May 15, 2022 06:56 CET
  • In Iran gerühmt, in der Welt berühmt (23 – Al-Tusi 4)  

In diesem letzten Beitrag über den iranischen Universalgelehrten  Chadsche Nasiruddin al-Tusi, der im 13. Jahrhundert nach Christus, 6. Jahrhundert nach der Hidschra gelebt hat, gehen wir noch einmal näher auf seine Errungenschaften ein.  

 

                               

Wie aus dem Beinamen dieses Gelehrten hervorgeht, wurde er in Tus geboren, im Nordosten Irans. Er studierte dort erst bei seinem Vater und Onkel und danach bei Gelehrten in Neyschabur und wurde für sein Wissen in vielen der damals üblichen Wissenschaften bekannt. Beim Mongoleneinfall suchte er bei den herrschenden Ismaeliten Zuflucht. Der Mongolenführer Hügelü besiegte die Ismaeliten und stellte den Gelehrten Al-Tusi in seinen Dienst.  Nachdem der Ilkhan auch den abbasidischen Kalifen in Bagdad gestürzt hatte, ordnete er an, dass Chadsche Nasiruddin Tusi, den er zum Minister ernannt hatte, im Nordwesten Irans in der Stadt Maragha eine Sternwarte baut. Zu dieser gehörten auch eine große Bibliothek und eine Akademie. 

Nasiruddin al-Tusi hat wertvolle Werke in Mathematik, Astronomie, sowie islamische Ethik und Weisheit hinterlassen. Wir möchten nun kurz einige seiner Werke etwas näher beschreiben.

                                   

Das Buch –Tahrir Usul al Handasah li Uqlidis, auch „Usul-i Handasah – (Buch zur Revision der Methoden der Geometrie von Euklid" -  sowie:  Methoden der Geometrie) -  ist das erste Buch, welches uns über die Geometrie vollständig erhalten geblieben ist.  Das Buch von Euklid, dem  Mathematiker der griechischen Antike,  war in der Ära der abbasidischen Kalifen  vonseiten mehrerer Übersetzer ins Arabische übertragen worden. Chadsche Nasiruddin  hat das Werk Usul-i Handasah aufgrund dieser Übersetzungen verfasst. Es besteht aus 13 Artikeln, denen im Nachhinein 2 weitere Artikel hinzugefügt wurden. Die Artikel 1 bis 6 handeln von der zweidimensionalen Geometrie, und die Artikel 7 bis 10 von der Arithmetik und den Eigenschaften der Zahlen. In den Artikeln 11 bis 13 geht es um die Raumgeometrie.  Der amerikanische Historiker George Sarton hat ihn seinem Buch über die Geschichte der Wissenschaften erwähnt, dass diese Abfassung von  Chadsche Nasiruddin al-Tusi mehrere Jahrhunderte lang unter den Mathematikern bekannt war, weil er darin die Lehre des Euklid befolgt hat. Im Jahr 1594 wurde sein Buch in der Druckerei Typographia Medicea in Rom gedruckt.

                                 

Zidsch-Ilkhani ist eines der bekanntesten Werke von Chadsche NasiruddinTusi auf Persisch.  Die Astronomen verstehen unter Zidsch  ein Buch mit Angaben über den Zustand und die Bewegung der Sterne und Himmelskörper, die durch Himmelsbeobachtungen  gewonnen werden. Chadsche Nasiruddin hat im Zidsch-Ilkhani nach Abschluss seiner astronomischen Beobachtungen jeweils die Resultate festgehalten. Das Buch setzt sich aus vier Artikeln zusammen.

Der erste Artikel handelt von der Geschichte und der zweite stellt die Bewegung und die Stellungen der Sterne und ihre Ausmaße vor. Der dritte befasst sich mit der Festlegung der Zeiten und der vierte handelt von weiteren astronomischen Methoden.

 In der Einleitung zu seinem Zidsch-Ilkhani geht Al-Tusi auf die Geschichte des Mongolenherrschers Dschangiz Khan und seiner Nachkommen ein. Dem Text ist zu entnehmen, dass der Bau der Sternwarte im westiranischen Maragha im Jahre 657 nach der Hidschra  (um 1250) begonnen wurde.  Zu dem Zidsch-Ilkhani von Tusi wurden mehrere gediegene Kommentare geschrieben. 

         

Auch das Buch Achlaq-e Nasiri hat al-Tusi in der Farsi-Sprache verfasst . Es handelt von praktizierter Hikma (Weisheit)und Ethik.  Al-Tusi verfasste es auf Anforderung des ismaelitischen Herrschers Muhtascham Nasiruddin in Quhistan  (in Süd-Chorasan). Es gehört zu den wertvollsten Büchern in der Farsi-Sprache über Ethik und praktizierte Weisheit. Die wichtigsten Fragen, die diese Wissenschaft behandelt, sind: moralische Läuterung, Verwaltung der Familie  und das Regieren. Zu jeder dieser Fragen haben die Gelehrten getrennte Bücher geschrieben.  Aber Chadsche Nasiruddin hat in seinem Achlaq-e Nasiri alle diese Themen untergebracht  und zu Anfang gelungen jene Punkte in der östlichen Philosophie dargelegt, die für das Verständnis des Buches erforderlich sind.

Eine Reihe von Werken des Universalgelehrten Chadsche Nasiruddin al-Tusi sind der Medizin gewidmet. Allerdings hat Chadsche Nasiruddin der Medizin nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wie der Mathematik, Astronomie, Logik und Philosophie. Al-Tusi erwarb eine Zeitlang medizinisches Wissen bei einem der großen Medizin- und Philosophiegelehrten, nämlich Qutbuddin Misri, einem Schüler des berühmten Fachr Razi. Es hat den Anschein, dass er bei Qutbuddin Misri mit dem Buch „Qanun“ von Ibn Sina (Avicenna) Bekanntschaft schloss. Insgesamt vertrat er in der Medizin die gleichen Ansichten wie Razi, Ahwazi und Avicenna und der Übersetzer islamischer Medizinbücher. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern in der Medizin wie Razi und Avicenna ging er jedoch nicht in die Spitäler, um Patienten zu behandeln. Die Medizin bildete nicht den Schwerpunkt  seines Interesses.

 

             

Chadsche Nasiruddin hat auch Gedichte verfasst, sowohl auf Arabisch als auch in Farsi.  Die meisten Historiker haben ihn deshalb als Dichter betrachtet. Er galt als  ein sorgfältiger Kritiker und hervorragender Kenner der Poesie seiner Zeit und bildete auf diesem Gebiet Schüler  wie Humam Tabrizi und Athiruddin Aumani aus. In einer Epoche, in der die meisten iranischen Gelehrten ihre wissenschaftlichen Werke auf Arabisch schrieben, hat er wertvolle Bücher in Farsi geschrieben und damit einen bedeutenden  Beitrag zu der Farsi-Sprache und -Literatur geleistet.  Er überragt andere Gelehrten durch seine gelungene und angenehme Ausdrucksweise.  Sein Stil ist im Gegensatz zu anderen Autoren zur Zeit der Mongolenherrschaft einfach und flüssig. Er war vollkommen vertraut mit den verschiedenen Stilarten der zeitgenössischen Prosa.

Von den Werken von Chadsche Nasir(uddin), die seine literarischen und dichterischen Fertigkeiten wiedergeben,   sind Asas ul Iqtibas (Grundlagen des Wissenserwerbs) , Miy`ar al Asch`ar (Kriterium der Dichtung) und Tadschrid Mantiq (Abstrakt der Logik) zu nennen. Das Buch Miy`ar al Asch`ar (auch: Aruz Farsi – Farsi-Verslehre) schrieb Nasiruddin 649 (um 1250). Er  handelt von der Kunst der Poesie. Tadschrid Mantiq  entstand 656. Im letzten Kapitel  dieses Buches behandelt er explizit die Dichtung. Derweil ist sein berühmt gewordenes Buch Asas ul Iqtibas nach dem bekannten Schafa von Avicenna das wichtigste Werk über Logik und Philosophie.  

 

Sein größtes Werk in der Wissenschaft Kalam – der Fertigkeit, die Religion mit Argumenten zu verteidigen - stellt das Werk Tadschrid al Itiqad (Abstrakt der Überzeugungen) dar.  Dies ist eine der wichtigsten zusammenfassenden Werke,  die jemals über die Glaubensgrundlagen geschrieben wurden. In der Einleitung schreibt Chadsche Nasiruddin, in diesem Buch habe er alles, was für ihn mit Beweisen untermauert wurde und von dem er überzeugt ist, festgehalten.  Er fährt fort, dass dieses Buch sechs Themen gewidmet ist:  Erstens allgemeinen Fragen, zweitens dem Thema „ Essenz und Akzidenz“ – dem Wesen und der Ereignisse – drittens den Beweisen dafür, dass Gott der Schöpfer ist, und Seinen Attribute, viertens dem Thema Prophetentum, fünftens dem Thema Imamat und sechstens dem  Jenseits und dem Beweis für seine Existenz.

Das Buch Tadschrid al Itiqad wurde bald berühmt und viele Gelehrten schrieben Kommentare in Ablehnung oder Bestätigung dazu.

Mit dem Buch Ausuf ul Aschraf (die Eigenschaften der Glorreichen)  bewies al-Tusi seinen Fortschritt als Mystiker. Diese Abhandlung schrieb er, nachdem Chadsche Schamsuddin Mohammad Dschuwaini, der gelehrige Minister der Ilkhane, ihn darum gebeten hatte. Das Buch handelt vom Jenseits, und betrachtet dieses Thema  in der Art der Gnostiker. Er erklärt darin den Weg eines Sufis vom Glauben zur Einheit mit Gott und Auslöschung des Selbst.

 

Die Abhandlung Aghaz wa Andscham (Beginn und Ende) (in einigen Exemplaren auch mit  Mubda und Maad (Ursprung und Jenseits) betitelt, stammt ebenfalls aus der Feder von Chadsche Nasiruddin. Dieses Werk behandelt analytisch - wieder aus gnostischer Sicht -  den Beginn und das Endziel der Schöpfung, die Auferstehung, Paradies, Hölle und verwandte Themen. 

                              Musik

 

Chadsche Nasiruddin Tusi, dieser große iranische Gelehrte hat ebenso Werke über andere Gebiete der Wissenschaft geschrieben wie Geografie und Lagerstättenkunde  ebenso wie islamische Rechtslehre, Koranauslegung, Lehre, Erziehung und Musik. Doch können wir nicht mehr im Einzelnen darauf eingehen, denn beim nächsten Mal wollen wir Sie mit einer weiteren iranischen Persönlichkeit bekanntmachen.