Den Islam richtig kennenlernen (24)
In diesem Beitrag möchten wir erklären, wieso der Mensch nicht die ganze Wahrheit Gottes erfassen kann.
Im letzten Teil sagten wir bereits, dass der Mensch nicht an eine vollständige Kenntnis über das Wesen Gottes gelangen kann, weil das Wesen Gottes unbegrenzt ist, während uns Menschen Schranken auferlegt sind. Es gibt nichts in der Welt, was Gott gleichen würde und da der Mensch sich nichts vorstellen kann, was Gottes Wesen ähnelt, kann er auch nicht vollständig die Wahrheit Seines Wesens erschließen.
Wir sagten, dass Gott unendlich ist und weder Eigenschaften der Materie besitzt noch von ihr beeinflusst wird. Außerdem ist Er an keine Zeit und keinen Ort gebunden. Unterdessen ist alles in der materiellen Welt begrenzt auf eine bestimmte Zeit und einen Ort und wird von der Materie beeinflusst. Weil wir in unserem stofflichen Leben laufend einer Reihe von gegenständlichen, zeitlichen und örtlichen Bedingungen begegnen, können wir uns automatisch kein Wesen vorstellen, dass absolut ist und von jeder Bedingung unabhängig. Wir haben beim letzten Mal schon auf diese Punkte hingewiesen.
Diesmal wollen wir einen weiteren Grund dafür nennen, warum der Mensch das Wesen Gottes nicht erfassen kann. Und zwar liegt es auch daran, dass der Mensch Dinge nur erkennt, wenn es einen Gegensatz für sie gibt.
Zur besseren Veranschaulichung hier einige Beispiele: Zum Beispiel erkennt der Mensch Licht und Dunkelheit durch deren Vergleich miteinander. Wenn es angenommen auf der Welt immer und überall hell wäre und nirgends dunkel würde, würde der Mensch die Dunkelheit nicht kennen. Er würde aber – und darauf wollen wir hier hinaus – das Licht selber und Helligkeit auch nicht kennen. Wir erkennen das Licht nur deshalb, weil es vergeht und danach dunkel wird. Nur so können wir feststellen, dass vorher etwas war, mit dessen Hilfe wir unsere Umgebung sehen konnten. Das Licht würde uns nicht auf sich aufmerksam machen, falls es unablässig bestehen würde. Wir erkennen das Licht durch seinen Gegensatz, nämlich die Dunkelheit.
Noch ein Beispiel: Angenommen auf der Welt gäbe es keine Unwissenheit und der Mensch besäße Kenntnis über alles. Wenn er alles im Lichte des Wissens sehen würde, würde er nicht mehr wissen, was Unwissenheit bedeutet. Er würde sich aber auch der Wissenschaft nicht bewusst, denn er würde ja alles verstehen. Wenn also die Unwissenheit sich deutlich von dem Wissen abzeichnet, dann wird der Mensch auch auf das Wissen aufmerksam.
Auch Tag und Nacht liefern ein Beispiel: Wenn es immer Tag wäre, hätte der Mensch keine richtige Vorstellung von der Nacht, denn er hat sie nie gesehen und er könnte auch nicht nachvollziehen was der Tag ist, denn es wäre ja immer Tag und er würde den Gegensatz dazu nicht kennen.
Eine bekannte Parabel ist die Geschichte vom Fisch, der niemals aus dem Wasser herauskommt, und nichts anderes kennt als das Wasser. Er denkt bei sich: Was ist dieses Wasser bloß, von dem alle reden und sagen es sei das Lebenselixier? Wo ist es überhaupt? Warum habe ich es bisher nicht gesehen? Wen er auch immer darum bittet, dass er ihm das Wasser zeigt, der gibt ihm keine Antwort; bis er schließlich eines Tages durch ein Missgeschick aufs Ufer fällt und den Tod vor Augen hat. Da weiß er, was das Lebenselixier Wasser war und welche große Rolle es bisher in seinem Leben gespielt hat.
Das Wesen des Einen Gottes ist absolutes Licht. Es ist Licht demgegenüber es keine Dunkelheit gibt. Er ist das Licht der Welt und der Himmel. Er ist sichtbarer als alles Sichtbare und uns näher als alles, was uns nahe ist. Er ist das Licht ohne Untergang. Das Licht, das überall ausfüllt und weil es keinen Untergang hat , wird es nicht zunichte und es gibt kein Dunkel das den Gegensatz zu ihm bilden würde. Da der menschliche Verstand so beschaffen ist, dass er etwas nur durch seinen Gegensatz erkennen kann, kann er in keiner Hinsicht das Wesen Gottes nachvollziehen.
Gott ist seit jeher gewesen und wird immer sein. Das Licht Gottes hat keinen Aufgang und keinen Untergang. Es kennt keine Vernichtung und keine Veränderung. Gottes Herrschaft über die Welt wird nicht weniger und nicht mehr. Ihm steht anders ausgedrückt kein Gegensatz gegenüber. Daher kann der Mensch Gott nicht mit dem Verstand erfassen. Der Mensch erkennt die Dinge durch den Vergleich miteinander oder mit Hilfe ihres Gegensatzes. Wenn etwas keinen Gegensatz aufweist, kann er es selbst bei maximalem In-Erscheinung-Treten nicht erkennen. Die Theosophen sagen: „Gott ist überall auf der Welt absolut zugegen und in Erscheinung. Doch wegen der Intensivität seines Erscheinens auf der Welt ist er unsichtbar.“
Das Wesen Gottes ist in jeder Beziehung unendlich. Es gibt keinen Ort, wo er nicht wäre. Es gibt keine Zeit wo es ihn nicht gäbe und es gibt keine Vollkommenheit, die er nicht besäße. Für ihn sind keinerlei Schranken vorstellbar.
Nun fragt es sich, wie wir dann Gott erkennen sollen?
Auch wenn wir nicht alle Wahrheit über das Wesen Gottes begreifen können, so können wir Ihn doch durch Seine Geschöpfe, die ein Gegenteil haben, d.h. die in einer Zeit existieren und in einer anderen Zeit nicht existieren, erkennen. Alle Erscheinungen sind veränderlich, sie kommen auf und gehen wieder unter. Gott hat auf die anschaulichen Beispiele für Gegensätze hingewiesen wie die Nacht und den Tag, den Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, das Leben und den Tod, die Vielfalt und die Verschiedenartigkeit von Menschen, Tieren und Pflanzen. In dem Vers 13 der Sure Fatir (35) heißt es:
„Er lässt die Nacht in den Tag und den Tag in die Nacht übergehen.“
Morgens erstrahlt die Sonne golden über den Bergen und Tälern, mittags erreicht die Sonnenstrahlung ihren Höhepunkt, und beim Untergang erscheint ihr Licht zunehmend blasser bis sich das Dunkel der Nacht einstellt.
Auch steht in der Sure Hidschr (15) im Vers 23:
„Und wahrlich, Wir Selbst machen lebendig und lassen sterben; und Wir allein sind die Erben.“
Auf diese Weise regt der Koran die Menschen zum Nachdenken über Gottes Geschöpfe an, damit sie Ihn finden und Ihn erkennen.
Das Nachdenken über die Schöpfung Gottes wird als wichtige Form des Gott-Dienens bezeichnet. Imam Ali (gegrüßet sei er) sagt: „Kein Gott-Dienen ist wie das Denken über die Schöpfungskunst Gottes des Allerhabenen!“ Oder Imam Sadiq (gegrüßet sei er) spricht: „Das beste Gott-Dienen ist das fortgesetzte Nachdenken über Gott und Seine Macht.“
Wie gesagt kommt die Wahrheit, dass es nur den Einen Gott gibt, an höchster Stelle in der Kunde über Gottes Attribute zu stehen und ist am wichtigsten. Dies beinhaltet das Tauhid-Glaubensprinzip, eine der Grundlagen des Islams. Tauhid bedeutet Einheit Gottes (Tauhid) und Nicht-Existenz irgendeines Gleichrangingen, Ähnlichen oder Teilhabers für Ihn. Tauhid ist der Glaube an den Einen Gott, den Allwissenden und Allmächtigen, der die gewaltige Welt voller Schönem erschaffen hat und die Angelegenheiten der Welt plant und regelt.
Das Bekenntnis zu der Einheit Gottes ist Mittelpunkt der islamischen Überzeugung und kommt in dem Satz: La ilaha illallah zum Ausdruck - es gibt keinen Gott außer Allah.
Das ist das erste Bekenntnis, dass jemand sagt, der Muslim werden will. Das Glaubensprinzip, dass Gott ein Einziger ist, gilt auch für die anderen Religionen göttlichen Ursprungs als Hauptgrundsatz. Im Heiligen Koran steht in dem Vers 25 der Sure Anbiya ( 21)
„Und Wir schickten keinen Gesandten vor dir, dem Wir nicht offenbart haben: `Es ist kein Gott außer Mir, darum dient nur Mir.`"