Moral – islamisch gesehen (7- bitte keine Extreme!)
Die islamische Ethik steht im Gegensatz zu einseitigen Ansichten über die Moral, die aus extremer Weltenliebe bzw. extremer Weltabkehr hervorgehen.
Im letzten Teil haben wir kurz einen Blick auf drei verschiedene Ansichten geworfen, von denen die eine den Lebensgenuss, die zweite den Einzelnen und die dritte die Gesellschaft als Dreh- und Angelpunkt für die Moral betrachten. Da bei keiner dieser drei Moraltheorien der Gott- und Jenseitsglaube zum Zuge kommt, haben wir festgestellt, dass sie die moralischen Werten solange eingehalten werden, wie sie nicht im Widerspruch zum ungehemmten Lebensgenuss und den Interessen des Einzelnen oder der Gemeinschaft stehen. Gemäß dieser Denkweisen ist die Moral also nur etwas Relatives. Das bedeutet, dass ihre Anhänger sich von den moralischen Werten abwenden, wenn sie an einer Wegegabelung angelangen, an der sie sich entweder für die moralischen Werte oder für einen Genuss bzw. die eigenen Interessen oder die Interessen der Gesellschaft entscheiden müssen.
Aber die islamische Kultur soll den Menschen vervollkommnen. Sie beruht auf der Selbstkenntnis und der Zentralität Gottes, hält für alle Lebensbereiche fruchtbare moralische Regeln bereit und will nicht, dass der eigene Genuss und unzulässige persönliche und gesellschaftliche Interessen der Moralität vorangestellt werden. Für jeden, der im Islam aufgewachsen ist und an Gott glaubt, sind folgende Worte, die Gott den Propheten des Islams, der das höchste Vorbild für die Muslime ist, im Vers 62 der Sure 3 (Anam) sagen lässt, von vielsagender Bedeutung und lehrreich, nämlich:
Sag: Gewiss, mein Gebet und mein Dienen (und meine Art), mein Leben und mein Sterben gehören Allah, dem Herrn der Weltenbewohner
Abgesehen von den Denkschulen, die von Menschen ersonnen wurden, gibt es auch unter den Anhängern von jenen Gottesreligionen, die im Laufe der Geschichte Verfälschungen erfahren haben, Abzweigungen, die ernsthaft dem Islam widersprechen. In diesem Zusammenhang kann auf einige materialistisch orientierte Abweichungen von der jüdischen Religion und das Mönchtum im Christentum hingewiesen werden. In beiden Fällen deckt sich die Moral nicht mehr mit den Grundsätzen und ethischen Werten, die im Islam gelten.
Über die Liebe zum Materiellen und zu den weltlichen Freuden unter den Juden heißt es im Koran im Vers 96 der Sure 2 (Baqara):
Und ganz gewiss wirst du sie (die Juden) als die gierigsten Menschen nach (Prunk im) Leben finden, sogar mehr (noch) als diejenigen, die (Allah etwas) beigesellen. ...
Wenn der Islam die Liebe zum Weltlichen und das Anhäufen von weltlichen Gütern tadelt, so soll das aber keineswegs bedeuten, dass diese Religion wirtschaftliche Aktivitäten ablehnt. Im Gegenteil, bietet die islamische Lehre ein umfassendes, realistisches Wirtschaftssystem an.
Falls die islamische Wirtschaftslehre richtig umgesetzt wird, kann sie in unserem heutigen Zeitalter der Welt in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen eine neue Strukturierung anbieten: eine gesunde Wirtschaft, in der es keinen Wucher und Zinsgeschäfte und keine Bestechung, keine Anhäufung von Reichtum gibt; eine Wirtschaft, in der niemand etwas für sich bestimmt oder an sich reißt , was anderen zusteht, und in der weder Ausbeutung noch Armut und Hunger oder die Plünderung der Ressourcen anderer Völker vorkommen: kurzum eine Gesellschaft ohne die negativen üblen Erscheinungen, die heute auf der Welt von einigen abwegigen Denkschulen gerechtfertigt werden.
Eine Gruppe von Anhängern des Christentums hat im Gegenteil zu materialistisch ausgerichteten Varianten der Religion, das Mönchtum und die Askese und Abkehr von der Welt zum Lebensprinzip gewählt. Hierbei kehren sie allen natürlichen Bedürfnissen den Rücken zu und verzichten sogar auf das Heiraten und die Gründung einer Familie. Sie ziehen sich in Kloster zurück und lassen von einer Beteiligung am Gesellschaftsleben ab. Da ihre Sichtweise aber im Widerspruch zu der dem Menschen von Gott verliehenen Natur steht, entfernen sie sich mit der Zeit von dem anfänglichen Ziel, das in der Gleichgültigkeit gegenüber dem Weltlichen und der Gottesfürchtigkeit und dem Wunsch nach Gottes Wohlgefallen bestand. Es kann sogar sein, dass sie Übles begehen, moralisch verdorben und politisch korrupt werden. Daran ist zu sehen, dass auch diese Art der Moral nicht gut sein kann.
Der Islam schlägt angesichts dieser Über- und Untertreibungen, den Weg der Mitte vor, so dass der Mensch weder die Welt mit ihren Verlockungen noch den freiwilligen Entzug von allen rationalen, elementaren Freuden des Lebens als sein wichtigstes Ziel betrachtet. Dies soll den Menschen davor bewahren, dass er auf schiefe Bahnen gerät.
Der Islam lehrt Ausgewogenheit und Maßhalten in allen Dingen. Seine Anhänger sollen Gott und das Jenseits und die Vorbereitung auf die nachfolgende Welt vergessen und zugleich auf geeignete Weise die Gaben, die Gott den Menschen auf der Erde zur Verfügung stellt, nutzen. Das menschliche Ideal ist gemäß Islam erreichbar, wenn die Nutzung des diesseitigen Lebens und das Streben nach dem Wohl im Jenseits in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und weder das eine noch das andere übertrieben werden.