Moral - islamisch gesehen (1 - erster Schritt)
Wir beginnen eine neue Sendereihe, die von der Moral im Islam handelt und hoffen, das Thema findet Interesse.
Zweifelsohne ist es für das Wohl und die Vollendung auf persönlicher und gesellschaftlicher, materieller und immaterieller Ebene entscheidend, dass der Mensch an seinem Inneren arbeitet, Geist und Seele verbessert und sich läutert. Dies ist so wichtig, dass der Mensch, auch wenn er an alles Wissen gelangt ist und sich die ganze Natur unterworfen hat, nicht den Gipfel des Glücks und der Vollkommenheit erreichen wird, solange er nicht Herr über die zerstörerischen Kräfte in seinem Innern geworden ist. Daher sind alle Fortschritte in der Wissenschaft und Industrie, solange sie nicht mit der Heilung des menschlichen Inneren einhergehen, wie ein prächtiger Palast, der auf einem Vulkanberg errichtet wurde. Also ist die geistige und moralische Erziehung des Menschen für jede Gesellschaft und in jeder Zeitepoche ein vitales Erfordernis.

Aber leider ist in der heutigen, anscheinend so fortgeschrittenen Welt nichts von moralischen Lehren zu verspüren, und es wird so getan, als ob der Mensch tatsächlich alle seine Ideale von der Vollkommenheit erreicht hätte. Obwohl der moderne, so genannte zivilisierte Mensch heute sehr wohl weiß, dass er entschieden bei der Selbstbeherrschung und der Zügelung seiner Launen und unausgewogener Forderungen versagt hat. Aber er tut so, als wäre nichts Schlimmes passiert. Aber welcher vernünftige und realistische Mensch befürchtet nicht den Niedergang der Grundlagen der Moral und Menschlichkeit, wenn er all die Zügellosigkeit und Unterdrückung und Aggression sowie Vandalismus, Entgleisung und Dekadenz, Machtstreben, Diskriminierung und Ungerechtigkeit sieht?
In einigen angeblich fortschrittlichen aber herrschsüchtigen Gesellschaften von heute scheint die Zivilisation nichts anderes zu bedeuten als Betrug, Raubzug, Verbrechen und Massaker unter unterdrückten Völkern und das Ersticken jeglichen Rufes nach Gerechtigkeit und Wahrheit. Die Folgen und der Verfall von Moral und Menschlichkeit bleiben jedoch nicht auf die zunehmende Ungerechtigkeit und die Verbrechen der Inhaber von Macht und Reichtum gegenüber den unterdrücken Völkern begrenzt, sondern sie zeigen sich auch innerhalb dieser anscheinend hochentwickelten Ländern selber, und zwar hat das Aussterben moralischer Werte in diesen Gesellschaften große Krisen für den Einzelnen und in der Gesellschaft hervorgerufen und die Erhabenheit des Menschen unseres heutigen Zeitalters zerstört.
Nicht nur in der westlichen Welt werden moralische Werte missachtet. Leider sind diese Werte auch unter einigen muslimischen Nationen verblasst und von der Treue zu den hohen moralischen Eigenschaften ist nicht genug zu spüren. Dabei galt in der Vergangenheit unter den Muslimen die Devise: Erst unsere Moral, dann die Zivilisation. Diese Devise stellte sich gegen die Dekadenz und gab die wichtige Aufgabe der Islamischen Welt wieder, dass wir Muslime gemäß dem Koran Zeuge und Vorbild der anderen mit unserem Verhalten sein müssen. Mit anderen Worten müssen wir international hohe moralische Werte demonstrieren und sie verwirklichen. Somit trägt jeder einzelne Muslim eine große Verantwortung hinsichtlich der Wiederbelebung der moralischen und menschlichen Werte des Islams.

Als erster Schritt auf dem Weg dorthin ist es wichtig, dass der Mensch sich selbst kennt. Er ist wie ein kostbares Gemälde, dessen Linien und herausragenden Aspekte wir kennen müssen, um es von einer Fälschung unterscheiden zu können. Kostbare Kunstwerke werden in den Museen bewahrt und alle Sicherheitsvorkehrungen werden getroffen, damit sie keinen Schaden erleiden. Der Mensch ist wie ein solches kostbares Kunstwerk und an dieser Stelle sollten wir uns fragen: Welches sind denn die einmaligen Merkmale dieses wertvollen Gemäldes namens „Mensch“?
Gott hat das Schöne im Dasein erschaffen und darüber spricht er in der Sure 95 (Tin) in den Versen 1 bis 4:
Im Namen Allahs,
des Allerbarmers, des Barmherzigen
Bei der Feige und der Olive
und dem Berg Sinai
und dieser sicheren Ortschaft !
Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen,
Hinsichtlich des arabischen Ausdruckes Ahsan-i Taqwim, der in der obigen Übersetzung mit „schönster Gestaltung“ übertragen wurde, haben einige Korankommentatoren gesagt, dass es bedeutet, dass Gott den Menschen in jeder Hinsicht in bester Form erschaffen hat – sowohl hinsichtlich seines Körpers als auch auf der seelischen und geistigen Ebene. Gott der Allmächtige hat dem Menschen, mit anderen Worten, alles Potential mitgegeben, die Gipfel des Wachstums und der Vervollkommnung zu erreichen.
Der Schöpfer des Daseins hat dessen optimale Gestaltung an einer anderen Stelle im Koran betont und zwar heißt es in der Sure 32, Sudschda, im Vers 6 und 7
Jener ist der Kenner des Verborgenen und des Offenbaren, der Allmächtige und Barmherzige,
Der alles gut macht, was Er erschafft...

Ein besonderer Aspekt der Erschaffung des Menschen besteht darin, dass Gott dem Menschen, nachdem er ihn in bester Form gestaltete, von Seinem Geist einhauchte. Dies beschreibt der Koran in der Sure 32 (Sudschda) in den Versen 7 bis 9 wie folgt:
(Gott) Der alles gut macht, was Er erschafft. Und Er machte die Schöpfung des Menschen am Anfang aus Lehm,
hierauf machte Er seine Nachkommenschaft aus dem Erguss eines verächtlichen Wassers.
Hierauf formte Er ihn zurecht und hauchte ihm von Seinem Geist ein, ...
Gemäß diesem Vers sind es nicht nur die materiellen Seiten des Menschen, die er mit allen Lebewesen gemeinsam hat, sondern in seinem Wesen existiert auch ein himmlisches, göttliches Element, welches ihn höher stellt als alle Dinge in der Daseinswelt. Dieser besondere Teil seines Wesens ist der Hauch göttlichen Geistes. Er verleiht dem Menschen seine wahre Bedeutung. Es ist das wichtigste am Menschen und macht ihn unvergänglich, während sein Körper mit der Zeit verschleißt und letztendlich vernichtet wird.
Wir werden uns beim nächsten Mal weiter mit diesem Thema befassen.