Sinnvolle Wegzeichen der Ahl-ul-Bait (24 –Die Gerechtigkeit Imam Alis (F) )
Von den großen Persönlichkeiten des Islams fanden nur der Prophet (S) und Ali (F) die Möglichkeit, einen Staat auf der Basis der Gerechtigkeit zu gründen: Der Prophet (S) leitete einen solchen Staat 10 Jahre in Medina und Imam Ali (F) vier Jahre und einige Monate in Kufa (im Irak) .
Die anderen Imame aus dem Hause des Propheten konnten keine islamische Regierung bilden, weil die politische und gesellschaftliche Lage dies nicht erlaubte und die Bevölkerung nicht die notwendige Bereitschaft mit sich brachte. Die Regierungszeit des Propheten (S) und Imam Alis (F) war somit die einzige Gelegenheit die islamische Gerechtigkeit in der Gesellschaft umzusetzen. Während wir letztes Mal über das gerechte Vorgehen des Propheten gesprochen haben, möchten wir uns diesmal dem Thema Gerechtigkeit im Vorgehen Imam Alis (F) zuwenden.
Wir sehen an der Vorgehensweise Imam Alis (F), dass für ihn die Gerechtigkeit nicht nur reine Theorie war. Er hat sie in der Gesellschaft in die Praxis umgesetzt. Aus seiner Sicht ist jene Gesellschaft korrekt, in der die Gerechtigkeit optimal zur Geltung kommt. In seinen Augen muss die Gerechtigkeit als erstes im Menschen selber herrschen, d. h. der Mensch soll sein Ich zur Gerechtigkeit erziehen. Es ist also reine Illusion, Gerechtigkeit zu erwarten, wenn der Schössling des Glaubens, der Ethik, der Gottesehrfurcht und Gottesfürchtigkeit noch nicht im Menschen selber entfaltet wurde.
Gemäß der Denkschule der Ahl-ul-Bait - dem Hause des Propheten - müssen Menschen, bevor sie die Verwaltung von Angelegenheiten der Allgemeinheit in die Hand nehmen, zur Gerechtigkeit erzogen werden. Dann erst besteht die Hoffnung auf Herstellung der Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Imam Ali hat in einer Ansprache, die als Predigt Hammam bekannt wurde (193. Predigt im Nahdsch-ul Balagha) gesagt, dass ein Gottesfürchtiger sich nicht zu einer unangemessenen Reaktion verleiten lässt, wenn jemand ihm Schlechtes antut, und dass er auch nicht wegen der Freundschaft zu jemandem bereit ist, gegen ein Recht zu verstoßen. Imam Ali (F) will damit sagen, dass die Gottesfürchtigkeit den Menschen veranlasst, immer aufgrund der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit zu handeln.
Der iranische Denker und Märtyrer Motahhari schreibt über den Standpunkt Imam Alis (F) zur Gerechtigkeit wie folgt:
„In den Augen Imam Ali (F) ist jener Grundsatz, der das Gleichgewicht in der Gesellschaft bewahrt und alle zufriedenstellt und der Gesellschaft Sicherheit und Heil schenkt, der Grundsatz der Gerechtigkeit. Umgekehrt können Unrecht, Benachteiligung und Gewaltherrschaft von Natur aus noch nicht einmal dem, der sie verübt, Ruhe und Zufriedenheit bescheren.“
Zu den Merkmalen der Regierung von Imam Ali (F) gehört, dass er öfters wegen des Allgemeinwohls auf eigene persönliche Rechte verzichtet hat. Ihm war es nicht untersagt, gut zu essen oder sich gut zu kleiden oder wegen der großen Verantwortung, die er als Vorsteher der Gesellschaft trug, ein Gehalt für sich aus der Volkskasse zu entnehmen. Das wäre nicht ungerecht gewesen. Aber er nahm nichts von der Volkskasse (Beit-ul Mal) für sich sondern hat sogar die Ernte der Plantagen, die er selber angelegt hat, an die Bedürftigen verschenkt. In seinem Brief 45 im Nahdsch-ul-Balagha schreibt er an seinen Gouverneur in Basra:
„Und wenn ich gewollt hätte, hätte ich diesem Weg folgen können zum Reinen dieses Honigs (d.h. weltliche Genüsse), zum feinsten dieses Weizens und Geweben dieser Seide, aber niemals werden mich meine Leidenschaften besiegen und meine Begierde mich dazu führen, dass ich köstliche Speisen auswähle, denn vielleicht gibt es in Hidschaz oder in al-Yamamah Menschen, die keine Hoffnung auf einen Fladen Brot haben und Sattheit nicht kennen. Oder soll ich mit einem vollen Bauch schlafen, während um mich herum hungrige Bäuche sind und (Menschen mit) durstiger Leber sind, …
Soll ich mich damit begnügen, dass man mich “Befehlshaber der Gläubigen“ [amir al-mu´minin], nennt, während ich mit ihnen nicht die Unbill der Zeiten teile?“
Die Gerechtigkeit ist für Imam Ali (F) sehr wichtig gewesen. Als die Leute ihn beschworen, das Kalifat anzunehmen, hat er gesagt, dass er die Herrschaft nur annimmt, weil Gott die Wissenden zur Bekämpfung des Hungers der Unterdrückten verpflichtet habe. Imam Ali hat darauf bestanden, dass Eigentümer, die unrechtmäßig aus dem Volkseigentum entnommen worden waren, wieder zurückerstattet werden. Zu Beginn seines Kalifats verwies er bei Darlegung seiner Pläne und Richtlinien auf Güter, die einige unrechtmäßig beschlagnahmt hatten und schwor in seiner Ansprache (15 laut Nahdsch-ul-Balagha):
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„Bei Gott ich hole die Eigentümer wieder zurück, die zur Volkskasse gehören, selbst wenn sie an Frauen als Morgengabe vergeben wurden.“
Imam Ali (F) hat die Herstellung der Gerechtigkeit als das wichtigste Recht der Bevölkerung gegenüber den Herrschern bezeichnet und gesagt, dass die Erwiderung dieses Rechtes zur Freundschaft zwischen Volk und Herrschern führt. Im Brief 53 (laut Nahdsch-ul Balagha) schreibt er an seinen Gouverneur Malik Aschtar:
„Der Augentrost der (islamisch rechtmäßigen) Herrscher ist die Einführung von Gerechtigkeit in ihren Provinzen und die Äußerung der Liebe der Untertanen (für sie), doch ihre Liebe zeigt sich nur mit der Unversehrtheit ihrer Herzen.“
Der Brief Imam Alis (F) an seinen Gouverneur Malik Aschtar in Ägypten zählt zu den exzellentesten historischen Dokumenten für eine gerechte und volksfreundliche Regierungsweise. Imam Ali hat in diesem Schreiben, welches ein Regierungsauftrag war, seine weisen Standpunkte über die Gerechtigkeit, die Mäßigung und das gute Verhalten zur Bevölkerung und die Gleichstellung aller dargelegt.
Zu der Zeit, als Imam Ali die hohe Position des Vorstehers der Muslime innehatte, fand er sich zur Lösung eines Streites mit einem Christen, der ein Bürger wie die anderen war, vor dem Gericht ein. Der Richter führte respektvoll den Namen des Imams zusammen mit seinem Titel an, aber den Christen behandelte er nicht mit dem gleichen Respekt. Darüber wurde Imam Ali (F) verstimmt und er fragte den Richter, warum er bei Nennung der Namen Unterschiede mache und nicht gerecht sei.
Imam Ali hat in seinem Regierungsauftrag (Brief 53) seinem Gouverneur in Ägypten, Malik Aschtar empfohlen, dass er mit dem Volke freundlich und milde umgeht. Er empfahl ihm, immer das Prinzip der Gleichheit zu beachten, selbst beim Grüßen oder Anblicken der anderen und bei Gesten. Er solle immer gerecht sein, damit sich die Reichen keine Hoffnung machen, dass er sie bevorzugt und ein Unrecht ihnen zuliebe begeht, und die Geschwächten nicht die Hoffnung auf seine Gerechtigkeit verlieren.
Als sein erblindeter Bruder Aqil Ali um einen größeren Anteil aus der Volkskasse bat, lehnte Ali dies ab. Nach jedem Sieg über Feinde ließ er die erworbenen Güter gerecht verteilen und als ihn der Gouverneur von Medina um einen größeren Anteil für die Bürger von Medina aus der Staatskasse bat, um diese davon abzuhalten, dass sie sich dem Heer von Schaam (dem damaligen Syrien) anschließen, sagte er gemäß Nahdsch-ul Balagha (126. Predigt):
„Befiehlt ihr mir, dass ich Hilfe suche, in dem ich diejenigen unterdrücke, über die ich als Sachwalter eingesetzt wurde? Bei Allah, ich werde mich dem nicht nähern, so lange die Zeit läuft und solange ein Stern den anderen verfolgt! Selbst wenn es mein eigenes Geld wäre, hätte ich es unter ihnen zu gleichen Teilen aufgeteilt, und wie erst, wenn es das Geld Allahs ist? Nein, es ist wahrhaftig Vergeudung und Verschwendung, jemandem Geld zu geben, ohne dass er darauf ein Recht hat…“
Auch noch in den letzten Stunden seines Lebens blieb der Ruf Imam Alis (F) nach Gerechtigkeit nicht stumm. Er empfahl seinen Kindern und zugleich allen Menschen:
„Seid Feind des Unterdrückers und Helfer des Unterdrückten“
Dieser Rat ist wie ein ewiges Gesetz, zu dem alle Menschen herbeigerufen werden. Wenn sich alle Menschen erheben, um die Unterdrückung zu beseitigen und die Gerechtigkeit zu unterstützen, werden die Grundlagen des Unrechts auf der Welt zusammenstürzen.