Jan 10, 2021 02:30 CET
  • Sinnvolle Wegzeichen der Ahl-ul-Bait (16 - Adl)

Unser dieswöchiger Beitrag betrachtet die weisen Worte der Ahl-ul-Bait – der Edlen aus dem Hause des Propheten -  über Adl; die  göttliche Gerechtigkeit.

                           

Wir beginnen mit einem Hadith von Imam Sadiq (F), der gesagt hat: „Gott ist ein Licht, zu dem niemals Dunkelheit Zugang findet, und (Er ist) Gerechtigkeit, die nicht mit Ungerechtigkeit vermischt ist, und Recht, welches kein Unrecht enthält.“ (Bihar ul Anwar, Bd. 3, S. 306)

Die Gerechtigkeit Gottes (Seine Idalat) impliziert,  dass Er niemals  etwas tut, was gegen Weisheit und Wohl verstoßen würde.

Wenn wir die Ordnung in der Daseinswelt betrachten, stellen wir fest, dass überall allseitige  Ausgeglichenheit unter den Erscheinungen in ihr herrscht. Gott ist gerecht und hat jedem Ding und Wesen einen bestimmten Platz zugewiesen. Allerorts im Dasein – von den Umlaufbahnen und der Umdrehung der Planeten bis zu den detaillierten Zusammenhängen der Gliedmaßen eines Lebewesens -  tritt die göttliche Gerechtigkeit in Erscheinung. Die unbestreitbare Ordnung und Ausgeglichenheit im ganzen Universum bilden die Grundlage für wissenschaftliche Gesetze und  Gleichungen.    Im Vers 50 der Sure 20 (Taha) antwortet Prophet Moses auf die Frage Pharaos, wer sein Gott sei, wie folgt:

„Unser Herr ist derjenige, der allem seine Natur gegeben und (es) hierauf rechtgeleitet hat.“

In der Natur herrscht überall das Gesetz der göttlichen Gerechtigkeit und alles folgt aufgrund der Gesetze seinem eigenen Weg der Entwicklung und Entfaltung.  Alles ist so aufeinander abgestimmt und geordnet, dass jegliches Abweichen von der allgemeinen Ordnung und den in ihr herrschenden Beziehungen  eine Störung hervorruft. Die Erscheinungen zeigen natürlich gegenüber einer Störung der Ordnung in der Natur eine Reaktion. Dabei werden  von innen heraus oder von außen die Hindernisse  für Weiterentwicklung und Vervollkommnung von bestimmten Faktoren beseitigt. Hier ein  Beispiel:

Wenn der Körper des Menschen von Krankheitserregern und Bakterien angegriffen wird,  werden die weißen Blutkörperchen im Inneren des Körpers mobil, um das Übel zu bekämpfen. Falls  zudem von außen Medikamente zugeführt werden, helfen diese den  internen  Faktoren bei der Heilung des Körpers und bei der Wiederherstellung  seines gesunden Gleichgewichtes.

                                                   

Gottes Adl (Gerechtigkeit) wird damit definiert,  dass jeder Sache diejenige  Stellung verliehen wird, die ihr gebührt. Im Lichte Seines Wesens handelt Gott  weise und gerecht. Gottes Wesen weist kein Attribut auf, welches Unrecht und Unterdrückung hervorrufen würde. Imam Ali hat über die Bedeutung von Adl laut Nahdsch-ul-Balagha (Weisheit 437) gesagt:  „Die Gerechtigkeit sorgt dafür, dass die Dinge an ihrem (angemessenen) Platz sind.“

 

Gemäß dieser Definition von der Gerechtigkeit  nimmt jede Sache also einen bestimmten Platz im Universum ein. Jede Sache hat eine bestimmte Aufgabe und Funktion. Die Dinge in der Daseinsordnung sind jedoch hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten, das Dasein zu nutzen,  verschieden voneinander.  Gott hat jedem Ding auf jeder Stufe das, was es für seine Entfaltung  und Weiterentwicklung braucht, entsprechend seiner Bedürfnisse und seiner Eignungen zur Verfügung gestellt.  Bei näherer Betrachtung der Schöpfungsordnung erkennen wir, dass auch diese Unterschiede völlig gerecht und für den Erhalt des Lebens notwendig sind. Es gäbe keine Vielfalt wenn es keine Unterschiede gäbe. Unterdessen liegt  gerade in dieser Vielfalt für uns  die Pracht und Größe der Welt.

 

Die Schöpfungsordnung beruht also  auf dem Prinzip des Ausgleichs und der Eignung. Es herrscht keine Benachteiligung in ihr, sondern  es herrschen Unterschiede.  

                         

 Man beachte jedoch, dass die göttliche Gerechtigkeit nicht die Gleichstellung aller Dinge und Menschen  vorsieht. Ein gerechter Lehrer wird auch nicht alle Schüler, sowohl die fleißigen als auch die faulen, auf die gleiche Stufe stellen, und alle anspornen bzw. tadeln.  Er lobt bzw. tadelt die Schüler entsprechend ihrer Anstrengungen und Leistungen.

Die göttliche Gerechtigkeit setzt voraus, dass jeder Mensch entsprechend seiner Fähigkeiten  Pflichten trägt. Somit spielen sowohl seine Fähigkeiten als auch seine Anstrengungen bei seiner Beurteilung eine Rolle und sein Lohn bzw. seine Strafe hängt daher  davon ab, ob er sich entsprechend seiner Fähigkeiten Mühe gegeben hat oder nicht.

Die gesamte Welt erlebt einen gezielten Entwicklungsprozess und jedes Phänomen gehorcht bestimmten Regeln. Imam Ali (F) hat gemäß Ghurur Al Hikam  (Kapitel 9, Nr. 56) gesagt: „Gott setzt die Dinge in Gange, indem er das erwägt was zum Wohle gereicht, (er setzt sie) nicht gemäß eurem  Verlangen und eurer Zufriedenstellung ( in Gang).“    

Die Gerechtigkeit Gottes ist nicht nur der Kern aller Daseinserscheinungen sondern gilt auch in den Gesetzen und Geboten Gottes. Imam Ali hat laut Predigt 185, Nahdsch-ul-Balagha über Gott  gesagt:

Er steht darüber, Seinen Dienern Unrecht zu tun, Er bewahrt Billigkeit unter Seinen Geschöpfen und lässt gegen sie Gerechtigkeit in Seinen Urteilen walten.

                              

 

Gott hat einerseits Gesetze und Pflichten festgelegt, die dem Menschen zum Wohl gereichen und auf der anderen Seite hat er niemanden zu etwas verpflichtet, was  seine Kräfte und seine Möglichkeiten  übersteigen würde.  Einmal wurde Imam Sadiq (F) von einer Person namens Mohammad ibn Adschlan folgende Frage gestellt: „Hat Gott die Menschen zu etwas gezwungen?“

Der Imam antwortete:  „Gott ist gerechter als dass Er einen Menschen zu einer Tat zwingt und ihn danach bestraft.“ (Usul-i Kafi Band 1, Kapitel Dschabr- (Zwang), H 10)

Von dieser Aussage lässt sich ableiten, dass eine der Erscheinungsformen der Gerechtigkeit Gottes darin besteht, dass Er dem Menschen Willenskraft verlieh. Wenn der Mensch frei entscheiden kann, bedeutet es, dass er sowohl würdige Taten vollbringen und die Vervollkommnung anstreben, als auch Hässliches tun und den Irrweg gehen kann. Für eine bewusste Entscheidung und die richtige Wahl ist es notwendig, den guten und schlechten Weg gut zu kennen und daher schließt die göttlichen Gerechtigkeit mit ein, dass Er dem Menschen zeigt, welcher Weg gut und welcher schlecht ist. Es schließt mit ein, dass Gott dem Menschen das gebietet, was ihm zum Wohl gereicht und ihm das verbietet, was Unheil und seinen Absturz bewirkt. Damit werden für den Menschen die Voraussetzungen für seine Vervollkommnung geschaffen. Wenn nun aber der Mensch aus freier Entscheidung den Irrweg entlangstrebt, wird er Strafe erfahren. Sollte er jedoch den Weg der Seligkeit gehen und Gott zufriedenstellen, wird er belohnt werden. Das ist absolute Gerechtigkeit.

Imam Sadschad (F) hat daher in einem seiner Lobpreisungen gesagt: „O Gott, deine Vergebung ist  Gefälligkeit   und deine Strafe ist absolute Gerechtigkeit (Sahifah Sadschadiya, Gebet 45) 

                              

Im Zusammenhang mit der Gerechtigkeit Gottes fragen sich auch einige, wieso es im Leben Unglück und Härten gibt.

 Manchmal nehmen Menschen Härten und Mühen auf sich, um an einen Vorteil zu gelangen; zum Beispiel nehmen sie Mühsale in Kauf, um  Geheimnisse der Natur aufzudecken und die Wissenschaft zu bereichern.  Diese Härten und diese Mühsal sind erforderlich, um das gewünschte  Ziel  zu erreichen. Oftmals werden sie für die Weiterentwicklung und Entfaltung der Fähigkeiten und die Vervollkommnung des Menschen notwendig. 

Es kommt aber auch vor,  dass Härten und Unglücke die Folgen der Taten des Menschen sind. Da die Daseinsordnung auf dem Prinzip von Ursache und Folge aufbaut, führt jede Handlung und jedes Ereignis zu einem bestimmten Ergebnis. Auch das entspricht absolut den gerechten Grundsätzen Gottes. Manchmal werden alle, sowohl die schlechten als auch die guten Menschen, von einem Unglück heimgesucht. Imam Sadiq (F) hat über die gerechte Planung Gottes in solchen Fällen gesagt, dass ein solches Übel, obwohl es sowohl die Guten als auch die Schlechten trifft,  ein heilsames Mittel zur Verbesserung von beiden ist.  Die Guten erinnern sich bei dem was sie heimsucht an die vorherigen Segensgaben seitens ihres Herrn und dies macht sie dankbar und geduldig. Und die Schlechten werden, wenn sie ein solches Unglück trifft, vom Gott-Ungehorsam und Hässlichem abgehalten (Bihar-ul Anwar, Bd. 3, S. 139).