Teil 888: Sure Schura (die Beratung) Vers (40- 43)
Wir haben die Sure 42 bis zum Vers 39 besprochen. Hier nun der Vers 40 dieser Sure, der Sure Schura:
(42: 40- 43)
وَجَزَاءُ سَيِّئَةٍ سَيِّئَةٌ مِّثْلُهَا ۖ فَمَنْ عَفَا وَأَصْلَحَ فَأَجْرُهُ عَلَى اللَّـهِ ۚ إِنَّهُ لَا يُحِبُّ الظَّالِمِينَ
„Die Vergeltung für eine Übeltat soll ein Übel gleichen Ausmaßes sein. Wer aber verzeiht und Besserung bringt, dessen Lohn obliegt Allah. Er liebt ja nicht die Ungerechten.“ (42: 40)
Im Vers 39 hieß es, dass sich die Gläubigen gegenüber einem Unterdrücker wehren sollen, in dem Sinne, dass sie gegenüber Unrecht nicht schweigen und wenn nötig sich gegenseitig helfen, um entsprechend gegen den Urheber vorzugehen. Daraufhin mahnt aber der obige Vers 40, dass bei der Bestrafung eines Übeltäters keine Übertreibung begangen werden darf und die Strafe im angemessenen Verhältnis zu seiner schlechten Tat stehen und gerecht sein muss. Auch in dem Vers 194 der Sure 2, Sure Baqara, heißt es, dass etwas Schlechtes nur mit Gleichen vergolten werden darf.
Gott lässt uns in Fortsetzung des obigen Verses 40 der Sure Schura wissen, dass er es lohnen wird, wenn jemand dem Unrechttuenden vergibt, falls dieser seine schlechte Tat bereut und um Verzeihung bittet. Er verspricht Lohn für den, der nach Versöhnung trachtet, denn Er zieht es vor, dass die Gläubigen sich auf diese Weise verhalten. Zweifelsohne soll dieses Gebot Gottes nicht bedeuten, dass Gott einen Unterdrücker verteidigt und unterstützt, sondern es soll dazu dienen, dass Hassgefühle zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft getilgt werden und zwischen ihnen Friede hergestellt wird.
Folgende Punkte können wir uns im Zusammenhang mit dem obigen Vers in der Sure Schura merken:
Erstens: Darüber ob jemand, der einem anderen ein Unrecht angetan hat, dafür bestraft werden soll oder nicht, bestimmt derjenige, dem dieses Unrecht angetan wurde. Er kann die gerechte Bestrafung des Missetäters verlangen oder aber ihm vergeben. Sollte er ihm nicht verzeihen, so muss die Bestrafung jedoch angemessen sein und darf nicht zu hoch und nicht zu gering ausfallen.
Zweitens: Die Religion empfiehlt einem Gläubigen, dass er jemandem, der ihm Leid zugefügt hat, verzeiht und auf sein Recht, dessen Bestrafung zu verlangen, verzichtet. Sie verspricht ihm einen großen Lohn seitens Gott, falls er dem Schuldigen vergibt.
Drittens: Neben der Geltendmachung gerechter Gesetze sollen die Menschen auch zu Güte und Barmherzigkeit untereinander angeregt werden. Der Koran verbrieft zwar das Recht auf Vergeltung für eine schlechte Tat mit Gleichen, empfiehlt aber zugleich auch Vergebung gegenüber dem Täter.
Wir betrachten als nächstes die Verse 41 und 42:
وَلَمَنِ انتَصَرَ بَعْدَ ظُلْمِهِ فَأُولَـٰئِكَ مَا عَلَيْهِم مِّن سَبِيلٍ
"Jedoch trifft kein Tadel jene, die sich selbst helfen, nachdem ihnen Unrecht widerfahren ist, und es vergelten.“ (42: 41)
إِنَّمَا السَّبِيلُ عَلَى الَّذِينَ يَظْلِمُونَ النَّاسَ وَيَبْغُونَ فِي الْأَرْضِ بِغَيْرِ الْحَقِّ ۚ أُولَـٰئِكَ لَهُمْ عَذَابٌ أَلِيمٌ
„Tadel trifft nur solche, die den Menschen Unrecht zufügen und sich auf Erden ohne Rechtfertigung widersetzen. Ihnen wird eine schmerzliche Strafe zuteil sein.“ (42: 42)
In Fortsetzung des Verses 40, in dem es um die Bestrafung eines Übeltäters bzw. um die Vergebung gegenüber ihm ging, wird im Vers 41 noch einmal hervorgehoben, dass derjenige dem das Unrecht angetan wurde, über Vergeltung bzw. Vergebung entscheiden muss und niemand ihn zwingen kann dem Übeltäter zu vergeben. Denn es ist sein natürliches Recht, die Herstellung von Gerechtigkeit zu verlangen, den Übeltäter zu bestrafen bzw. wenn er selber nicht dazu fähig ist, andere zu bitten, ihm dabei zu helfen.
Der Unterdrückte ist also nicht zu belangen, wenn er sein Recht auf Vergeltung ausüben will, denn er macht sich dadurch nicht schuldig und begeht keinen Verstoß. Die Allgemeinheit muss stattdessen denjenigen verurteilen und tadeln, der - ohne dazu berechtigt zu sein - Gewalt gegen andere anwendet und ihre Rechte verletzt. Diejenigen sind zu belangen, die sich mit ihrem Unrecht über die gerechten Bestimmungen hinwegsetzen. Sie haben es verdient, im Diesseits von der Allgemeinheit gerügt zu werden und im Jenseits gebührt ihnen die Strafe Gottes und das Höllenfeuer.
Wir können uns einprägen:
Erstens: Der Unterdrückte ist berechtigt, andere um Hilfe zu bitten, damit er an sein Recht gelangt, und die Gesellschaft muss ihm bei der Herstellung seines Rechtes helfen.
Zweitens: Die Verletzung der Rechte anderer ist verwerflich und muss gesetzlich verfolgt werden, egal wer diese Verletzung begeht.
Drittens: Wenn die Aufsässigkeit gegenüber den Gesetzen Gottes und den gesellschaftlichen Bestimmungen üble Folgen für die Gesellschaft hat, muss die Öffentlichkeit davon erfahren und die Gründe hinterfragen.
Wir schließen mit dem Vers 43 der Sure Schura. Dieser beinhaltet folgendes Gotteswort:
وَلَمَن صَبَرَ وَغَفَرَ إِنَّ ذَٰلِكَ لَمِنْ عَزْمِ الْأُمُورِ
„Wahrlich, wenn einer geduldig ist und vergibt, so gehört dies zur Entschlossenheit in den Anliegen“ (42: 43)
Dieser Vers kommt noch einmal auf die Vergebung zurück. Die Menschen sollen nicht vergessen, erbarmungsvoll zueinander zu sein und einander zu vergeben – auch wenn jemand, der unterdrückt wurde, Anspruch auf Bestrafung des Unterdrückers hat. Es ist nicht einfach, anderen ihr Vergehen zu verzeihen, und erfordert Langmut. Jedoch schätzt Gott dieses Tun. Nicht jeder vermag auf sein Recht zu verzichten. Aber Menschen, die einen starken Willen haben und gute Eigenschaften besitzen, können dieses Werk vollbringen.
In den angeführten Versen geht es also um zwei Arten von Verhalten gegenüber jemandem, der anderen ein Unrecht angetan hat, nämlich entweder sie zu bestrafen oder ihnen zu vergeben. Wie die Entscheidung ausfällt, hängt natürlich von den Bedingungen sowohl auf der Seite dessen, der Unrecht begangen als auch auf der Seite dessen, der von ihm Unrecht erfahren hat, ab.
Es kann einerseits vorkommen, dass der Unterdrücker seine schlechte Tat bereut und um Vergebung bittet. Ebenso ist es möglich, dass er keine Reue empfindet, sondern am Bösen festhält.
Andererseits kann es sich bei dem Unterdrückten um einen Menschen mit hohem Charakter handeln, dem es leicht fällt, die Vergehen anderer zu verzeihen. Und genauso ist es möglich, dass er das Unrecht, dass im angetan wurde, nicht ertragen kann und zu seiner Genugtuung auf dem Recht nach Vergeltung besteht.
In den Versen der Sure Schura, die wir zuletzt behandelt haben, wurden alle diese Situationen ins Auge gefasst und entsprechend für jede von ihnen Anweisungen gegeben.
Wir fügen diesem Abschnitt noch folgende drei Merkpunkte hinzu:
Erstens: Die ethische Empfehlung des Korans lautet: Selbstbeherrschung und Vergebung für die Fehler der anderen. Dennoch bleibt aufgrund der religiösen Gesetzgebung das Recht auf Bestrafung des Übeltäters bewahrt.
Zweitens: Geduld und Bereitschaft zum Vergeben gehören zu den hohen menschlichen Eigenschaften, die Gott lobt.
Drittens: Der Islam ist umfassend: Er erkennt das Recht des Unterdrückten auf Bestrafung des Unterdrückers an und animiert ihn zugleich dazu, dem, der ihm Unrecht angetan hat, zu verzeihen.