May 29, 2022 03:30 CET
  • In Iran gerühmt, in der Welt berühmt  ( 25- Ghiyathuddine Dschamdschid Kaschani – 2)

Auch unser heutiger Teil dreht sich um das Leben des iranischen Astronomen und Mathematiker al-Kaschani, der in der Islamischen Zivilisationsära gelebt und der Welt einen wertvollen Dienst geleistet hat.

 

Ghiyathuddin Dschamschid Kaschani kam 1388 nach Christus in der Stadt Kaschan als Sohn eines Arztes zur Welt und zwar in einer Zeit, in der die Timuriden, Nachkommen der  Mongolen, über den Iran  herrschten. Nachdem Al-Kaschani das wertvolle astronomische Werk Zidsch Chaqani geschrieben und es dem in Samarkhand herrschenden Ulugh Beg, einem Enkel des Timurlan geschickt hatte, wurde er nach dorthin eingeladen. Ulugh Beg hatte eine Madressa in Samarkhand gegründet die so berühmt wurde, dass sie sich mit den islamischen Lehrzentren in Bagdad, Kairo und Cordoba messen konnte. Er  hatte Kaschani und andere Gelehrte des Irans nach Samarkhand eingeladen, damit sie dort eine Sternwarte errichten.

 Zu damaligen Zeiten war es sehr schwierig für Gelehrige, unabhängig vom jeweiligen Herrscher Forschung zu betreiben, und Ghiyathuddin Dschamschid Kaschani hoffte mit Unterstützung des Ulugh Beg seine wissenschaftliche Arbeit fortsetzen zu können. Er nahm daher die Einladung von Ulugh Beg an.  Zusammen mit seinem Neffen Muinuddin Kaschani , welcher ein renommierter Mathematiker war, machte er sich im Alter von circa 30 auf den Weg nach Samarkhand (im heutigen Usbekistan)   
                             

Als Ghiyathuddin Dschamschid Kaschani in Samarkhand eintraf, stellten ihm die  Gelehrten, die bereits am Hofe des Ulugh Beg beschäftigt waren, einige Fragen, deren Lösung sie selber noch nicht gefunden hatten. Sie wollten ihn auf die Probe stellen. Ghiyathuddin legte ihnen gleich am ersten Tag die Antworten vor. Qazizadeh Rumi, ein renommierter Gelehrter von damals, bekannte daraufhin, dass Ghiyathuddin ihn mit seiner Gelehrsamkeit übertraf. Dschamschid Kaschani wurde am Hofe des Ulugh Beg eingestellt. Dieser schätzte ihn sehr wegen seiner Intelligenz. In den Briefen an seinen Vater hat Kaschani über Fragen, die er in Samarkhand gelöst hat, berichtet.  Zum Beispiel legte er in der Wand einer Gebetsnische an einer Stelle ein kleines rundes Loch an, durch das sich zu jeder Jahreszeit mithilfe des einfallenden Sonnenlichtes der Zeitpunkt für das Nachmittagsgebet feststellen ließ. Auch beschrieb er die Konstruktion eines Astrolabiums mit einem Durchmesser von circa einem Meter,  auf dem alle 1022 Sterne der Sternentabellen des griechischen Gelehrten Ptolemäus eingetragen waren.

                          

Es dauerte nicht lange und  Ghiyathuddin Dschamschid Kaschani  galt als der beste Gelehrte an der Lehrstätte in Samarkhand.  Dank seiner theoretischen und praktischen Errungenschaften entwickelte sich diese Madrissa innerhalb kurzer Zeit, diese Madressa zum bedeutendsten wissenschaftlichen Zentrum im Osten. Während der wenigen Jahre, in der dieser Gelehrte sich in Samarkhand aufhielt,  verfasste er sein Nachschlagewerk über die Grundlagen der Mathematik namens Miftah ul Hisab (Schlüssel des Rechnens). In diesem Buch stellte er als erster die Dezimalbrüche vor und erklärte die Berechnung der Wurzel von  ganzen Zahlen.  Seine Methoden führten zur Verbreitung der Rechenmethode mit  Dezimalbrüchen in Europa  und sein Buch wurde mehrere Jahrhunderte lang  an den europäischen Universitäten gelehrt. In seinem Werk  Risalah Muhitiyah (Lehrbrief über den Kreisumfang) hat er anschließend die Kreiszahl Pi – welche  das Verhältnis des Umfanges eines Kreises zu seinem Durchmesser angibt - bis auf 16 Nachkommastellen berechnet. Damit verbesserte er das Ergebnis des chinesischen Mathematikers Zu Chongzhi,  der diese Zahl{\displaystyle \pi }  auf 7 Stellen genau berechnet hatte. In dem  Risalah al Watir wa-l Dschaib (Abhandlung über die Sehne und den Sinus)  berechnete Ghiyathuddin Dschamschid Kaschani den Sinus für ein Grad  mit einer Genauigkeit von 10 Ziffern.

                             

Al – Kaschani widmete sich nicht nur den Rechentheorien. Er erfand ebenso 8 astronomische Geräte und hat ihre Bauweise bescheiden in seinem Buch „Scharh Alat-i Rasad“ (Beschreibung der astronomischen Geräte) veröffentlicht.  In dem ersten und zweiten Anhang dieses Buches stellt er einige seiner Berechnungen und Beobachtungen dar und legt zugleich die Theorie vor, dass die Umlaufbahn des Mondes und des Planeten  Merkur  ellipsenförmig ist.

In dem Vorwort der russischen Übersetzung seines Werkes Miftah ul Hisab (Schlüssel des Rechnens) heißt es:

„Kaschani ist der größte Mathematiker und Astronom des 15. Jahrhunderts nach Christus gewesen und seine Erfindungen auf einigen Gebieten sind ein Beispiel für höchstes Wissen im Mittelalter.  Die ausgezeichneten Methoden, die Kaschani bei seinen Berechnungen angewendet hat und seine meisterhaften Techniken bei der Ergebnisgewinnung  haben die besondere Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern unserer Zeit auf sich gelenkt.“

Die größte Leistung Dschamdschid Kaschanis aber war das Observatorium in Samarkhand.  Dieser iranische Gelehrte spielte eine herausragende Rolle bei der Gründung und den theoretischen Berechnungen und wissenschaftlichen Techniken und dem Bau der wissenschaftlichen Geräte und insgesamt gesehen bei der Gestaltung dieser großen Sternwarte.  Diese Sternwarte diente später als Modell für den Bau vieler Sternwarten, auch in der westlichen Welt. Im Osten der Stadt Samarkhand (heutiges Usbekistan) gibt es noch  Reste dieses alten   Observatoriums.  Sie liegen am  Ab-e Rahmat-Fluss.

In vielen Werken und Abhandlungen sind die Errungenschaften Al-Kaschanis beschrieben worden. Der iranische Historiker Ghiyathuddin Mohammad Chandamir hat in seinem Buch Habib ul Seyr über den Bau der Sternwarte in Samarkhand geschrieben:

„Der zweite Ptolemäus, Mulana Ghiyathuddin  Dschamschid und der perfekte Mulana Muinuddin Kaschani haben diese Anlage (das Observatorium) gebaut.“

Muiddin Kaschani war der Neffe und Mitarbeiter von Dschamschid Kaschani gewesen und hatte seine Werke in Schönschrift festgehalten.

                                  

Es gibt unter den Historikern unterschiedliche Ansichten darüber, wann genau mit dem Bau des Observatoriums in Samarkhand begonnen wurde. Doch ihren Ansichten ist insgesamt zu entnehmen, dass es zwischen den Jahren 823 bis 830 n.d.H. gewesen sein muss, d.h. in den 20iger Jahren des 15. Jahrhunderts nach Christus. Die Sternwarte war dreistöckig und wurde auf einem Hügel in der Nähe von Samarkhand namens Kuhak oder Dschupan Ata errichtet.  Den Bauplan entwarf Ghiyathuddin Dschamschid al-Kaschani  und auf seine Anweisung hin wurden die astronomischen Geräte und Anlagen von  Meister Ibrahim Saffat konstruiert. Nach Beendigung des Baus wurde Kaschani die Aufgabe der Himmelsbeobachtung und der Aufstellung eines Zidsch – einer Sternentabelle übertragen.

Einige vermuten,  dass al-Kaschani jedoch schon 832 nach der Hidschra vor Abschluss des Observatoriums gestorben  ist und womöglich auf dem Tschupan Ata-Hügel begraben liegt. Dabei gehen sie von den Anmerkungen auf einigen seiner Manuskripte  aus.

Anderen Berichten zufolge soll al-Kaschani im Schah-Zand-Friedhof in Sarmakhand nahe der Ruhestätte seines berühmten Zeitgenossen, dem Astronomen Qazizadeh Rumi,  beigesetzt worden sein.

Es herrscht Unklarheit darüber, wie Kaschani ums Leben kam.  Einige Geschichtsforscher machen Ulugh Beg aus verschiedenen Gründen für den Tod von al-Kaschani verantwortlich. Anscheinend missfiel dem Timuridenherrscher das Verhalten von al-Kaschani  und er wartete nur davor, dass er die Sternentabellen (Zidsch) beendet und ihn aus dem Dienst entlässt. Ulugh Beg hat außerdem in seiner Einleitung zum Zidsch nach dem Tod von Kaschani  behauptet,  die Berechnung des Sinus für ein Grad stamme von ihm selber. Unterdessen hatte Kaschani in seinem Lehrbrief „Risalah al Watir wa Dschaib und in der Einleitung zum Miftah ul Hisab sehr sorgfältig den Sinus von einem Grad berechnet und seinen Stolz darüber zum Ausdruck gebracht.

Einige vermuten, dass das Wissen und die erstaunlichen Fähigkeiten von Dschamschid Kaschani das Feuer des Neides unter einigen Konkurrenten entfachte, so dass sie ständig gegen ihn protestierten, ihm Hindernisse in den Weg legten und darum bemüht waren, ihn bei Ulugh Beg in Misskredit zu bringen. Ulugh Beg habe sich schließlich von diesen Intrigen beeinflussen lassen und al-Kaschani an der Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gehindert.    Schließlich geriet dieser große iranische Gelehrte, obwohl seine Errungenschaften im Osten und im Westen Widerhall fanden, fern von seiner Heimatstadt   in die Isolation. Sein Vater in Kaschan war  in Sorge, wie eindeutig den traurigen Briefen zu entnehmen ist, die er mit seinem Sohn austauschte.

Es war 1429 (832 nach der Hidschra), am Morgen des 19. Ramadan, dass Dschamschid Kaschani in einem Alter von nur etwa 42 Jahren den Tod fand. Dschamschid Kaschani wurde laut einiger Berichte von Unbekannten in der Sternwarte von Sarmarkhand ermordet. Genau an dem Ort, wo er sich so viel Mühe für den Bau und den Ruhm dieses Observatoriums, welches die Frucht seiner erstaunlichen Fähigkeiten war, gegeben hatte.

                            

 In einem dritten Teil werden Sie noch mehr über die wissenschaftlichen Verdienste diesen iranischen Gelehrten erfahren.