Nov 29, 2020 09:13 CET
  • Sinnvolle Wegzeichen der Ahl-ul-Bait  (10)

Wir setzen das Thema Nubuwwat fort und beginnen mit einem Wort von Imam Ridha (F) über die Berufung von Propheten.

 

Imam Ridha (Friede sei mit ihm)  hat gesagt: „Es bleibt nichts anderes übrig, als dass es einen Gesandten seitens Gott zwischen Ihm und den Menschen gibt, damit Er die Gebote und Verbote den Menschen mitteilt und sie über das informiert, was mit ihrer Existenz verbunden ist – vom Erwerb von Vorteilen und von der Abwehr von Schäden.  Denn der Mensch ist nicht so erschaffen, dass er in der Lage wäre,  über alle seine Bedürfnisse Bescheid zu wissen.“   (Bihar ul Anwar, Bd. 11, S.40)

Imam Ridha betrachtet also die Gegenwart von Propheten unter den Menschen deshalb als notwendig, weil der Mensch aufgrund seiner Grenzen von sich aus nicht alle seine Bedürfnisse und Erfordernisse kennt, so dass er sie erfüllen würde. Aus der Sicht des Imams (F) gehört es zwingend zum Leben, dass der Mensch weiß, was ein Gewinn für ihn ist und was ihm schadet. Aber der Mensch wird  sich von selber und alleine nicht bewusst was alles wirklich zu seinem Vorteil und zu seinem Schaden ist. Er ist nicht fähig dazu. Daher sind die Propheten ausgesandt worden, um ihn über das, was ihm zum Wohle gereicht  in Kenntnis zu versetzen.

                  

Die Leugnung der Offenbarung und des Prophetentums ist in Wahrheit zugleich die Leugnung der Einheit Gottes. Wer das Tauhid-Prinzip akzeptiert hat, nämlich den Glauben an die Einheit Gottes, und die Welt als Schöpfung sieht, die aus dem Willen des Einen Gottes hervorgegangen ist, der kann nicht mehr die Offenbarungen leugnen. Denn wer die Offenbarung leugnet, der leugnet auch den Sinn der Schöpfung, während doch jede Erscheinung in der Daseinsordnung, die Gott erschaffen hat, auf das Ziel zustrebt, sich vollständig zu entfalten. Die vollständige Entwicklung ist auch das Ziel des Menschen. Mit Seiner Offenbarung lässt Gott – der Schöpfer allen Seins - den Menschen die Gesetze wissen, die seinen Fähigkeiten und seinen  wahren Bedürfnissen gerecht werden, damit er sich vervollkommnen kann. Der bekannte iranische Arzt und Philosoph Abu Ali Sina (Avicenna) hat in seinem Buch Schafa`wie folgt über den Sinn der  Aussendung der Propheten gesagt:

„Die Aussendung von Propheten ist für den Fortbestand des Menschengeschlechtes und zur Erreichung von Idealen durch ihn notwendiger als das Wachsen der Wimperhaare und Augenbrauen und die Innenwölbung des Fußes (welche dem Menschen Laufen und Stehen erleichtert) und weitere nützliche Dinge es sind. Daher kann es unmöglich angehen, dass Gott in Seiner Huld diese nützlichen Dinge für notwendig aber die Aussendung von Propheten, welche doch die Basis für das menschliche Leben bieten, nicht für notwendig betrachtet hat.“

  

Wir sagten, dass das Ziel der Erschaffung des Menschen darin besteht, dass er aus freiwilligen Stücken Taten vollbringt, die ihn auf dem Weg zur Vervollkommnung fördern. Mit anderen Worten: Der Mensch wurde erschaffen, damit er durch seinen Gehorsam gegenüber Gott, dem Allmächtigen, und sein Gott-Dienen stufenweise dem idealen Menschen näherkommt.  Dieses Ziel wird aber nur  Wirklichkeit, wenn der Mensch es selber will. Der Mensch kann sich frei entscheiden, ob er den Weg der Vervollkommnung gehen will oder sich davon abwendet.  Also liegen im Laufe des Lebens immer zwei Wege vor ihm – der eine führt automatisch ins Unglück und der andere zu einem guten Ausgang. Da der Mensch dauernd zwischen diesen beiden Wegen wählen muss, braucht er geeignetes Wissen über alle Dinge. Er kann nur dann bewusst und frei seinen Weg wählen, wenn er sowohl sein Ziel als auch den Weg kennt, der ihn an dieses Ziel gelangen lässt. Der Mensch muss folglich die Möglichkeit haben, an das erforderliche Wissen zu gelangen.  Die Weisheit Gottes impliziert eine diesbezügliche Vorsehung.

                           

Übliche Kenntnisse werden durch das Zusammenwirken von Vernunft und Sinneserfahrung gewonnen. Sie spielen zwar eine wichtige Rolle bei der Erwiderung der Bedürfnisse im Leben, reichen aber nicht aus, um zu erkennen, welcher Weg zu wahrem Glück auf allen Ebenen,  der persönlichen und gesellschaftlichen, der materiellen und der immateriellen, führt.  Denn der Mensch vermag einige Wahrheiten der Welt nicht wahrzunehmen. Also muss es neben Vernunft und Sinneserfahrung ein drittes Mittel geben um  festzustellen, welches der Weg allseitiger Vervollkommnung ist und dieses dritte Mittel ist die göttliche Offenbarung, die dem Menschen über die Propheten vermittelt und zur Verfügung gestellt wurde. Imam Musa Kadhim (F) hat gesagt:

„Gott hat den Menschen zwei Beweise gegeben: Den äußeren und den inneren Beweis. Der äußere Beweis  sind Seine Gesandten und Propheten und der innere Beweis ist der Verstand.“ (Usul-e Kafi, Bd. 1, S. 16)

                         

Die wichtigste Aufgabe der Propheten besteht darin, die Herrschaft  der göttlichen Gesetzesordnung unter den Menschen anzustreben. Diese Gesetzesordnung ist die gerechteste von allen, weil  in ihr die Herrschaft des Menschen über andere Menschen abgelehnt wird.  Die Glaubhaftigkeit und der Einfluss der Propheten gehen darauf zurück, dass sie Überbringer der Botschaft Gottes sind.  Wenn Gott der Gesetzgeber ist, dann ist das Gesetz makellos, denn Gott ist der Schöpfer der Welt und ihrer Bewohner und  ist daher vollständig über die Menschen und alle ihre Bedürfnisse im Bilde. Es leuchtet ein, dass der Gesetzgeber Beginn und Ausgang des Menschen und sein Wesen bis ins Detail kennen muss, um für alle Bereiche den richtigen Lebensweg aufzuzeigen und für Milliarden von Menschen mit ihren äußerlichen und seelischen Unterschieden das ideale Lebenskonzept  vorzulegen. Eine einzelne Person oder eine Gruppe von Menschen und selbst tausende Expertenteams werden nicht in der Lage sein so präzise Gesetze aufzustellen, dass deren Durchführung das persönliche und gesellschaftliche, das materielle und immaterielle, das diesseitige und jenseitige Wohl gewährleistet und zwar für alle Menschen.

An den Veränderungen in der von Menschen geschaffenen Gesetze im Verlaufe der Geschichte und dem Scheitern von Ideologien, die das Glück des Menschen versprachen, zeichnet sich ab, dass das menschliche Wissen nicht ausreicht um der menschlichen Gesellschaft die Richtung zur Erreichung von allseitigem Wohl und Glück zu weisen.  Der beste Beweis für diese Unzulänglichkeit sind die Eingeständnisse der Vertreter dieser Ideologien und die Kritiken, die von sachkundiger Seite an ihren philosophischen und gedanklichen Grundlagen erfolgten. Ein anschauliches Beispiel ist der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme und die Krise des Kapitalismus in der westlichen Welt. Ohnehin haben diese Ideologien lediglich für das diesseitige Leben des Menschen ein angeblich glücksbringendes Konzept gepriesen, während sie sein Wohl im Jenseits und seine spirituelle Vervollkommnung außer Acht gelassen haben. Sie haben den Menschen auf die Grenzen des Weltlichen und die Wünsche seines Egos reduziert.

                   

Da der Mensch zwei Seiten hat, betrifft das Gesetz zu seiner Vervollkommnung, welches laut der Lehre der Propheten gilt, ebenso zwei Seiten, nämlich seine materielle und seine immaterielle. Körper und Seele des Menschen sind ja nicht voneinander zu trennen, und daher werden in der Schule der göttlichen Offenbarung sowohl die stofflichen als auch die spirituellen Bedürfnisse beachtet. Die Propheten Gottes sind wie Ärzte. Ein Arzt richtet sich danach, was sein Patient benötigt und nicht danach, was sein Patient sich wünscht. Möglicherweise möchte der Patient etwas, was ihm schadet, aber der Arzt achtet darauf was er braucht, um gesund zu werden.  In einem Staat, in dem Gott an der Spitze steht, ist keiner berechtigt die Menschen zu beherrschen und ein Recht zu verletzen. Gott ist der Alleinherrscher in diesem Staat. Das heißt nur das Gesetz und die Offenbarung Gottes, welche das Konzept zur Vervollkommnung des Menschen bilden, herrschen über die Gesellschaft und alle sind vor dem Gesetz Gottes gleichgestellt. Keiner ist berechtigt seine persönlichen Neigungen und Wünsche anderen aufzuzwingen, selbst wenn er am meisten Machtbefugnisse besitzt. Nur in dem Regierungssystem der Propheten wird die Vorherrschaft von Menschen über andere Menschen wirklich vollständig abgelehnt. Der Prophet des Islams hat in seinem Schreiben an den Bischof und die Christen von Nidschran (im Süden der Arabischen Halbinsel) auf folgende Weise den Grund für die Aussendung von Propheten angedeutet: „Ich rufe euch auf anstatt Menschen zu dienen Gott zu dienen und lade euch statt der Schirmherrschaft von Menschen zur Schirmherrschaft Gottes ein.“ 

Ein wichtiger Aspekt der Herrschaft der Gesetze Gottes sind die starken Garanten für die Durchführung dieser Gesetze. Denn die Durchführung der Gesetze Gottes entspringt dem Glauben der Menschen an Gott. Je stärker dieser Glaube ist, desto stärker wird der Garant für die Durchführung der Gesetze Gottes sein.  Denn ein gläubiger Mensch wird in jeder Situation sich verpflichtet fühlen die Gesetze Gottes einzuhalten.  Daher ist der Glaube an die Lehre der Propheten der Garant für Wohl und Glück des Menschen und der Gesellschaft.