Moral – islamisch gesehen (29 - Rechte der Eheleute)
Wir haben ausführlich über die Grundlagen der Gründung einer islamischen Familie gesprochen und möchten nun die Rechte der Eheleute anführen.
Ein auffälliges Merkmal des islamischen Rechtssystems besteht darin, dass auf jeder Ebene wechselseitiger Beziehungen auch gegenseitige Pflichten und Rechte bestehen. Zum Beispiel in der Gott-Mensch-Beziehung, der Beziehung zwischen Gläubigen und Propheten, der Beziehung zwischen der Gemeinschaft und dem Imam (dem Statthalter Gottes), zwischen Regent und Volk , dem Lehrmeister und Studenten, dem Lehrer und dem Schüler usw. Dementsprechend schenkt das islamische Rechtssystem auch den gegenseitigen Rechten und Pflichten zwischen Eheleuten Aufmerksamkeit.
Der wichtigste Rückhalt und Garant für die Berücksichtigung der Rechte und Pflichten in der für das Schicksal bedeutenden Institution namens Familie ist die Beachtung der Wertstellung von Mann und Frau. Ungeachtet der Unterschiede, welche Gott in Seiner Weisheit bei der Schöpfung von Frau und Mann vorgesehen hat, stehen Männer und Frauen menschlich gesehen auf derselben Stufe. Sie können in jedem Lebensbereich eine Rolle übernehmen. Zur Verdeutlichung sollten wir den Vers 97 der Sure 16 (Nahl) bringen. Dort heißt es:
«مَنْ عَمِلَ صَالِحًا مِنْ ذَکَرٍ أَوْ أُنْثَىٰ وَهُوَ مُؤْمِنٌ فَلَنُحْیِیَنَّهُ حَیَاةً طَیِّبَةً ۖ وَلَنَجْزِیَنَّهُمْ أَجْرَهُمْ بِأَحْسَنِ مَا کَانُوا یَعْمَلُونَ»
Wer rechtschaffen handelt, sei es Mann oder Frau, und dabei gläubig ist, den werden Wir ganz gewiss ein gutes Leben leben lassen. Und Wir werden ihnen ganz gewiss mit ihrem Lohn das Beste von dem vergelten, was sie taten.
Gemäß der eben rezitierten Stelle im Koran setzt Gott für die Gewährung eines guten Lebens und einer hohen Belohnung nur Glauben und rechtschaffenes Handeln voraus. Wir sehen, dass dabei kein Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht wird. Gott, der Schöpfer allen Daseins, hebt weiterhin, um jegliche Unklarheit zu beseitigen, im Vers 195 der Sure 3 (Al-i Imran) nochmals hervor, dass Mann und Frau vor Ihm gleichgestellt sind, wenn sie eine wertvolle Tat vollbringen:
Dort spricht Er:
أَنِّی لَا أُضِیعُ عَمَلَ عَامِلٍ مِنْکُمْ مِنْ ذَکَرٍ أَوْ أُنْثَىٰ...
Ale Imran , Vers 195:
... „Ich lasse kein Werk eines (Gutes) Tuenden von euch verlorengehen, sei es von Mann oder Frau; ...
Wird das Lebensklima von dieser Sichtweise, welche unabhängig von den kreatürlichen Unterschieden von Mann und Frau ist, geprägt, bildet sich zweifelsohne ein festes und unerschütterliches Ehebündnis heraus und die Eheleute werden gemeinsam im persönlichen und im sozialen Bereich eine Rolle ausüben. Wie schön und edel hat der Koran dieses gemeinsame gleichgerichtete Wirken mit den folgenden Worten Gottes in dem Vers 35 der Sure 33 (Sure Ahzab) beschrieben:
«إِنَّ الْمُسْلِمِینَ وَالْمُسْلِمَاتِ وَالْمُؤْمِنِینَ وَالْمُؤْمِنَاتِ وَالْقَانِتِینَ وَالْقَانِتَاتِ وَالصَّادِقِینَ وَالصَّادِقَاتِ وَالصَّابِرِینَ وَالصَّابِرَاتِ وَالْخَاشِعِینَ وَالْخَاشِعَاتِ وَالْمُتَصَدِّقِینَ وَالْمُتَصَدِّقَاتِ وَالصَّائِمِینَ وَالصَّائِمَاتِ وَالْحَافِظِینَ فُرُوجَهُمْ وَالْحَافِظَاتِ وَالذَّاکِرِینَ اللَّهَ کَثِیرًا وَالذَّاکِرَاتِ أَعَدَّ اللَّهُ لَهُمْ مَغْفِرَةً وَأَجْرًا عَظِیمًا»
Gewiss, muslimische Männer und muslimische Frauen, gläubige Männer und gläubige Frauen, (dem Befehl Gottes) ergebene Männer und (dem Befehl Gottes) ergebene Frauen, wahrhaftige Männer und wahrhaftige Frauen, (in allen Situationen) standhafte Männer und standhafte Frauen, bescheidene Männer und bescheidene Frauen, Almosen gebende Männer und Almosen gebende Frauen, fastende Männer und fastende Frauen, Männer, die ihre Scham hüten und Frauen, die (ihre Scham) hüten, und Allahs viel gedenkende Männer und gedenkende Frauen – für (all) sie hat Allah Vergebung und großartigen Lohn bereitet.
In diesem Vers stehen nicht nur die weitreichenden und hohen Eigenschaften der Musliminnen und Muslime, sondern er erklärt damit auch alle ungerechten, erniedrigenden Benachteiligungen und egoistischen und blinden Überlegenheitsansprüche für nichtig , welche es in dem Zeitalter der Ignoranz vor dem Islam gab, wobei die Rechte der Frauen aufgrund von untragbaren Vorwänden verletzt wurden. Und es gibt solche Benachteiligungen auch in unserem Zeitalter der modernen Ignoranz unter den unterdrückten Völkern und in Religionslehren, die zugunsten des Imperialismus verfälscht wurden. Die falschen Vorstellungen über die Rechte von Frauen und von Männern stehen im Widerspruch zu dem gerechten, beide Seiten berücksichtigenden Standpunkt des Islams über die Rechte von Mann und Frau. Zu den destruktiven Folgen einer einseitigen Betrachtung dieser Rechte gehört, dass sie in den Männern ein ignorantes und hochmütiges Vorherrschaftsdenken erwecken und es ihnen möglich wird, den Frauen ihre unangemessenen Wünsche aufzuzwingen. Wenn jedoch Männer und Frauen wissen, dass sie gegenseitige Rechte haben und sich an diese halten, wird der Geist der Achtung der Persönlichkeit des anderen anstelle jeglicher herabwürdigender Einstellung treten und wird das unberechtigte Vorherrschaftsstreben aufhören.
Der Koran verurteilt haltlose Benachteiligungen und blinde Einstellungen. Es heißt in dem Vers 13 der Sure 49, Hudschurat:
یَا أَیُّهَا النَّاسُ إِنَّا خَلَقْنَاکُمْ مِنْ ذَکَرٍ وَأُنْثَىٰ وَجَعَلْنَاکُمْ شُعُوبًا وَقَبَائِلَ لِتَعَارَفُوا ۚ إِنَّ أَکْرَمَکُمْ عِنْدَ اللَّهِ أَتْقَاکُمْ ۚ إِنَّ اللَّهَ عَلِیمٌ خَبِیرٌ
O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Gewiss, der Geehrteste von euch bei Allah ist der Gottesfürchtigste von euch. Gewiss, Allah ist Allwissend und Allkundig.
Die menschliche und sich nach dem Wort Gottes richtende Einstellung zu den Rechten von Frau und Mann hat auch den Vorzug, dass in der Familie der Gedanke der Einheit und der Gleichheit entsteht, dadurch die Abgrenzungen zwischen Mann und Frau aufgehoben werden und sich außerdem eine Einheit im Denken und Handeln entwickelt. Wenn es gegenseitige Rechte gibt und der Geist der gegenseitigen Achtung anstelle einer abwertenden Einstellung tritt, wirkt sich dies positiv auf das Verhalten aus. Je mehr dieser Geist gestärkt wird, desto mehr trägt er zur Festigung der Familie bei. Wenn im Gegenteil dazu blinde Überlegenheitsbestrebungen auftreten, dann macht sich das in der Familie in Form von hässlichem Verhalten und hässlicher Rede bemerkbar. Dabei geht die gegenseitige Achtung verloren und Dinge gehen in die Brüche, die unantastbar bleiben sollten. Die innerlichen und die äußeren Verbindungen werden locker und zerrüttet und mit der Zeit bahnt sich der Zusammenbruch der Ehe und Familie an.
Ja, manchmal hat nur ein einziges unangemessenes Wort oder ein einziges falsches gefühlsmäßiges Reagieren eine solche schlimme Wirkung auf Geist und Seele eines Menschen, dass es gegenseitigen Hass und Abscheu hervorruft und Liebe und Zuneigung auslöscht.
Es ist ein logischer und weiser Grundsatz die Rechte des anderen in jeder Beziehung zu achten, insbesondere in der Ehe und Familie. Dieser Grundsatz findet in der islamischen Rechtsordnung ernsthaft Beachtung. Er kann ein Garant für die Fortdauer der Familie sein.
Beim nächsten Mal werden wir das Thema weiterverfolgen.