Dez 04, 2021 06:00 CET

Es lässt sich ein wichtiger Unterschied zwischen der islamischen Ethik und anderen Morallehren feststellen.

 

Wir haben bereits mehrere Merkmale der Moral laut islamischer Kultur betrachtet. Dazu gehören die Kenntnis von uns selbst als Wesen mit einer immateriellen Seite und die religiöse Motivierung zu allen moralischen Handlungen, die Verinnerlichung der moralischen Werte und die Harmonie mit der Gott gegebenen, nach Gott orientierten Natur. Weiterhin zählen zu den Merkmalen der islamischen Moral:  die Nutzung der Aufklärung durch die Propheten, die Befolgung der Vernunft und Vorsicht gegenüber egoistischen Launen und Verlockungen Satans, das Bemühen um Wahrung des hohen Platzes, den Gott dem Menschen zugewiesen hat, nämlich Sein Statthalter auf Erden zu sein, und die Wahrung der Würde, die Gott dem Menschen verliehen hat, sowie das Emporsteigen zu den Gipfeln der Vollkommenheit mit Hilfe des Glaubens an Gott und das Jenseits. Der Mensch soll Gott nämlich immer gegenwärtig wissen und zudem davon überzeugt sein, dass in der kommenden Welt, vor dem Gericht göttlicher Gerechtigkeit, seine Taten berechnet werden.

Mit diesen umfassenden einleuchtenden und grundlegenden Merkmalen nimmt die islamische Ethiklehre einen herausragenden Platz ein. Als Beweis für diese Aussage wollen wir die Standpunkte einiger anderer  Morallehren betrachten.  

                                               

Die meisten Denker sind der Ansicht, dass moralische Werte den Völkern zum Wohle gereichen und Gesellschaften, in denen moralische Tugenden fehlen, untergehen werden. Aber eine Gruppe von früheren und heutigen Theoretikern predigen, dass der Genuss im Leben die Hauptsache ist, während die moralischen Tugenden die Freude an den Vergnügungen des Lebens verhindern. Sie sagen: Wieso ist es nötig, dass der Mensch sich in seinem kurzen Leben einschränken und sich viele Genüsse vorenthalten soll? 

Gemäß Beurteilung des Korans haben sich solche Leute und ihre Anhänger den Äußerlichkeiten des Lebens verschrieben und achten nicht darauf, dass dieser Welt eine andere folgt. Sie  wollen nichts vom Jenseits wissen,  glauben nicht an das Leben nach dem Tod und streben nach dem höchstmöglichen Genuss im Diesseits. 

Gegen diese Art von Sichtweise lässt sich einwenden, dass der Mensch nicht ohne Ziel erschaffen wurde, so dass er wie das Vieh auf der Weide, ohne irgendwelche Verantwortung, grenzenlos Launen und Gelüsten folgen soll. Imam Ali (Friede sei mit ihm) hat eine solche Einstellung wie folgt abgelehnt:

„Selbst wenn wir nicht auf das Paradies hoffen und uns nicht vor der Hölle fürchten sollten, gebührt es sich dennoch nach dem Erwerb von edlen Charakterzügen zu streben.“

Zitat aus: Mustadrak ul Wasail , Bd. 11, S. 193

                       

Die Vernunft und die unversehrte innere Gott zugewandte Natur lehnt Freiheit ohne Verantwortung und uneingeschränkte Suche nach Genuss ab. Sie bestätigt das Prinzip, dass der Mensch, wenn er sich entfalten und vervollkommnen möchte,  einige logische Grenzen einhalten muss  und dass er seine menschliche Würde nicht für die Befriedigung von Gelüsten und Zügellosigkeiten opfern darf, da diese letztendlich dem Menschen Schande und Verdruss bereiten. Wie sagt man noch im Persischen in einem Sprichwort:  jek lahzeh hawasrani, jek omr paschimani – was so viel bedeutet, dass jemand manchmal ein ganzes Leben lang bereuen muss, dass er sich für einen Augenblick seinen Gelüsten hingegeben hat: Ein Augenblick Lüsternheit,  ein Leben lang bereut.

                  

Eine andere Theorie, die hinsichtlich der Moral aufgetischt wird, handelt davon, dass die Moral auf dem Individualismus aufbaut. Das heißt: Im Mittelpunkt dieser Theorie steht der einzelne Mensch. Diese Ansicht stammt aus der westlichen kapitalistischen Welt. Ihre Anhänger sagen: Ein jeder muss  in allen Dingen,  darunter auch hinsichtlich moralischer Schranken bedingungslose Handlungsfreiheit besitzen. Er soll  das Leben, so wie er es möchte, genießen können,  es sei denn dieser Genuss ruft Leid hervor und hat zur Folge, dass  ihm dadurch größere Genüsse verwehrt bleiben. Dreh- und Angelpunkt dieser Auffassung sind in Wahrheit das Wohl und die Interessen des Einzelnen. Sie befürwortet also auf gewisse Weise den Egoismus. Denn  immer wenn der Mensch zwischen seinen eigenen und den Interessen der Allgemeinheit entscheiden soll, stellt er die persönlichen Vorteile und Freuden über das Allgemeinwohl und  verletzt, falls er das für nötig hält, die Rechte anderer.

 

Das Gegenteil zu dieser Theorie vertreten diejenigen, die die Gesellschaft als das Wichtigste betrachten, ihr  Verhalten nach dem Wohl der Gesellschaft ausrichten und ihr Handeln stets in Einklang mit der Mehrheit der Bevölkerung bringen. Zwar ist eine solche Einstellung einer Moral, die auf dem Individuum als Mittelpunkt beruht, vorzuziehen, aber sie hat  dennoch  einen wichtigen Mangel. Es geht nämlich hierbei nicht unbedingt darum, ob ein Verhalten zu Recht oder zu Unrecht,  richtig oder falsch ist , sondern  es geht darum, sich so zu verhalten, wie die Gesellschaft es wünscht,  und , wie auch immer, die anderen zufriedenzustellen.

Die moralischen Prinzipien des Islams bilden einen Gegensatz zu den beiden Anschauungen, von denen die eine das Individuum und die andere die Gesellschaft als die Hauptsache betrachtet. Der Islam  sieht die Gesellschaft und den Einzelnen nicht als zwei getrennte Größen und sagt, dass das individuelle und das soziale Verhalten sich gegenseitig beeinflussen und die individuelle und gesellschaftliche Moral nicht unabhängig voneinander entstehen.

Der Islam - und das ist noch wichtiger – gewährleistet die Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft und erkennt sie dann an, wenn sie nicht aus egoistischen und diabolischen Launen hervorgehen sondern stattdessen im Zeichen Gottes und der Menschlichkeit stehen. Das ist genau der Grund, weshalb Gott seine auserwählen Propheten auffordert, nicht den Wünschen und launischen Neigungen der  Menschen zu folgen  und zu seinem Prophet Mohammad (S) in Sure 6 (Anam) Vers 116 sagt:

Wenn du den meisten von denen, die auf der Erde sind, gehorchst, werden sie dich von Allahs Weg ab in die Irre führen. Sie folgen nur Vermutungen, und sie raten nur.