Moral – islamisch gesehen (13 – Großherzigkeit)
Zu einem guten, freundlichen Wesen gehört im Islam auch die Großherzigkeit.
Wir haben über die Bedeutung des freundlichen Wesens in der Morallehre des Islams gesprochen. Eine freundliche Wesensart zeigt sich deutlich in der Bereitschaft zu verzeihen. Der Prophet des Islams (S) ist ein einmaliges Beispiel für einen nachsichtigen Menschen. Er übte Nachsicht gegenüber Freund und Feind. Laut Überlieferung hat er gesagt:
„Soll ich euch die beste moralische Art im Diesseits und Jenseits vorstellen?! Sie besteht darin mit jemanden, der den Kontakt zu dir abgebrochen hat, wieder eine Beziehung herzustellen und jemandem zu spenden und zu helfen, der dir seine Hilfe verwehrt hat und jemandem zu verzeihen, der dir Unrecht angetan hat. (Das sind alles Zeichen für ein gutes freundliches Wesen).“ (Aus Usul-i Kafi, Kapitel: Vergeben)
Laut Imam Sadiq aus dem Hause des Propheten (Friede sei ihm) ist dieses Verhalten ein Zeichen vor Großherzigkeit und der Prophet der Barmherzigkeit (Gottes Segen sei auf ihm und Friede seinem Hause) hat in einem anderen überlieferten Wort, diejenigen als die besten im Diesseits und Jenseits vorgestellt, deren moralisches Vorgehen immer von dem Geist der Vergebung und Nachsicht erfüllt ist.
Die wahren Anführer des Islams und die von Gott ernannten Imame waren immer um die Praktizierung der ethischen Lehren des Islams bemüht. Sie verkörperten die Moral des Islams.
Ein Mann aus Schaam – dem ehemaligen Großsyrien – hatte sich von der giftigen Hetzpropaganda der Umayyaden beeinflussen lassen. Als er einmal nach Medina kam, sah er plötzlich jemanden neben sich sitzen. Er fragte die anderen, wer dieser Mann sei. Sie sagten: „Es ist Husain Ibn Ali (F).“
Da begann der Mann aus Schaam, der Hass gegen die Familie des Propheten hegte, den Imam zu beschimpfen und zu beleidigen. Aber Imam Husain (F) zitierte aus dem Vers 199 der Sure `Araf vor – Sure 7 wo es heißt
خُذِ الْعَفْوَ وَ أْمُرْ بِالْمعُرْفِ
Übe Nachsicht, und gebiete das Rechte …“
Dann fragte er ihn mit aller Freundlichkeit: „Kommst du aus Schaam? Der Mann war über dieses freundliche Verhalten des Imams verblüfft und antwortete: „Ja!“ Sogleich sagte der Imam, der wusste, dass die eigenwilligen Herrscher in Schaam ihn aufgehetzt und ihm Feindseligkeit und Misstrauen eingeflößt hatten:
„Du bist in unserer Stadt fremd. Wenn du etwas brauchst, dann wollen wir es für dich besorgen, wenn du hungrig bist, dich bei uns zuhause bewirten, wenn du etwas an Kleidung benötigst, dich kleiden, wenn du finanzielle Hilfe brauchst und in Not bist, dir Geld geben.“
Der Mann aus Schaam hatte nicht mit einer solchen Nachsicht und Großherzigkeit gerechnet und sagte beschämt: „Ach wäre ich doch in der Erde versunken und wäre ich bloß nicht so unverschämt gewesen“, und dann setzte er fort: „Auch wenn ihr und euer Vater Ali (F) bis jetzt für mich die Verhasstesten auf Erden gewesen seid, so gibt es ab diesem Augenblick für mich niemanden der von mir mehr geschätzt würde als ihr und euer werter Vater.“ (aus Muntaha-l- amal , S. 350)
Nachsicht bewirkt Wunder. Gott hat diese Wahrheit im Koran in der Sure 41 Fusillat, Vers 34 wie folgt beschrieben:
„...Wehre mit einer Tat, die besser ist, (die schlechte) ab, (du wirst sehen: )dann wird derjenige, zwischen dem und dir Feindschaft besteht, so, als wäre er ein warmherziger Freund.
Sollte jemand nicht im Besitz von Macht sein, wird es einfacher sein, die Fehler und die schlechten Taten der anderen zu verzeihen, aber wenn jemand mächtig ist und in jeder Hinsicht die Möglichkeit hat, jemandem etwas Böses heimzuzahlen und dennoch ihm vergibt, so verdient er ein besonderes Lob. Husain ibn Ali (F) aus dem Hause des Propheten und dritter Imam der Schiiten hat gesagt:
„Zu den nachsichtigsten Menschen gehört jemand der (über die schlechten Taten der anderen) hinwegsieht und ihnen vergibt, wenn er Macht besitzt.“ (Mizan ul Hikma, Kapital Vergebung, 4336).
Eines der herausragenden und glänzenden Beispiele für Nachsicht und Vergebung in der Geschichte, welches nicht vergessen werden kann, ist der Befehl zu allgemeinen Amnestie, welchen der Prophet nach der Eroberung von Mekka erließ. Als Hadhrate Mohammad (S) mit seinem 10tausendköpfigen Heer, auf dem Höhepunkt der Macht angelangt, in Mekka einzog, überkam die Vornehmen und Oberhäupter des Quraisch-Stammes, insbesondere Abu Sufiyan, der nichts unterlassen hatte, um den Islam zu vernichten und den Propheten (S) und seinen treuen Helfer zu besiegen, eine große Furcht. Sie dachten der Prophet Gottes werde wie es viele Sieger taten, den Befehl zu ihrer Tötung herausgeben. Ihr Furcht wurde noch größer, als sie den Bannerträger des islamischen Heeres, Saad Ibn Ubada, laut rufen hörten: „Heute ist der Tag der Rache!“
Aber in dieser Atmosphäre, angefüllt mit Furcht und Schrecken der Götzendiener von Mekka, gab der Prophet (S) den Befehl, dass Ali (F) das Banner des Sieges des Islams übernehmen und verkünden soll:
„Heute ist der Tag der Vergebung und Barmherzigkeit!“
Auf diese Weise gelangte das Zentrum des Unglaubens und der Götzenverehrung und der hartnäckigen und verschworenen Feinde des Islams und der Muslime ohne jegliches Blutvergießen in die Hände der Muslime. Die islamische Nachsicht und Vergebung hatte eine so große Wirkung auf die Herzen der Mekkaner, dass sie scharenweise Muslim wurden. Die Nachricht über diese einmalige Eroberung verbreitete sich überall auf der Arabischen Halbinsel und in der Umgebung und verewigte sich als goldenes Blatt in der Geschichte des Islams. Sie trug zum Erfolg des Islams bei.