 lautet:

 

وَالَّذِينَ يَجْتَنِبُونَ كَبَائِرَ الْإِثْمِ وَالْفَوَاحِشَ وَإِذَا مَا غَضِبُوا هُمْ يَغْفِرُونَ                          

„und diejenigen, die schwerwiegende Sünden und Abscheulichkeiten meiden und, wenn sie zornig sind, (doch) vergeben,“ (42: 37)

                     

Im Anschluss an den Vers 36 nennt auch der Vers 37 weitere Merkmale für das Verhalten eines Gläubigen, der Aussicht auf die paradiesische Belohnung hat. Er meidet nämlich hässliche und abscheuliche Taten und läutert seine Seele, denn Unreinheit passt nicht zum Glauben.

Gläubige sind selbstbeherrscht. Wenn sie Zorn überkommt und sie damit in einen der kritischsten Gemütszustände geraten, bewahren sie die Kontrolle über Zunge und Hände. Aus ihrem Mund kommt keine hässliche Rede. Zorn ist ein Feuer, das im Menschen aufflammt und es gibt viele, die nicht fähig sind, ihr erzürntes Ich zu zügeln. Zorn ist zweifelsohne ein natürliches Gefühl, das jeden überkommen kann.  Es kommt darauf an in der Lage zu sein, während dieses Zustandes,  die Kontrolle über das Ego zu wahren und sich beherrschen zu können.

Der Glaube hilft dem Menschen seinen Großmut und seine Barmherzigkeit zu stärken, so dass er beim Umgang mit anderen bereit ist Nachsicht zu üben und zu verzeihen. Der aufrichtige Gläubige verliert also im zornigen Zustand nicht die Beherrschung und begeht nichts Hässliches und Abscheuliches. Er beherrscht seinen Zorn, reinigt mit Hilfe der Bereitschaft zu verzeihen und dem Großmut sein Herz vom Groll und vergibt dem, der ihn in Zorn versetzt hat. In den Überlieferungen heißt es, dass man einen guten Freund daran erkennt, dass er sich im Zorn beherrscht.

 

Wir  können uns klarmachen:

Erstens: Glaube ist nicht nur eine Angelegenheit des Herzens. Er muss sich auch in dem zeigen, was wir sagen und wie wir uns verhalten. Aufrichtiger Glaube wird dadurch bestätigt, dass wir uns von Sünden fernhalten und Zorn und Begierde unter Kontrolle bringen.  

Zweitens:  Ein gläubiger Mensch ist Herr über seine Triebe und die Wünsche seines Egos. Er lässt sich nicht, umgekehrt, von diesen beherrschen.

Drittens: Der Glaube setzt voraus, dass wir anderen verzeihen. Wer anderen nicht verzeiht, ist in Wahrheit nicht wirklich gläubig.

                                    

Die  Verse 38 und 39 der Sure 42 lauten:

 

وَالَّذِينَ اسْتَجَابُوا لِرَبِّهِمْ وَأَقَامُوا الصَّلَاةَ وَأَمْرُهُمْ شُورَىٰ بَيْنَهُمْ وَمِمَّا رَزَقْنَاهُمْ يُنفِقُونَ

„und diejenigen, die auf ihren Herrn hören und das Gebet verrichten, ihre Angelegenheit(en) durch Beratung untereinander (regeln) und von dem ausgeben, womit Wir sie versorgt haben,“ (42: 38)

 

وَالَّذِينَ إِذَا أَصَابَهُمُ الْبَغْيُ هُمْ يَنتَصِرُونَ

„und diejenigen, die, wenn Gewalttätigkeit gegen sie verübt wird, (nicht kapitulieren, sondern)sich helfen (gegenüber dem Gewalttätigen).“ (42: 39)

                             

Wie die vorhergehenden beiden Verse enthalten auch die obigen beiden Verse 38 und 39 eine Beschreibung der Zeichen für Gläubige.  Die Gläubigen folgen dem Aufruf ihres Herrn und gehen den  Weg der Rechtleitung, beugen sich mit Leib und Seele seiner Anweisung, dienen nur Ihm und verrichten nur für Ihn das Gebetsritual. Außerdem kümmern sie sich um die Bedürftigen und spenden diesen von dem was sie besitzen.  

In familiären und in sozialen Angelegenheiten achten sie die Meinung der anderen und beraten sich mit ihnen. Der Prophet Gottes und seine Begleiter zeichneten sich durch alle diese Merkmale aus. Der Prophet hielt selber auch die Anweisung zur Beratung ein. Obwohl er Gesandter Gottes war und  Offenbarungen empfing,  hat er sich in sozialen Angelegenheiten mit den anderen beraten und die Meinung der Mehrheit respektiert.  Zum Beispiel hat er sich bei der Schlacht zu Uhud  entgegen der eigenen Meinung nach der Ansicht der Mehrheit hinsichtlich  der Kampftaktik gegenüber den Götzendienern gerichtet. Diese Schlacht endete letztendlich mit der Niederlage der Muslime und dem Verlust von über  70 Helfern des Propheten.

Die  Gläubigen sollen  sich über  offene Fragen in  Angelegenheiten der Familie, der Gesellschaft und Wirtschaft und über weitere gemeinsame Belange beraten, während die göttlichen Gebote natürlich von einer Beratung ausgeschlossen bleiben. Daher heißt es  im obigen Vers, dass die Gläubigen „ihre Angelegenheit(en) durch Beratung untereinander (regeln)“, und es heißt nicht, dass sie über Dinge beraten sollen, für die Gott bereits einen Befehl erlassen hat.  

Es ist bemerkenswert, dass unter all den Merkmalen die für Gläubige in der Sure 42 genannt werden, das Merkmal, sich zu beraten, durch Benennung dieser Sure mit Schura – nämlich Beratung – noch einmal extra in den Vordergrund gestellt wird.                   

Schließlich wird noch im Vers 39 darauf hingewiesen, dass wahre Gläubige sich gegenüber Ungerechtigkeit und Unterdrückern wehren. Die Gläubigen dulden  keine Unterdrückung und sie helfen einander gegenüber den Unterdrückern und bekämpfen sie, um ihr Übel abzuwehren. Laut  einer anderen Stelle im Koran sollen die Gläubigen weder Unrecht begehen, noch sollen sie sich ein Unrecht gefallen lassen. (siehe Vers 279 der Sure 2).

 

Wir können uns vergegenwärtigen:

Erstens: Der Islam ist die umfassende und vollendete Religion, die alle Aspekte des Lebens, d.h. nicht nur die gottesdienstlichen Angelegenheiten und moralischen Fragen sondern auch  die Fragen der Wirtschaft,  Gesellschaft und der Politik berücksichtigt.

Zweitens: Der Anspruch gläubig zu sein,  muss sich an den Taten des Menschen zeigen. Der gläubige Mensch muss sich auf privater und auf gesellschaftlicher Ebene so verhalten, dass Gott mit ihm zufrieden ist. Es genügt nicht, wenn er nur gottesdienstlichen Dingen wie der Verrichtung des täglichen Gebetes nachgeht ohne soziale Aspekte zu beachten und ohne sich um gesellschaftliche Anliegen zu  kümmern.

Drittens: Es ist nicht mit dem Glauben vereinbar, anderen seine Meinung aufzuzwingen. Ein Gläubiger achtet die Meinung der anderen.

Viertens: Es steht im Widerspruch zur Gottgläubigkeit, sich einem Unrecht zu unterwerfen und gegenüber Ungerechtigkeit zu schweigen. Ein gläubiger Mensch wehrt sich gegenüber einem Unterdrücker und verteidigt sein Recht.