Sinnvolle Wegzeichen der Ahl-ul-Bait (19 – gegen Unrecht)
Wir haben begonnen die Äußerungen der Imame aus dem Hause des Propheten – die Ahl-ul-Bait- zu verschiedenen Fragen der Gesellschaft, Kultur und Politik vorzustellen. Die Ahl-ul-Bait haben ihr Leben lang auf die herrschenden Umstände in der Islamischen Gesellschaft geachtet und waren darum bemüht über den echten Islam aufzuklären.
In den islamischen Lehren nehmen Gesellschaft und menschliche Gemeinschaften einen wichtigen Platz ein. Daher sind auch viele Stellungnahmen des Propheten und der Edlen aus seiner Familie den gesellschaftlichen und politischen Angelegenheiten gewidmet; Angelegenheiten wie gesellschaftliche Normen und Missstände, Rechte und Pflichten und die Grundsätze die für soziale Beziehungen gelten, die Pflichten der Regenten und die Art der Verwaltung der Gesellschaft. Zu den Missständen, die das Wohl einer Gesellschaft bedrohen, gehören Unrecht und Benachteiligung. Erst dann kann die menschliche Gesellschaft sich auf materieller und immaterieller Ebene weiterentwickeln und entfalten, wenn in ihr keine Diskriminierung und Unterdrückung herrschen. Der Islam verpflichtet nicht nur die Führung der Islamischen Gesellschaft sondern jeden einzelnen Muslime, in ihren Beziehungen untereinander fair zu sein und sich vor Verletzung eines Rechtes zu hüten.
Unrecht und Unterdrückung entspringen aus egoistischen Wünschen des Menschen. Sie greifen wie eine Sturmflut die gesunden Beziehungen in einer Gesellschaft an und bringen sie ins Schwanken. Es handelt sich um Erscheinungen, die im Widerspruch zu den Gesetzen des Daseins stehen. Gott hat Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und den Ausgleich zur Grundlage des Daseins bestimmt. Dieses Prinzip muss auch im Leben der Menschen und in ihren sozialen Beziehungen herrschen. Der Mensch liebt aufgrund seiner Gott gegebenen Natur die Gerechtigkeit und keiner möchte, dass ihm Unrecht geschieht.
Die Imame aus der Prophetenfamilie sind wegen der Bedingungen, die zu ihrer Zeit herrschten, den verschiedensen Formen von Ungerechtigkeit und Unrecht seitens der Kalifen, die über die islamische Gesellschaften herrschten, begegnet. Diese Makellosen haben dem Volke guten Rat gegeben, wie sie sich gegenüber Unrecht und Unterdrückung verhalten sollen. Ein beachtlicher Teil der Überlieferungen der Ahl-ul-Bait über politische und soziale Angelegenheiten handeln daher von der Protesterhebung gegen Unrecht und Ungerechtigkeit und der Bekämpfung von Gewaltherrschern. Eine Art der Bekämpfung bestand in dem Verbot jeglicher Zusammenarbeit mit den Unterdrückern. Abu Basir, einer der Schüler des Imam Baqir (F) fragte einmal den Imam, was er davon hält, wenn jemand für den ungerechten Herrscherapparat arbeitet. Der Imam antwortete:
„O Aba Mohammad (Abu Basir)! Ihnen darf noch nicht einmal in Form des Eintunkens einer Schreibfeder in das Tintenfass Zusammenarbeit geleistet werden. Keiner wird von der Welt (der Gewaltherrscher) etwas erhalten, ohne dass ihm in gleichem Maße etwas von seiner Religion verlustig geht.“ (Usul-i Kafi, Bd. 5, S. 106).
Auch Imam Ali (F) hat gesagt: „Die schlimmesten Leute sind jene, die zum Nachteil des Unterdrückten, dem Unterdrücker helfen.“ (Mustadrak al Wasail, Bd. 12, S. 109)
Gott legt als Vorbedingung für wahre Gerechtigkeit die Ablehnung eines jeden Unrechts fest. Für Ihn ist die kleinste Tendenz zur Ungerechtigkeit etwas Böses und Er verbietet sie. Das bedeutet: Keiner darf nicht nur selber ungerecht handeln, sondern er darf auch nicht den Ungerechten und Unterdrückern zugeneigt sein. Daher sagt Gott in der Sure 11 ( Hud ) im Vers 113:
Und sucht nicht eine Stütze bei denen, die Unrecht tun, sonst berührt euch das (Höllen)feuer; ihr habt außer Allah keine Schutzherren. Dann wird euch keine Hilfe zuteil werden.
In der Denkschule des Propheten und der Edlen aus seinem Hause ist es unwürdig, dass der Mensch gegenüber dem Unterdrücker schweigt. Denn das Schweigen gegenüber Unrecht macht mitschuldig an der Sünde des Unterdrückers. Von Imam Sadiq (F) wird folgendes Wort überliefert:
„Der Unterdrücker, sowie der, der ihm hilft, ebenso wie jener, der damit einverstanden ist: Sie alle haben an der Unterdrückung teil.“
(Usul-i Kafi, Bd. 2, S. 333)
Nicht nur diejenigen, die angesichts eines Unrechtes schweigen, sondern sogar auch diejenigen, die ein Unrecht hinnehmen und keine Reaktion zeigen, werden wie der Unterdrücker selber von Gott zur Rechenschaft gezogen. Denn der Islam sieht darin, dass jemand ein ihm widerfahrendes Unrecht hinnimmt, die Ursache dafür, dass der Unterdrücker noch dreister wird und allgemein die Unterdrückung gefördert wird.
Der Islam betont den Kampf gegen Unrecht und Ungerechtigkeit auch deswegen, weil private und soziale Rechte des Menschen gemäß seiner Lehre sehr wichtig sind. Sie sind so wichtig, dass Gott umfassende Gebote für ihre Beachtung aufgestellt hat, damit keinem ein Unrecht geschieht und niemand benachteiligt wird. Die Verteidigung der Rechte der Unterdrückten und Geschwächten beruht auf dem Gedanken, dass Unrecht und Unterdrückung die Würde des Menschen und seine Rechte verletzen und ihn verknechten.
Imam Ali hat immer und besonders während seiner Regierungszeit sich davor gehütet, das Recht anderer zu verletzen. Er hat laut Predigt 224 (Nahdsch-ul-Balagha) gesagt:
„Bei Allah, ich würde lieber eine Nacht auf den Dornen der Sa´dan-Pflanze in Wachheit verbringen, oder als Gefesselter in Ketten, als am Tage der Auferstehung Allah und Seinem Gesandten als jemand zu begegnen, der irgendeinem Diener (Allahs) Unrecht getan hat, oder als jemand, der (selbst) eine Ruine unrechtmäßig enteignet hat.“
Die Bekämpfung des Unrechtes ist ein so wichtiger Bestandteil der Vorgehensweise der Edlen aus dem Prophetenhause, dass Imam Husain (Friede sei mit ihm) den Verlust seines Lebens in Kauf nimmt, aber nicht bereit ist einen verdorbenen und tyrannischen Menschen wie Yazid den Sohn des Muawiyah zu unterstützen und ihm den Treueid zu leisten. Imam Husain hat die Nachsicht und den Kompromiss mit den Unterdrückern als ewas Verwerfliches für die Islamische Gesellschaft betrachtet. Er hat seine Zeitgenossen kritisiert und gemäß Tuhaf-ul Uqul , S. 271 gesagt:
„Ihr habt euch durch die Nachsicht und die Versöhnung mit Unterdrückern besudelt. Ein solches Verhalten ist etwas Schlechtes, was Gott befohlen hat zu unterlassen, aber ihr seid unachtsam. Ihr müsst euch erheben, um uns zu helfen. Gebt mir Recht (und akzeptiert) , dass die Unterdrücker die Oberhand über euch gewonnen und versucht haben, das Licht eures Propheten auszulöschen.“
Imam Husain (F) sagt, dass der Kampf gegen Unterdrückung und Unterdrücker dazu dient, in der Islamischen Gesellschaft Sicherheit und Ruhe herzustellen. Daran ist zu sehen dass die Verwirklichung der wertvollen Gebote der Religion und die Konzepte zur materiellen und immateriellen Weiterentwicklung der Menschen nicht möglich sind, solange ungerechte Beziehungen und Benachteiligungen bestehen. Die menschliche Gesellschaft muss von allen Formen des Unrechtes, der Unterdrückung und Ungerechtigkeit befreit werden. Husain ibn Ali (F) hat (gemäß Tuhaf-ul-Uqul, S. 271) wie folgt zu Gott geklagt:
„Wir wollten in deinen Städten heilende Schritte ergreifen. Auf dass Deine unterdrückten Diener wieder in Ruhe und Sicherheit zubringen und unbesorgt Dir dienen können. Wir wollen den Islam und das Wort des Propheten und deine Gebote durchführen.“
Zur Zeit des Imam Musa Kadhim (Friede sei mit ihm), war der Abbasidenkalif Harun an der Macht. Er war ein hochmütiger Willkürherrscher. Er bildete sich sogar auf sein großes Reich etwas ein. Dies ist an folgendem seiner Aussprüche zu sehen: „Ihr Wolken! Kommt doch her denn überall wo eure Regentropfen herabregnen, ob im Osten oder Westen, fallen sie auf ein Gebiet herab, in dem ich regiere und die Grundsteuern für diese Gebiete werden zu mir gebracht werden.“
Aber Imam Kadhim (F) hat sich mutig gegen den Hochmut und die Tyrannei des Harun Ar-Raschid gestellt. Lange Zeit musste er in verschiedenen Kerken des Harun verbringen und wurde unter die Beobachtung der rohesten Gefängniswächter gestellt, aber Imam Kadhim hat dennoch keinen Augenblick davon abgelassen, Recht und Wahrheit zu sprechen und die Lehre Gottes zu verbreiten. Er ließ zu geeigneten Gelegenheiten die Menschen seine aufklärenden Worte und Warnungen und den tyrannischen Führern zukommen und erfüllte seinen wichtigen Auftrag zum Kampf gegen die Unterdrückung.
Die Edlen aus dem Hause des Propheten haben sich in Wort und Tat dem Unrecht entgegengestellt und haben sich mutig von den Tyrannen ihrer Zeit distanziert. Dieses Vorgehens ist ewiges Vorbild für die Menschheit. Auch jetzt werden dadurch viele Gruppen zum Kampf gegen Unrecht und Unterdrückung inspiriert.